SAP-Tochter hat bei Oracle geräubert

04.07.2007
Walldorfer müssen Fehlverhalten von TomorrowNow einräumen.

SAP hat erstmals zu den Spionagevorwürfen Oracles Stellung bezogen. Der Konzern räumt ein, seine US-amerikanische Support-Tochter TomorrowNow habe "einige Fehlerbehebungen und Wartungsdokumente in unangemessener Weise heruntergeladen". Diese Materialien seien aber auf separaten Servern von TomorrowNow verblieben, SAP selbst habe keinen Zugriff auf geistiges Eigentum von Oracle gehabt. Die Geschäftsstrukturen von SAP und TomorrowNow seien "bewusst durch eine Firewall getrennt". Weder SAP America noch die deutsche Zentrale hätten Zugriff auf die Systeme.

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"Firmendiebstahl im großen Stil

Oracle hatte SAP Ende März dieses Jahres wegen Industriespionage und unlauteren Wettbewerbs verklagt. Der US-Konzern wirft seinem deutschen Konkurrenten Diebstahl geistigen Eigentums in großem Stil vor. SAP habe Ende 2006 wiederholt mit Hilfe von Zugangsdaten abgeworbener Kunden unerlaubt auf eine Support-Website von Oracle zugegriffen und von dort Tausende von Softwareprodukten sowie jede Menge vertrauliches Material heruntergeladen. Anfang Juni legten die Oracle-Verantwortlichen nach und erweiterten ihre Klage um den Vorwurf der Urheberrechtsverletzung. "In diesem Fall geht es um Firmendiebstahl in großem Stil, begangen vom größten deutschen Softwareanbieter, einem Konglomerat bekannt als SAP", wetterte die Oracle-Führung.

Im Mittelpunkt der Ermittlungen steht in erster Linie die 100-prozentige SAP-Tochter TomorrowNow. SAP hatte den Dienstleister Anfang 2005 übernommen, kurz nachdem Oracle seinen 18 Monate dauernden Kampf um die Übernahme von Peoplesoft erfolgreich abgeschlossen hatte. TomorrowNow bietet Support-Dienste für Applikationen an, deren Hersteller im Laufe der Zeit von Oracle geschluckt worden waren: Dazu zählen beispielsweise Peoplesoft, J.D. Edwards und Siebel. Die Preise liegen deutlich unter dem Niveau, das Oracle für seine Softwarewartung verlangt. SAP hoffte, über den Support-Anbieter den Kontakt zu Oracle-Kunden herstellen und diese auf die eigene Seite ziehen zu können.

Doch um einen preiswerten, qualitativ ausreichenden Support bieten zu können, so Oracles Vorwurf, habe TomorrowNow illegale Methoden angewandt.

"Für mich ist selbst ein einziger unangemessener Download inakzeptabel, und wir bedauern diesen Vorfall sehr", gab sich SAP-Vorstandssprecher Henning Kagermann zerknirscht. Wenige Wochen zuvor hatte der SAP-Vorstand ganz anders geklungen. Es gebe keine Hinweise auf irgendein Fehlverhalten, behaupteten Kagermann und TomorrowNow-Chef Andrew Nelson. Es seien keine Rechte Oracles verletzt worden: "Wir werden unsere Rechte unnachgiebig verteidigen."

Jetzt muss der Softwareanbieter allerdings erst einmal dafür sorgen, dass sich derartige Vorfälle nicht wiederholen. SAP nehme jede Abweichung von seinen für alle Geschäfte definierten hohen Grundsätzen sehr ernst, egal wo sie stattfinde und wie begrenzt sie sei, verlautete von Seiten des Unternehmens. "Ich habe umgehend Maßnahmen eingeleitet, um die Kontrolle über den Geschäftsbetrieb von Tomorrow-Now zu verstärken und gleichzeitig sicherzustellen, dass TomorrowNow-Kunden auch in Zukunft einen ausgezeichneten Service erhalten", so Kagermann.

SAP bestellt Aufseher

SAP setzt den früheren Finanzchef und jetzigen Chief Operating Officer (COO) von SAP America, Mark White, als Executive Chairman von TomorrowNow ein. Er werde das Geschäft inklusive entsprechender Compliance-Programme leiten. Der Tomorrow-Now-CEO Nelson berichtet an den neuen "Aufseher". Ferner wür-den, so SAP, bestehende Verfahrensregeln und neue Richtlinien jetzt konsequent umgesetzt.

Wie das Verfahren weitergeht, ist noch offen. SAP versicherte, mit den US-amerikanischen Justizbehörden kooperieren zu wollen. Oracle pocht auf Schadensersatz, Unterlassung und die Herausgabe unberechtigt erlangter Gewinne. "Das Gericht wird von uns verlangen, alle Optionen in Betracht zu ziehen", sagte Kagermann und deutete damit auch die Möglichkeit eines Vergleichs an. In den vergangenen Monaten hatten beide Kontrahenten diese Option noch kategorisch ausgeschlossen. Ob dafür Rückstellungen im Ende Juni abgeschlossenen zweiten Geschäftsquartal verbucht würden, wollte der SAP-Chef nicht sagen. Derzeit arbeite der Konzern an der Bilanz. Über die Höhe der Strafe und die daraus resultierenden finanziellen Belastungen will Kagermann nicht spekulieren. Finanzexperten befürchten angesichts der in den USA üblichen hohen Klagesummen allerdings eine empfindliche Strafe für SAP. (ba/tc)