Sapphire 2010

SAP stellt sein Geschäft neu auf

18.05.2010
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

Die Produkte

Um zu wachsen, muss SAP das enge Terrain der Enterprise-Resource-Planning-Lösungen (ERP) verlassen und allgemein auf Business-Software setzen. Mit der Übernahme von Sybase geht die Ausweitung des Softwareportfolios einen Schritt weiter. Der US-Hersteller bringt verschiedene Produkte mit in die Ehe, darunter ein Datenbanksystem, eine Plattform für mobile Infrastrukturen, Werkzeuge für Real-time-Analysen sowie verschiedene Entwicklungs-Tools.

Obwohl Sybase im abgelaufenen Geschäftsjahr den Löwenanteil seines Umsatzes von rund 1,2 Milliarden Dollar im angestammten Datenbankgeschäft erwirtschaftet hat, dürfte diese Sparte nicht im Blickpunkt der Kaufüberlegungen seitens der SAP-Verantwortlichen gestanden haben. Dazu ist der Marktanteil von Sybase in diesem Geschäft zu klein. Gerade einmal 3,1 Prozent des weltweiten Datenbankmarktes konnte das Unternehmen Gartner zufolge im vergangenen Jahr auf sich vereinen. Damit rangiert Sybase abgeschlagen auf Platz vier. Den Markt teilen sich die anderen Branchengrößen: Oracle liegt mit 42,5 Prozent, gefolgt von IBM mit 23,6 Prozent und Microsoft mit 18,6 Prozent.

"Der Marktanteil von Sybase im weltweiten Datenbankgeschäft ist zu klein, um für SAP wirklich interessant zu sein", sagt Holger Kisker, Analyst von Forrester Research. Der überwiegende Anteil der weltweiten SAP-Installationen basiere auf Oracle-Datenbanken. SAP sei außerdem der größte Wiederverkäufer von Oracle-Datenbanken und mache in diesem Umfeld gute Geschäfte. Die SAP-Verantwortlichen würden sich selbst schaden, wenn sie diesen Markt aufs Spiel setzten, lautet Kiskers Urteil.

Darüber hinaus muss SAP noch einige Hausaufgaben erledigen, um die Sybase-Datenbankprodukte ins eigene Portfolio zu integrieren. Aktuell unterstützen SAPs Business-Applikationen die zugekaufte Datenbank nicht. Experten gehen aber davon aus, dass sich das innerhalb der kommenden Monate ändern wird. SAP verringert also mit dieser Übernahme auf Dauer die Abhängigkeit von Oracle und ist künftig in der Lage, seinen Kunden eine Alternative anbieten zu können.

Innerhalb der SAP-Klientel dürfte sich jedoch der Wunsch in Grenzen halten, bereits implementierte, laufende und bewährte Datenbanken zugunsten des Sybase-Produkts abzulösen. Dagegen dürfte SAP die In-Memory-Technik der Adaptive Server Enterprise Platform (ASE) von Sybase gut ins Konzept passen. Der SAP-Gründer und Aufsichtsratsvorsitzende Hasso Plattner wird nicht müde, In-Memory-Techniken als Paradigmenwechsel für die kommende Generation von Business-Applikationen anzupreisen. Damit könnten Informationen bis zu 10.000 Mal schneller verarbeitet werden, als in bekannten Festplatten-basierten Datenbanksystemen, stellte auch Co-CEO Hageman Snabe in Aussicht. Die SAP-Führung kündigte an, mit Hardware-Partnern wie IBM und HP spezielle In-Memory-Datenbank-Appliances zu arbeiten. Diese seien leistungsfähiger und günstiger als die Highend-Datenbank-Appliances der Konkurrenz, die auf herkömmlichen Techniken basierten.

Sapphire-News

Business ByDesign vor dem großen Auftritt

Der Roll-out der On-demand-Lösung steht auf der Sapphire im Schatten der Sybase-Übernahme.

Eigentlich erwarteten die Besucher der Sapphire, dass der kurz bevorstehende Marktauftritt von SAPs ERP-on-Demand-Lösung "Business ByDesign" das Highlight der Veranstaltung sein würde. Die SAP-Führung kündigte an, das im Software-as-a-Service-Modus (SaaS) angebotene ERP-Paket werde ab Ende Juli 2010 auf den Märkten China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Indien und USA zu haben sein. Damit geht die On-Demand-Software mit deutlicher Verspätung an den Start. Den ursprünglichen Plänen zufolge sollte die Software im laufenden Jahr bereits bei 10.000 Kunden im Einsatz sein und rund eine Milliarde Euro zum SAP-Umsatz beitragen. Technische Schwierigkeiten beispielsweise hinsichtlich der Performance sowie Fragezeichen hinter dem Geschäftsmodell hatten die Markteinführung seit nunmehr rund zwei Jahren immer wieder verzögert.

Das Produkt sei jetzt aber marktreif, versicherte die SAP-Führung auf der Sapphire. Die Infrastruktur für eine On-Demand-Software müsse passen, sagte Co-CEO Jim Hagemann Snabe. Als Anbieter bekomme man nur eine Chance, die Plattform richtig im Markt zu platzieren. Business ByDesign basiert wie die anderen aktuellen Business-Applikationen von SAP auf der Netweaver-Plattform, die darüber hinaus neue Techniken wie In-Memory-Datenbankfunktionen sowie Funktionen für die Anbindung mobiler Endgeräte beinhaltet.

Was weitere Details zur Markteinführung und die selbst gesteckten Ziele betrifft, hält sich SAP noch bedeckt. Bis dato sind beispielsweise keine Einzelheiten zum Preismodell bekannt. SAP zufolge arbeiten derzeit bereits rund 100 Kunden mit Business byDesign. Der Erfolg der On-Demand-Lösung werde sich nach der Zahl der Kunden bemessen und nicht am Umsatz, gab Hageman Snabe als Maßgabe vor. Wie viele Kunden die Walldorfer in den nächsten Jahren damit gewinnen wollen, verriet der SAP-Manager jedoch nicht. Es sei noch zu früh, um über konkrete Ziele zu sprechen.

Auch die Business-Intelligence-Werkzeuge von Sybase dürften bei den Überlegungen in SAPs Vorstandetage eine wichtige Rolle gespielt haben. Der US-Konzern hatte sich mit der Übernahme von Aleri im Februar dieses Jahres Lösungen für Complex Event Processing (CEP) eingekauft und damit seine Position als Anbieter von Real-time-Analysen gestärkt. Damit adressiert Sybase vor allem Unternehmen aus dem Finanzsektor - ein Industriebereich, in dem SAP bislang kaum Fuß fassen konnte, der für die Walldorfer eigenen Angaben zufolge aber immer interessanter wird wie beispielsweise auch der vor kurzem angekündigte Deal mit der Deutschen Bank belegt.

Neben der In-Memory-Technik und den BI-Tools dürfte auch die mobile Infrastrukturplattform von Sybase das Interesse der Walldorfer geweckt haben. Mit der eigenen "Netweaver Mobile Infrastructure" konnte SAP in der Vergangenheit kaum punkten, berichtet Forrester-Analyst Kisker. Aus diesem Grund hätten die Walldorfer schon frühzeitig Kooperationen mit Spezialisten gesucht, darunter auch Sybase. Seit über einem Jahr arbeiten beide Unternehmen eng zusammen, um SAPs Business-Applikationen zu mobilisieren. Heraus kamen dabei Produkte wie "Sybase Mobile Sales for SAP CRM" und "Sybase Mobile Workflow for SAP Business Suite". Offenbar waren den SAP-Verantwortlichen diese Techniken zu wichtig, um sie der Konkurrenz zu überlassen, mutmaßt der Analyst. Es sei eben etwas anderes, die Technik im eigenen Haus zu haben, als ständig fürchten zu müssen, sie könne einem anderen, SAP nicht gewogenen Anbieter in die Hände.

Darüber hinaus bietet Sybase mit "Sybase Unwired" eine Plattform an, auf deren Basis sich mobile Applikationen entwickeln lassen, die auf verschiedenen mobilen Plattformen ablauffähig sind, beispielsweise dem iPhone, Windows Mobile, Android und Blackberry OS. SAP hat damit Analysten zufolge die Möglichkeit, eine neue Generation von Business Applikationen zu entwickeln, die von vornherein speziell für die Nutzung auf mobilen Endgeräten ausgelegt sind.