SAP verliert Heimspiel gegen Oracle

26.03.2007
Die Rudolf Wild GmbH & Co. KG in Heidelberg-Eppelheim, Hersteller des Softdrinks Capri-Sonne, wird ihre SAP-Software gegen Produkte von Oracle austauschen.

Die Wild-Werke, ein rund 2500 Mitarbeiter starker Produzent von natürlichen Inhaltsstoffen für die Lebensmittel- und Getränkeindustrie, hat beschlossen, an allen weltweiten 17 Standorten des Unternehmens vorhandene Geschäftsapplikationen von SAP durch eine Oracle-Applikation ("E-Business Suite 12") für die Finanzbuchhaltung, Personalwesen, Customer-Relationship-Management, Lieferkettenverwaltung und Fertigungssteuerung für die Prozessindustrie zu ersetzen.

Ausgerechnet in Heidelberg hat Wild seinen Hauptsitz, also ganz in der Nähe von SAPs Konzernzentrale in Walldorf. Oracle-Deutschlandchef Jürgen Kunz hatte unlängst angekündigt, bald einen Erfolg im Applikationsgeschäft vermelden zu können und meinte damit diesen Deal (siehe auch "Etliche SAP-Kunden nutzen Oracles Middleware"). Allerdings ändert auch dieses Abkommen nichts an der Tatsache, dass Oracle im deutschen Geschäft mit betriebswirtschaftlicher Standardsoftware im Vergleich zu SAP kaum ins Gewicht fällt.

Dass sich Wild überhaupt mit anderen Herstellern von Anwendungssoftware beschäftigte, hat eine pikante Vorgeschichte: Wild und SAP-Mitbegründer Dietmar Hopp hatten seit einiger Zeit über ein Grundstück in Heidelberg-Eppelheim gestritten. Wild hatte sich seit Jahrzehnten um ein Gelände östlich der Autobahn A5 bemüht, auf dem ein neues Werk entstehen sollte. Im letzten Jahr schien es dann plötzlich, als könne Hopp dort das geplante Stadion für seinen Fussballverein TSG Hoffenheim errichten. Das 40-Millionen-Euro-Stadion wird zwar nun in Sinsheim gebaut, dennoch hatte der Streit Konsequenzen: SAP-Vorstandsmitglied Claus Heinrich gab seinen Posten als Beirat bei Wild auf.

Nach Angaben einer Firmensprecherin von Wild hatte sich Heinrich stark dafür eingesetzt, dass die bestehende R/3-Installation auf Mysap umgestellt wird. Sein Rückzug aus dem Beirat habe das Unternehmen dazu veranlasst, sich am Markt nach möglichen Alternativen für SAPs Software umzusehen. Man fragte sich, ob SAPs Unterstützung für die betriebswirtschaftlichen Anwendungen wie gewohnt fortgesetzt werde, nachdem Heinrich seine Verbindungen zur Firma gekappt hatte.

Die Entscheidung für Oracle hatte laut der Wild-Sprecherin zwei Gründe: Die Eignung der Software für die Prozessindustrie sowie die geringeren Betriebskosten. Anfang 2008 soll der Umstieg vollzogen sein. "Auch wenn dieser Auslöser eher emotionaler Natur war, erfolgte die anschließende Analyse der Wettbewerbssituation und letztendlich die Entscheidung für einen Wettbewerber von SAP aus rein betriebswirtschaftlichen Gründen", sagt Hans-Peter Wild, Inhaber und Chairman von Wild.

Nachdem sich SAP und Oracle bisher nur verbale Scharmützel lieferten, setzen beide Firmen nun ihre Rivalität vor Gericht fort. Oracle hatte unlängst Klage gegen SAP eingereicht (siehe auch Oracle vs. SAP: Die wichtigsten Klagepunkte). Der Vorwurf: Mitarbeiter der SAP-Tochter Tomorrow Now sollen Software und Informationen von für Kunden bestimmte Support-Seiten auf der Oracle-Website heruntergeladen haben. Dabei sollen sie sich als Bestandskunden von Oracle ausgegeben haben. Tomorrow Now bietet Kunden von Software von Peoplesoft, J.D. Edwards und Siebel alternative Wartung mit späterem Umstieg auf SAP-Produkte an. Die genannten Hersteller wurden allesamt von Oracle übernommen. Softwarewartung ist für viele Anbieter von betriebswirtschaftlicher Software eine wichtige Umsatzquelle.

SAP reagierte auf die Oracle-Klage mit einer Kampfansage. Man werde sich "aggresiv wehren", heißt es aus dem Konzern. Zur Sache äußerten sich die Walldorfer indes nicht (siehe auch SAP will sich gegen Oracle zur Wehr setzen). (hv/fn)