90 Prozent der US-Pager waren unbrauchbar

Satelliten-Unfall verdeutlicht fatale Abhängigkeiten

29.05.1998

Deutsche Pager-Benutzer können allerdings weiterhin ruhig schlafen. Andrea Vey, Pressesprecherin von T-Mobil ("Cityruf", "Scall", "Skyper"), erläutert: "Unsere Pager werden nicht aus dem Orbit, sondern über ein Netz terrestrischer Stationen mit Nachrichten versorgt."

Der Grund für den Ausfall des Galaxy-Satelliten, eines Drei-Meter-Kolosses mit zwei je rund 15 Meter langen Sonnensegeln, lag nach Angaben des Betreibers in der Steuerelektronik. Der als Spacecraft Control Processor (SCP) bezeichnete Rechner, der die Position zur Erde stabil halten soll, versagte seinen Dienst ebenso wie die automatische Umschaltung auf ein vorhandenes Backup-System.

Die Folgen waren vor allem für das Pager-Netz verheerend. Die kleinen Funkrufempfänger gelten in vielen Bereichen - vor allem dort, wo es primär um die rasche Übermittlung von Nachrichten in nur eine Richtung geht - als kostengünstigere Alternative zum Mobiltelefon und sind in den USA mit 40 Millionen Nutzern bereits deutlich stärker verbreitet als hierzulande. 10,4 Millionen Kunden von Pagenet Inc. und 2,7 Millionen Teilnehmer des Dienstes von Pagemart Wireless Inc. waren komplett von Galaxy IV abhängig, ebenso wie viele kleinere Anbieter.

Gesundheitswesen besonders betroffen

Vor allem im Gesundheitswesen spielen die Empfänger eine bedeutende Rolle. So mußten zahllose Ärzte, da sie ohne ihre Piepser nicht anders zu erreichen waren, Tage und Nächte in der Nähe von Patienten verbringen, deren kritischer Zustand einen eventuellen Notruf wahrscheinlich erscheinen ließ.

Doch damit nicht genug: Betroffen waren auch Tausende von Geldautomaten und elektronischen Kassensystemen, die über den Satelliten die Bonitätsprüfung der Kreditkarten vornehmen. Beim Tankstellenriesen Chevron etwa waren 5400 Zapfsäulen mit direkter Zahlmöglichkeit außer Betrieb, die Kunden standen mit ihrem Plastikgeld hilflos vor den "Pay-at-the-pump"-Systemen. Verschiedene Rundfunk- und Fernsehsender, etwa CBS und CNN Airport Network, mußten ebenfalls Beeinträchtigungen hinnehmen, die waren jedoch aufgrund besserer Ausweichmöglichkeiten meist von kürzerer Dauer.

Der Vorfall hat vor allem den Ruf nach einem besser abgesicherten Satellitensystem laut werden lassen. "Man darf sich einfach nie zu 100 Prozent auf nur ein Netz verlassen", meint etwa Julie Rietman von der International Data Corp. (IDC). Michael French von Insight Research aus New Jersey bezeichnet den Vorfall als "Wakeup Call". Die Federal Communications Commission (FCC) wird sich nach Aussagen ihres Sprechers William Kennard nun ebenfalls des Themas annehmen, um künftige Pannen zu vermeiden.

Weit schlimmer kommen könnte es im übrigen im November dieses Jahres. Dann nämlich erwarten Astronomen einen Meteoritenschwarm, der in unmittelbarer Nähe des die Erde umkreisenden Satellitengürtels vorbeiziehen soll. Dabei könnten nach Ansicht von Fachleuten gleich Dutzende von Trabanten irreparabel beschädigt werden - mit unabsehbaren Folgen.