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SAP wildert weiter im Oracle-Revier

27.05.2005
Obwohl Oracle die Integration von Peoplesoft bereits abgeschlossen hat, wirbt SAP weiterhin ehemalige Peoplesoft-Partner und -Kunden ab.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Obwohl Oracle die Integration von Peoplesoft bereits abgeschlossen hat, wildert die Konkurrenz laut Marktbeobachtern weiterhin im Revier des Datenbankanbieters und wirbt ehemalige Peoplesoft-Partner und -Kunden ab.

In Sorge um das Überleben der Peoplesoft-Produkte nach der Akquisition durch Oracle bieten ehemalige Softwarepartner des aufgekauften Unternehmens mittlerweile Applikationen für Human Resources (HR) und Financial-Management unter anderem von SAP an. In der Tat soll das ansonsten eher zurückhaltende SAP-Management derzeit über den Zuwachs auf Kosten von Oracle regelrecht triumphieren. "Wir haben allein in den USA so viel Applikationssoftware verkauft wie Oracle weltweit und bauen damit unsere Führungsposition weiter aus", brüstete sich der für den Vertrieb zuständige SAP-Vorstand Léo Apotheker vergangene Woche auf einer Konferenz.

Rückenwind im Wettbewerb mit Oracle verschaffte sich SAP nicht zuletzt durch den diesjährigen Zukauf von Tomorrow Now, einem Drittanbieter von Software-Support-Services für Peoplesoft-Produkte. Dieser offeriert Kunden, die Software des von Oracle übernommenen Unternehmens einsetzen, kostengünstige Wartungsdienste und den späteren Umstieg auf SAP. Angaben zur Anzahl der Kunden, die man auf diesem Weg bereits gewinnen konnte, will SAP allerdings nicht machen.

Experten sind sich jedoch einig, dass SAP tatsächlich Fortschritte macht. "Die Marktverschiebung zugunsten von SAP dürfte sich noch über das Jahr 2005 hinaus fortsetzen", schreiben beispielsweise die beiden Analysten John Segrich und Kunal Dasgupta von J.P. Morgan Securities in einem aktuellen Report. Die Kluft zwischen SAP und Oracle werde zusehends breiter: So habe SAP mittlerweile einen Marktanteil von 43 Prozent unter den Top-US-Anbietern und ziele bis zum Jahresende auf 50 Prozent.

Die Tatsache, dass es immer noch unglückliche Peoplesoft-Kunden gebe, habe sich zugunsten von SAP ausgewirkt, so Peter Coleman, Analyst bei Think Equity Partners.

Neben Oracle haben die Walldorfer aber auch die Kundenbasis von CRM-Anbieter Siebel Systems, über dessen mögliche Übernahme durch Oracle derzeit spekuliert wird, im Visier. SAPs diesbezügliche Botschaft sei unmissverständlich, so Coleman. "Wer will schon Siebel-Produkte kaufen, wenn es demnächst zu Oracle gehören könnte?" so der Analyst. Zwar könne sich Oracle damit - eine erfolgreiche Integration vorausgesetzt - eine hervorragende Position im Konkurrenzkampf mit SAP verschaffen. Bis es jedoch so weit sei, sei dies eine große Herausforderung.

Murray M. Beach, President des Investmentunternehmens Boston Corporate Finance, deutet die derzeitigen Anstrengungen der Walldorfer wiederum als klassischen Versuch, aus fusionsbedingten Wirrungen Vorteile zu ziehen. "Mit Hilfe durch die Nachricht der Übernahme abgelenkter Kunden haben SAP und Microsoft in den vergangenen beiden Jahren mächtig zulegen können", kommentiert Beach das 18 Monate währende Akquisitionsgerangel, bis sich Peoplesoft im Januar dieses Jahres in sein Schicksal fügte.

Auch in den Reihen der IT-Dienstleister, deren Geschäft sich bislang auf Peoplesoft-Produkte stützte, hätten die Fusionsnachwehen für hektische Aktivität gesorgt: "Eine Strategie für Peoplesoft-Anbieter besteht darin, sich unabhängig von Oracle und Peoplesoft zu stärken und in Richtung SAP und Microsoft zu bewegen", beschreibt Beach.

Trotz der Branchenunruhe rund um die Oracle/Peoplesoft-Übernahme halten Marktexperten weitere Zukäufe für unabdingbar, wenn der Datenbankanbieter im Bereich der Business-Applikationen mit SAP konkurrieren wolle. Jeff Henley bestätigte dies indirekt: Sein Unternehmen sei bereit für eine weitere große Akquisition, so der Aufsichtsratsvorsitzende von Oracle. (kf)