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SAP will Oracle Retek-Kunden ausspannen

27.05.2005

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - SAP will künftig auch Retek-Anwender mit seinem "Safe-Passage"-Programm zum Umstieg auf die eigenen Business-Applikationen bewegen. Im Februar dieses Jahres hatte das deutsche Softwarehaus versucht, den US-amerikanischen Spezialisten für Business-Software für den Handel zu übernehmen. Nach mehrwöchigen Auseinandersetzungen erhielt letztendlich jedoch Oracle den Zuschlag für Retek. Der Datenbankspezialist ließ sich den Softwarehersteller rund 650 Millionen Dollar kosten. SAP hatte sich mit der Begründung aus dem Bieterwettstreit zurückgezogen, Rücksicht auf seine Aktionäre nehmen zu müssen.

Oracle habe zu viel für Retek gezahlt, meint Jim McMurray, Vice President für die Sparte Handel bei SAP. Der Konkurrent werde zudem mit seinem Versuch scheitern, die Retek-Applikationen in dessen eigenes Produktportfolio zu integrieren. Anwender seien zufrieden mit der Retek-Technik, berichtet der SAP-Manager. Allerdings gebe es immer wieder Probleme, andere Softwaresysteme anzubinden.

Das will SAP für sich ausnutzen. Das deutsche Softwarehaus wird eine Roadmap für Retek-Kunden entwickeln, um einen Migrationspfad auf die eigenen Applikationen aufzuzeigen. Außerdem sollen die Kunden Beratungs- und Trainingsleistungen von SAP erhalten. Zu guter Letzt bietet SAP beim Umstieg hohe Rabatte auf die eigenen Softwareprodukte.

Ein ähnliches Angebot haben die Walldorfer bereits für Peoplesoft- und J-D.-Edwards-Kunden geschnürt, die seit Jahresbeginn ebenfalls zu Oracle gehören. Sie bekommen unter dem Safe-Passage-Programm beim Umstieg auf eine SAP-Lösung 75 Prozent ihrer Investitionen in die Altsysteme angerechnet. Außerdem bietet SAP seit Jahresbeginn Wartungs- und Support-Leistungen für Peoplesoft und J.D.-Edwards-Installationen an. Dazu haben die Softwerker aus dem Badischen den US-amerikanischen Serviceanbieter Tomorrow Now übernommen. Noch im Sommer dieses Jahres sollen die entsprechenden Dienste auch in Europa angeboten werden. In den USA schätzt der dortige SAP-Chef Bill McDermott das Potenzial auf zirka 6500 Kunden. Diese müssten angesichts der unklaren Softwarestrategie Oracles um ihre Investitionen fürchten, schürt der SAP-Manager die Angst unter den Anwendern.

Wie viele Kunden das Programm bislang in Anspruch genommen haben, will SAP nicht verraten. Laut einem Bericht von J.P. Morgan Securities rechnen die Investment-Banker durchaus damit, dass es SAP gelingen könnte, eine Reihe von Kunden abzuwerben. Andere Analysten warnen jedoch vor Kurzschlussreaktionen. Zwar seien die Bedenken der Anwender bezüglich der Oracle-Strategie nachvollziehbar. Jedoch sollten sie vorerst abwarten, wie die weitere Applikationsstrategie des Datenbankspezialisten aussieht. Oracle versucht derweil, die Klientel der übernommenen Softwareanbieter mit langfristigen Supportversprechen zu beruhigen. Die aktuelle Abwerbe-Initiative der SAP wollen die Oracle-Verantwortlichen bislang nicht kommentieren. (ba)