SAP und Oracle: Wo bitte geht’s zur SOA?

25.04.2006
Forrester Research hat die Plattformstrategien von SAP und Oracle verglichen. Das Ergebnis: Beide Hersteller müssen noch eine Menge Hausaufgaben erledigen.

SAP und Oracle arbeiten mit Hochdruck an ihrer nächsten Generation von Business-Applikationen. Dabei spielt neben den Anwendungen auch die zugrunde liegende Plattform eine zentrale Rolle. In den kommenden zwei Jahren wollen die Erzrivalen erste Produkte auf Basis Service-orientierter Architekturen (SOA) vorstellen. Modular aufgebaute Softwarebausteine sollen sich beliebig auf Basis einer Integrationsplattform kombinieren lassen. Anwenderunternehmen könnten damit ihre IT-Strukturen flexibler und schneller an sich ändernde Marktgegebenheiten anpassen und damit auch die Kosten senken, werben die zwei führenden Hersteller im weltweiten Geschäft mit Business Software.

Oracle

breites Portfolio mit Datenbank, Middleware und Applikationen;

näher am Standard: Einsatz fremder Middleware möglich;

Fusion-Elemente mit neuen Produkt-Releases;

flexiblere Softwarenutzung durch Servicemodelle möglich;

ungeordnete Partnerbe- ziehungen;

Anwendungsfunktionen in Fusion noch unklar;

Branchenstrategie undurchsichtig;

Unruhe durch die zahlreichen Zukäufe.

SAP

eindeutiger Fokus auf Applikationsgeschäft;

langjährig gewachsene Beziehungen zu Applikationskunden;

geordnete Beziehungen zu den Partnern und klare Branchenorientierung;

Kooperation mit anderen Softwaregrößen;

Anwendungen mit Netweaver gekoppelt;

Kauf einer Mysap-Lizenz notwendig;

unflexible Lizenz- und Nutzungsmodelle;

proprietäre Bestandteile in der Technik.

Tipps für den SOA-Weg

• Starten Sie behutsam in die SOA-Welt. Kaufen Sie zunächst einzelne Teile, um die neuen Möglichkeiten auszuprobieren;

• Achten Sie auf die Offenheit der Produkte. Weder Oracle noch SAP werden mit ihren Integrationsplattformen alles abdecken.

• Vermeiden Sie zu starke Abhängigkeiten. Trotz der Betonung von Standards versuchen SAP und Oracle, einen möglichst großen Teil Ihrer Softwareinfrastruktur für sich zu vereinnahmen.

• Behalten Sie andere Hersteller im Auge, um keine Innovationen abseits der Softwaremogule zu verpassen. Auch Best-of-Breed-Anbieter bekommen mit SOA eine neue Chance.

• Bringen Sie Ihre bestehende Softwarelandschaft in Ordnung. Die Bereinigung verschiedener Instanzen birgt viel Potenzial. Auch funktional lassen sich bestehende Produkte ausbauen.

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Der Wechsel auf diese neue Software wird für die Anwender nicht leicht. Verantwortliche von SAP und Oracle sprachen in den zurückliegenden Jahren wiederholt von einem anstehenden Paradigmenwechsel. Für die Kunden, die den Schritt in eine Service-orientierte Applikationslandschaft gut vorbereiten müssen, gilt es daher, die Strategien der verschiedenen Anbieter zu prüfen und festzustellen, welcher Weg am besten zu den eigenen Plänen passt.

Ausgangssituation

SAP kann Forrester zufolge seine SOA-Strategie aus dem angestammten Applikationsgeschäft mit zumeist langjährigen Beziehungen zu rund 35 000 Kunden starten. Oracle dagegen hat sich seine etwa 27 000 Unternehmen zählende Basis an Business-Software-Kunden dagegen erst in den zurückliegenden eineinhalb Jahren zusammengekauft. Das Problem dabei: Die Oracle-Verantwortlichen müssen hart arbeiten, um die weithin herrschende Verunsicherung der heterogen zusammengesetzten Klientel zu zerstreuen, was die künftige Produktstrategie betrifft.

Strategie

Oracle fasst seine SOA-Entwicklungen unter dem Vorhaben "Fusion" zusammen. Dazu gehört neben der Fusion-Middleware auch das Project Fusion. Dessen Ziel ist die Entwicklung einer homogenen Anwendungslandschaft, nachdem Oracle einen Gemischtwarenladen an Applikationen vorhält. Der Hersteller aus dem US-amerikanischen Redwood Shores will sich seinen Kunden als möglichst kompletter Portfolio-Anbieter präsentieren. Dazu zählt neben Business-Software und Middleware auch das Datenbankgeschäft. Ellison spekulierte zuletzt sogar darüber, seine Softwarepalette mit einem Linux-basierenden Betriebssystem zu komplettieren.

SAP will sich dagegen auch künftig ausschließlich auf Business-Applikationen konzentrieren. Neu wird lediglich sein, dass dem Ganzen die Business Process Platform (BPP) mit der Integrationsplattform "Netweaver" zugrunde liegt. Die Walldorfer wollen jedoch nicht gegen die großen Plattformanbieter IBM und Microsoft antreten. Vielmehr soll es Schnittstellen zwischen Netweaver und Websphere beziehungsweise .NET geben. Auch in Sachen Datenbank und Betriebssystem lässt SAP seinen Kunden die freie Wahl.

Beide Anbieter sind ihrer Klientel allerdings noch die Details ihrer Strategie schuldig, mahnen die Forrester-Analysten. SAPs Ansatz sei reich an Visionen, jedoch arm an Details, kritisieren sie. Die Oracle-Verantwortlichen hätten es bislang versäumt, genau zu erklären, welche Funktionen von welchem zugekauften Produkt in künftigen Produktversionen Bestand haben.

Technik

Beide Softwarehersteller betonen die strikte Ausrichtung der künftigen Produkte an Standards. Im Vordergrund stehen dabei Java, Web Services und die Business Process Execution Language (BPEL). Forrester sieht in Sachen Standards Oracle vorn. Der Datenbankanbieter orientiere sich stärker an Java und Web Services. Zudem nutze SAP BPEL im Rahmen einer proprietären Ablaufumgebung.

Allerdings verwenden SAP wie Oracle gleichermaßen Techniken, um die Leistung ihrer integrierten Architekturen zu verbessern. Oracle hat dabei vor allem die Anbindung an die eigene Datenbank im Auge. SAP hingegen verknüpft seine Business-Applikationen zwingend mit der Integrationsplattform Netweaver.

Im Zentrum der Architekturen beider Anbieter steht ein Service Repository. Hier sollen Prozess- und Schnittstellenbeschreibungen Platz finden. SAP und Oracle arbeiten derzeit mit Hochdruck daran, ihre Servicelager zu füllen. Für den Betrieb der künftigen SOA-basierenden Applikationslandschaften ist die Nutzung des jeweiligen Service-Repository unumgänglich.

Beide Anbieter arbeiten kontinuierlich am Ausbau ihrer Technik. Im Vordergrund stehen dabei unter anderem die Datenbasis sowie Analysefunktionen. Oracle verfolgt ausgehend von seiner Datenbank ein einheitliches Datenmodell, das die Grundlage für verschiedene Data Hubs beispielsweise für Kunden- oder Produktinformationen bilden soll. SAP bemüht sich mit Hilfe des Master Data Management (MDM) um eine konsistente Datenbasis. Insgesamt bescheinigen die Forrester-Analysten Oracle die ausgereiftere Middleware-Technik. In Sachen Business Intelligence (BI) sehen sie jedoch bei beiden Anbietern Nachholbedarf.

Branchen

Oracle will seine Kunden nicht nur mit Infrastruktur und Applikationen, sondern auch mit vertikalen Lösungen bedienen. Das notwendige Knowhow kauft der weltweit zweitgrößte Softwareanbieter zu. President Charles Phillips hatte im vergangenen Jahr angekündigt, Oracle werde acht Branchen ins Visier nehmen. Mittlerweile stehen mit dem Handel, Finanzdienstleistern und Telekommunikationsanbietern drei Zielmärkte fest. Über die Weiteren herrscht Unklarheit.

SAP arbeitet in Sachen Branchenorientierung eng mit seinen Partnern zusammen. Zwar bieten die Softwerker auch Lösungen für bestimmte Märkte an, lassen aber genug Raum für Nischen, in denen Partner eigene Entwicklungen platzieren können. Die Claims sind Forrester zufolge genau abgesteckt.

Partnerkonzept

Mit seinen Partnerbeziehungen tut sich Oracle schwer. Bislang gebe es Forrester zufolge keine Anzeichen dafür, dass der Datenbankspezialist seine Fusion-Entwicklung für Partner öffnet. Problematisch für Oracle-Partner ist zudem die Branchenorientierung des Konzerns. Es bleibt derzeit unklar, welche Bereiche Oracle selbst adressieren möchte und wo Raum für Partnerlösungen bleibt.

SAP arbeitet dagegen seit 2005 aktiv am Aufbau einer Partnergemeinschaft rund um ESA. Im Rahmen der Enterprise Services Community laden die Walldorfer Softwarepartner und Anwender ein, die künftige Architektur zu diskutieren und aktiv an der Entwicklung der Services mitzuarbeiten. Zudem können Entwickler ihre Produkte für ESA und Netweaver zertifizieren lassen.

Kooperationen

Außerdem kooperiert SAP eng mit anderen großen Softwareanbietern. So entwickeln die Walldorfer gemeinsam mit Microsoft das Projekt "Mendocino". Ziel ist, den Nutzern Microsofts Office-Produkte als Frontends für die SAP-Applikationen zur Verfügung zu stellen.

Oracle öffnet sich den großen Konkurrenten in Sachen Datenbanken und Middleware nur langsam. Zwar demonstrierten die Verantwortlichen Anfang des Jahres, wie sich die eigenen Business-Anwendungen mit Microsofts Office-Paket koppeln lassen. Zu einem offiziellen Abkommen mit dem Erzrivalen konnte sich Oracle-Chef Ellison allerdings bislang nicht durchringen. Arrangieren muss er sich jedoch damit, dass zahlreiche Anwender der mit dem Kauf von Peoplesoft übernommenen Applikationen mit Infrastruktur- und Datenbankprodukten von IBM arbeiten. Mittlerweile gibt es ein offizielles Abkommen, das den Support der Oracle-Applikationen auf IBMs Middleware-Plattform "Websphere" garantiert.

Preis- und Lizenzmodelle

Noch ist absehbar, welche Folgen Service-orientierte Architekturen für die Preis- und Lizenzmodelle beider Anbieter haben werden. Zwar hoffen Anwender mit der Abkehr von den monolithischen Softwareblöcken der Vergangenheit auf mehr Flexibilität. Allerdings fällt SAP und Oracle der Wandel schwer. Zu sehr hängen die Geschäftsmodelle vom herkömmlichen Lizenz- und Wartungsgeschäft ab.

Mit der breiteren Produktpalette im Rücken wollen die Oracle-Verantwortlichen offenbar mehr großvolumige Enterprise-Verträge mit ihren Konzernkunden an Land ziehen. Zudem setzt Oracle verstärkt auf Service-Modelle wie On-Demand und Software-as-a-Service (SaaS) und bietet seinen Kunden damit einen größeren Grad an Flexibilität. Obwohl SAP inzwischen mit einer eigenen CRM-Offerte den Schritt ins On-Demand-Geschäft gewagt hat, tun sich die Walldorfer nach wie vor schwer. Kunden, die sich darauf einlassen, sollen nach der bisherigen Strategie über kurz oder lang in die etablierte SAP-Welt hineingezogen werden.

Hartnäckig halten sich Gerüchte, SAP arbeite an einer neuen Preisliste. Angeblich sollen künftig verstärkt Industriemetriken zur Preisfindung herangezogen werden. Das kann beispielsweise die Zahl der Vertragsabschlüsse einer Versicherung oder die Fördermenge eines Ölkonzerns sein. Die SAP-Verantwortlichen bezeichneten dies bislang als pure Spekulation.

Fazit

Mit dem Wechsel in die SOA-Welt konfrontieren SAP und Oracle ihre Kunden mit einer Reihe neuer Techniken, die jedoch - wie beispielsweise BPEL - noch teilweise unausgereift sind. Außerdem fangen die meisten Anwenderunternehmen gerade erst an, sich mit Themen wie SOA, Geschäftsprozessorientierung und Business Process Execution Language (BPEL) zu beschäftigen.

Beide Softwarehersteller werden Forrester zufolge ihren Kunden daher noch viel erklären müssen - vor allem wie der Weg in die neue Softwarewelt aussehen wird. Oracles pragmatischer Ansatz, mit den kommenden Releases sukzessive Fusion-Elemente mit auszuliefern, bietet nach Einschätzung der Analysten weniger Hürden als SAPs Weg. Der Kauf einer neuen Mysap-Lizenz beim Wechsel von R/3 bilde nach wie vor die größte Barriere beim Einstieg in die ESA-Welt.