SAP Visual Composer: Modell statt Code

25.08.2006
Von Hafedh Ghamgui  
Auch weniger versierte Anwender sollen mit dem neuen Entwicklungs-Tool analytische Portalanwendungen erstellen können. Doch ohne SAP-Basiswissen geht nichts.
Visual Composer erweitert das Tool-Angebot der SAP um die Option, Anwendungen grafisch zu erstellen.
Visual Composer erweitert das Tool-Angebot der SAP um die Option, Anwendungen grafisch zu erstellen.

Seit langem träumen IT-Verantwortliche davon, Anwendungskomponenten für neue Lösungen (Composite Applications) wiederverwenden zu können. Dies würde deren Entwicklung beschleunigen und verbilligen sowie den Wert bereits getätigter IT-Investitionen erhöhen. Dies trifft auch auf die Entwicklung von Portalinhalten zu.

Stärken und Schwächen (Version 6.0, Patch 6)

-- Einfache Installation;

- schnelle Verbindung zum SAP-Portal;

- grundsätzlich keine Programmierkenntnisse für die iView-Erstellung notwendig (Drag-and-drop);

- komfortable Benutzeroberfläche für das Layoutdesign;

- Testen und Einsatz per Mausklick;

- einfache Integration der erstellten Anwendung in eine Portalrolle;

- automatische Online-Dokumentation der Anwendung;

- einheitliches Look and Feel der Anwendungen.

- Kompliziertes Berechtigungskonzept für den Zugriff auf Datenquellen;

- fehlende oder fehlerhafte Standardfunktionen im Visual Composer, zum Beispiel HTML-Links;

- setzt vor allem, wenn Anpassungen nötig sind, gute SAP-Kenntnisse und Grundlagen der Web-Entwicklung voraus.

Technische Features

• Support für die Versionen des "SAP Enterprise Portal" 6.0 SP2 (Web AS 6.20) und 6.0 auf dem Java-Applikations-Server "Web AS 6.40";

• unterstützt Java Server Pages und HTMLB (HTML Business for Java). Support für Metadaten aus Webdynpro ist geplant;

• Multi-Language Support für Content : Übersetzungs-Tool im Portal zur Laufzeit.

Connectivity zu:

a) SAP-Software

• ERP: BAPI/RFC ab Version 3.1;

• Business Intelligence: Infocubes zu allen Versionen des "SAP Business Warehouse".

b) Third-Party-Software

• JDBC-konforme Daten- banken

• Unterstützung für HTTPS/SSL

• Model Security : Passwort Unterstützung;

Model Import/Export:

a) ein VC Model von einem Server zu einem anderen;

b) ein VC Upgrade überschreibt Code und nicht Models.

• Event Handling zwischen iViews : basiert auf dem Portal Client Side Eventing API (EPCF);

• Support von Kontextsensi- tiver Hilfe : separate Installa- tion von Hilfedateien;

• Feldberechnung mittels "Dynamic Expressions";

• Authentifizierungs-

mechanismen.

Business Intelligence Kit

Integration auf Basis des "BI Java Connector":

• BI ODBO and BI XMLA Connector;

• MS Analysis Services, SAS, Hyperion;

• BI JDBC Connector;

• RDBMS, CSV, Excel und andere;

• BI SAP Query Connector;

• Mysap ERP Data;

• Native BW Web Applications.

Tools für die Generierung von Queries aus diversen Datenquellen:

• Templates für Olap und relationale Queries: Ranking, Variance, Trend;

• Wizard für Freeform Relational Queries: Joins, Filter, Sorting;

• SQL Editor;

• MDX Editor.

"Develop once, run anywhere" : Support des JSR-168-Standards:

• SAP Development Environment Netweaver 2005 soll den Import von JSR-168-konformem Content unterstützen;

• SAP Enterprise Portal unterstützt die Integration von WSRP-konformen Content;

• Visual Composer unterstützt iViews konform zur Spezifikation "Web Services for Remote Portals" (WSRP).

Hier lesen Sie …

Mehr zum Thema

www.computerwoche.de/

573485: Frontend-Strategie der SAP;

568479: Composite Analytical Applications;

573501: SAP Dynpro und Webdynpro.

Baukastenprinzip

Dazu benötigen IT-Spezialisten und Business-Analysten die passenden Werkzeuge: ein plattformunabhängiges, Web-basierendes Entwicklungs-Tool, um eigene Applikationen (iViews/ Portlets) schnell und ohne Programmierkenntnisse zu erstellen, sowie ein benutzerfreundliches Modellierungs-Tool, das es gestattet, Prototypen schnell aufzusetzen, um sie für weiterführende Entscheidungen nutzen zu können. Ferner ist eine visuelle Darstellung aller Verbindungen und Events zwischen grafischer Benutzeroberfläche und Datendiensten (Data-Services) innerhalb der Applikation notwendig.

Mit der Entwicklungs- und Laufzeitumgebung "SAP Composite Application Framework" glauben die Walldorfer diesen Traum von der effizienteren Anwendungsentwicklung verwirklichen zu können. Ein Teil von ihm ist der "SAP Netweaver Visual Composer", ein Web-basierendes, effizientes MDA-Werkzeug (Model Driven Architecture). Es soll Betriebswirtschaftlern und Entwicklern gleichermaßen den Aufbau zusammengesetzter Anwendungen und Prozesse (Composite Analytical Applications beziehungsweise "Xapps Analytics") ohne den Einsatz von Programmiersprachen ermöglichen. Das Ergebnis sind Lösungen, die die typische Interaktivität und Vielseitigkeit von Desktop-Software aufweisen und sie mit einer tiefen Integration in das SAP-Backoffice kombinieren.

Solche Rich-Internet-Anwendungen verwenden die Oberflächentechnik "Flex" des Anbieters Macromedia, mit dem die SAP letztes Jahr ein Lizenzabkommen vereinbarte. Der Endanwender benötigt für ihre Nutzung keine zusätzliche Software auf dem Client, einschließlich Templates oder Cookies, sondern nur das verbreitete Flash-Plug-in. Aktualisierungen von Inhalten können ohne Seitenwechsel oder Neuladen erfolgen. Ebenso gilt Flex im Vergleich mit herkömmlichen HTML-Seiten nebst Skriptsprachen als überlegen, wenn es um Animationen, die Darstellung von Tabellen oder um das Sitzungs-Management geht.

Flex statt Ajax

Die zunehmend populäre "Ajax"-Technik (Asynchronous Javascript and XML) für die Entwicklung von Web-Frontends spielt in der SAP-Strategie derzeit keine Rolle, da man sich für Macromedia entschieden hat. Zudem bietet SAP alternativ zu Ajax sein "Webdynpro"-Framework.

Der Visual Composer ist Teil der Lizenz für "SAP Netweaver 4.0s" oder der "SAP Business Suite Professional User Lizenz". Eine Entwicklerlizenz schließt die professionelle Benutzerlizenz mit ein. Die Arbeit mit dem Werkzeug setzt Erfahrungen mit Web-basierenden Anwendungen und Drag-and-Drop-Funktionen voraus.

BAPIs, RFC, HTML

Ebenso ist ein Grundwissen über SAP R/3 Business APIs (BAPIs) und Remote Function Calls (RFCs) nötig. Hilfreich ist es, wenn der Anwender Erfahrungen im Layoutdesign gesammelt hat. Ein absolutes Muss hingegen ist technisches Wissen über HTML, HTML/B (HTML Business for Java = Basistechnik der iViews) und MVC-Modelle (Model View Controler).

Innerhalb der Werkzeugplatte der SAP (siehe Grafik "Positionierung von Visual Composer") lässt sich der Visual Composer am besten als Tool umschreiben, das für eine einfache Datendarstellung aus SAP-BAPI geeignet ist und einfache Anwendungen für das "Netweaver Portal" erzeugt. Der Content (iViews) lässt sich für "SAP Xapp Analytics" als Flash-Movie (.swf file) einbetten. Darüber hinaus können Unternehmen den Visual Composer als Modellierungs-Tool für die objektorientierte Softwareentwicklung oder für den Entwurf von IT-Konzepten verwenden. Letztere können auch umfangreicher sein, dass sich im "Storyboard" - der Arbeitsumgebung des Tools - durchaus komplizierte Prozesse mit visuellen Komponenten darstellen lassen. Im Gegensatz dazu dient SAPs Technik Webdynpro für die Entwicklung komplexer und anspruchsvollerer Unternehmenslösungen. Deren Modelle werden mit Hilfe des "SAP Netweaver Developer Studio" entwickelt und nicht mit dem Visual Composer.

Drag and Drop

Ausgeliefert wird der Visual Composer zusammen mit dem Netweaver Portal 6.0. Das Tool greift über das Portal auf die im Backend liegenden RFCs, BAPIs und andere Datenquellen zu und liefert die Daten an die entsprechenden iViews im Tool (siehe Kasten "Technische Features". Die Logik der Benutzeroberfläche definiert, welche UI-Elemente (Buttons, Tabellen etc.) dem Anwender zur Laufzeit angezeigt werden und wie sie untereinander agieren sollen. Die gesamte UI-Logik wird per Drag and Drop von Symbolen, die die UI-Elemente repräsentieren, erzeugt. Der Visual Composer erstellt den darunter liegenden Code. Das Layout der iViews kann über WYSIWYG-Tools verändert werden. Nach Bedarf kann ein Controller oder Entwickler vorkonfigurierte Anwendungsmodelle/Templates oder Services aus der ERP-Welt importieren und im Storyboard Tests oder Prototypen ausführen.

Anspruch und Wirklichkeit

Für die Modifikation von Web-Services sind allerdings gute Kenntnisse über BAPI-Funktionen sowie gegebenenfalls Programmiererfahrung nötig. Auch weist das Tool zumindest in der hier betrachteten Version 6.0, Patch 6, noch Schwächen auf. So bietet es beim Aufbau von Portalanwendungen keine Hilfe, um vorhandene Berechtigungskonzepte für den Zugriff auf Datenquellen zu übernehmen. Hier bleibt nichts anderes übrig, als diese manuell zu implementieren. Ferner sind manche Standardfunktionen fehlerhaft oder fehlen ganz, wie beispielsweise eine Verlinkung in HTML. Allerdings hat die SAP mittlerweile weitere Patches ausgeliefert, die diese und andere Nachteile beheben sollen (siehe auch "Stärken und Schwächen des Visual Composers").

Ebenfalls in der Lizenz enthalten ist ein Business-Intelligence-Kit (siehe Kasten "Business Intelligence Kit"). Es erlaubt den Zugriff auf Analysedaten über den mitgelieferten "BI Java Connector", der sich sowohl für transaktionale SAP- als auch Nicht-SAP-Daten eignet. Die Grundbausteine aller Analyseanwendungen sind Web-Services, zu denen die SAP ihre ERP-Anwendungslogik derzeit umwandelt. Diese Dienste sollen in absehbarer Zeit über ein "Enterprise Services Repository" erhältlich sein und könnten den Aufbau analytischer Anwendungen erheblich erleichtern, da sie wiederverwendbar sind. Allerdings bietet der Visual Composer bisher keine Optionen, um den Code anzupassen oder neue Web-Services zu erzeugen. Hierfür ist die Entwicklungsumgebung SAP Netweaver Developer Studio nötig. Laut Hersteller soll sich dies mit kommenden Versionen des Visual Composer ändern.

Der SAP Visual Composer ist noch ein junges Produkt. Ein Einsatzgebiet, wo er sich dank verfügbarer Web-Services tatsächlich gut verwenden lässt, ist das Personalwesen (HR), etwa für eigene Lösungen für Employee/Manager Self Services (ESS/ 0MSS). Erste Praxiserfahrungen konnten auch in einem SAP-Portal-Projekt gesammelt werden, bei dem es um die Entwicklung von iViews ging. Diese sollten Informationsmaterial (Datenblätter, Stammdaten, Hinweise für die Bestellung und Lieferung) zu Gefahrstoffen in der chemischen Industrie zuordnen helfen.

Erste Praxiserfahrungen

Die Integration von heterogenen Datenquellen (File-System, SAP R/3, Oracle-Datenbank) war der schwierige Part des Projekts. Die Implementierung der iViews oder die Integration in das SAP Netweaver Portal verliefen hingegen schnell, problemlos und erforderten keine großen Programmierkenntnisse. Das grafische Storyboard des Visual Composer ist einfach zu bedienen und selbsterklärend. Es ermöglicht sogar einen Test der Anwendung per Mausklick. Erfreulich waren auch die Drag-and-Drop-Funktionen. Diese sind normalerweise sehr CPU-intensiv, weil sie durch reines Javascript gehandhabt werden. Im Visual Composer übernimmt dies hingegen die SVG (Adobe SVG plug-in), die wesentlich weniger Prozessorleistung erfordert. (as)