Walldorfer reagieren auf heftige Kritik

SAP verteilt die Aufgaben im Vorstand neu

02.07.1999
MÜNCHEN (CW) - Besser spät als nie, so läßt sich der Umbau des SAP-Vorstands beschreiben. Wenige Tage nach der heftigen Schelte von Analysten und Anwendern verteilt der ERP-Marktführer die Aufgaben seiner Vorstände neu, um den Anschluß im Internet-Geschäft nicht zu verlieren.

Die herbe Kritik der letzten Wochen zeigt nun Wirkung: Zwei Monate nach den Ankündigungen der Internet-Strategie Mysap.com auf der Sapphire ''99 in Nizza findet diese endlich einen Niederschlag in der Organisation des Softwarehauses. So zeichnet SAP-Vorstandsprecher Hasso Plattner künftig persönlich für Mysap. com verantwortlich. Insbesondere unterstehen ihm Marketing, Kommunikation und die Öffentlichkeitsarbeit für dieses Segment. Karl-Heinz Hess, einem von drei Mitgliedern der erweiterten Geschäftsführung der SAP AG, wurde die Verantwortung für die Entwicklung und Auslieferung der Lösungen im Rahmen von Mysap.com übertragen.

Henning Kagermann, ebenfalls SAP-Vorstandssprecher, übernimmt die Obhut für Vertrieb, Beratung und Kundenbeziehung in Europa, im asiatisch-pazifischen Raum und in Amerika. Damit ist der Vertrieb, der bisher in den unterschiedlichen Regionen von verschiedenen Vorstandsmitgliedern verantwortet wurde, auf Kagermann konzentriert worden. Vorstand Peter Zencke gibt in diesem Zusammenhang seine Verantwortung für den asiatisch-pazifischen Raum ab und konzentriert sich auf die Entwicklung der Lösungen zum Management von Kunden- und Partnerbeziehungen. Für das Kernprodukt R/3 und die Lieferketten-Produkte ist Vorstandsmitglied Claus Heinrich zuständig. Der gesamte Servicebereich einschließlich Schulung, vorbeugendem Service und Wartung bleibt Gerhard Oswald unterstellt.

Internet-Strategie überzeugte Analysten nicht

Bereits vor zwei Monaten stellten die Walldorfer in Nizza ihr Projekt "Mysap.com" der breiten Öffentlichkeit vor. Doch zeigten sich Analysten von der Strategie damals wenig beeindruckt: Mysap.com sei mit der heißen Nadel gestrickt worden, um vor allem auf dem amerikanischen Markt und bei den Auguren selbst wieder Punkte sammeln zu können, hieß es aus Insiderkreisen (siehe CW 18/99, Seite 1).

Es sei überhaupt nicht klar, wie die Walldorfer mit Mysap.com künftig Geld verdienen wollten, kritisierten die Fachleute. Analyst Joshua Greenbaum von Enterprise Application Consultants aus Berkeley, Kalifornien: "Erst in zwei, drei Jahren wird die SAP damit Profit machen." Ferner sei die Web-Strategie in der SAP-Organisation nicht ausreichend bekannt und personell untermauert. Kurz: Analysten und Anwender nehmen der SAP den Wandel von einem Einproduktanbieter für ERP-Bedarf zu einer Internet-Company nicht ab.

In der vergangenen Woche wurden dann die in Insiderkreisen seit langem bekannten Probleme bei der Entwicklung der Produktfamilie "New Dimension" publik, zu der Lösungen für Vertrieb, Marketing, Service, das Management von Lieferketten sowie Data-Warehouse-Tools gehören. Der SAP-Vorstand verschleppe die Entwicklung, so daß speziell die Front-Office-Produkte für Vertrieb und Marketing drei bis sechs Monate später als geplant und mit weniger Funktionen auf den Markt kommen sollen, berichtete das "Wall Street Journal". Zudem seien die Tools, die im Bereich Supply-Chain-Management ausgeliefert werden, instabil (siehe CW 25/99, Seite 7). Viele Anwender sind unterdessen nicht mehr bereit, zu warten, bis die SAP mit marktreifen Produkten aufwartet. Sie entscheiden sich für Erzeugnisse von Spezialanbietern wie Siebel, Vantive oder I2.