"SAP überhört Marktsignale"

10.12.1999

Das Jahr 1999 geht zu Ende - und wenn die SAP AG, Walldorf, ein Fußballklub wäre, würde Trainer Hasso Plattner in seiner Bilanz wohl Allgemeinplätze wie "ganz schnell abhaken" oder "Wir müssen jetzt nach vorne schauen" bemühen. Es ist jedoch keineswegs sicher, daß die SAP ihre Probleme im nächsten Jahr in den Griff bekommen wird.

Da ist zunächst die wachsende Unruhe unter den Kunden: Zum einen hat die Komplexität der Software - der Trainer mag es nicht mehr hören - manchen Anwender viel Geld und noch mehr Nerven gekostet. Softwareprojekte, die das Geschäft blockieren oder bis zu zwei Jahren dauern, wirken sich im schnellebigen Internet-Zeitalter katastrophal aus. Außerdem rächt sich jetzt die langjährige Ausrichtung der Walldorfer auf nur ein Produkt: Gegen den Wunsch vieler Anwender, die Kontinuität wollen, muß R/3 im Affentempo an das Internet angepaßt werden. Zugesagte Funktionserweiterungen fallen dabei zum Teil unter den Tisch (siehe Seite 15).

Sorgen bereitet den Walldorfern auch der Mitarbeiterschwund. Vor allem in den USA wanderten viele Spitzenkräfte zu Wettbewerbern wie Oracle, Siebel, i2 Technologies oder zu Startup-Companies ab, die mit Aktienoptionen lockten.

Und schließlich haben die Walldorfer ein drittes Problem: Oracle. Die Datenbanksoftware des ERP-Konkurrenten ist Grundlage der meisten R/3-Implementierungen. Seit vielen Jahren ist SAP abhängig von diesem Wettbewerber, der alle Marketing-Register zieht, um den deutschen Branchenführer schlecht aussehen zu lassen.

Sämtliche Konfliktherde ist SAP zu zögerlich angegangen. Oracle mußte die Walldorfer erst in Werbekampagnen öffentlich bloßstellen, bevor die Deutschen ihre Datenbankstrategie zugunsten von IBM und Microsoft änderten. R/3-Projekte bei ihren Großkunden überwachen die Softwerker erst, seitdem Hershey''s und Whirlpool Land unter meldeten. Leistungsträger liefen davon, ehe die Walldorfer neue Möglichkeiten der Vergütung überlegten.

Es mag sein, daß Deutschlands größte Softwareschmiede 1999 eine Reihe interessanter Produkte und Projekte auf die Schiene gesetzt hat. Ein Comeback als Börsendarling wird jedoch nur gelingen, wenn das Management sehr viel aufmerksamer auf Markt- und Kundensignale hört, als dies zuletzt der Fall war.