Walldorfer gründen deutsches Internet-Softwarehaus

SAP: Sinkende Umsätze erfordern neue Geschäftsmodelle

22.10.1999
MÜNCHEN (bs) - Der Verkauf von Software allein ist für die SAP AG anscheinend nicht mehr lukrativ genug. Mit Hilfe von Partnern soll nun das Application-Service-Provider-(ASP-)Geschäft angegangen werden. Um die eigene Web-Strategie in klingende Münze umzusetzen, wurde das Internet-Softwarehaus E-SAP.de gegründet.

Wie man Erwartungen, die an das Internet geknüpft werden, erfüllen kann, versuchte SAP auf der Systems-99-Pressekonferenz zu vermitteln. Ob damit allerdings mehr Umsatz für das eigene Unternehmen oder für die Anwender der Walldorfer Systeme gemeint ist, blieb offen. Deutlich wurde aber, daß SAP künftig mehr durch Service und Beratung einnehmen möchte. Angesichts sinkender Umsätze beim Verkauf der ERP-Software R/3 erscheint das logisch. Nach dem schlechten Abschneiden im dritten Quartal des laufenden Geschäftsjahres - die Einnahmen konnten nur um sieben Prozent gesteigert werden - haben die Walldorfer in der letzten Woche die Erwartungen für das gesamte Geschäftsjahr 1999 von bisher 20 bis 25 Prozent Umsatzplus auf 15 bis 20 Prozent nach unten korrigiert.

In Deutschland soll nun die frisch gegründete E-SAP.de GmbH, ein hundertprozentiges Tochterunternehmen, SAPs Internet-Geschäft Beine machen. Die Company mit Sitz in Walldorf versteht sich dabei als "Implementierer" der E-Commerce-Strategie "Mysap. com" mit dem Zuständigkeitsbereich Deutschland, wie Herbert Schuster, Geschäftsführer des Unternehmens, erklärte: "SAP liefert die Standards, und wir bauen daraus konkrete Lösungen." Im Rahmen kundenspezifischer Projekte sollen Business-to-Business-, Business-to-Consumer- und Intranet-Anwendungen sowie virtuelle Marktplätze realisiert werden.

Einen neuen Weg schlagen die Walldorfer bei der Vermarktung der Mysap.com-Produkte sowie der Mittelstandspakete "Ready-to-work" ein: "Alle Systeme sind im Internet frei verfügbar, so daß Interessenten sie dort für zwei bis drei Monate testen können", sagte SAP-Vorstand Gerhard Oswald. Danach muß sich der Kunde entscheiden, ob er die Lösung im eigenen Haus installieren oder auf den Hosting-Service eines SAP-Partners zurückgreifen möchte.

Des weiteren stellte Oswald die Hauptbestandteile von SAPs E-Commerce-Strategie "Mysap. com" vor, die bereits auf den Sapphire-Hausmessen in Nizza (Mai) und Philadelphia (September) präsentiert worden waren. Im Rahmen dieser Initiative ist mit R/3 4.6 ein universeller Zugang - neudeutsch Portal - für SAP- und Nicht-SAP-Anwendungen verfügbar. Dieser kann an die jeweilige Rolle und Funktion des Benutzers angepaßt werden und erlaubt den Zugriff auf Applikationen aus einem Browser heraus. Als weiterer Eckpfeiler von Mysap.com (www.mysap.com) entstehen laut Oswald derzeit erste virtuelle Marktplätze im Internet, auf denen Firmen ihre Produkte, Kataloge und Dienstleistungen präsentieren sowie kaufen und verkaufen können.

Das dritte Standbein von Mysap.com wird im wesentlichen von Partnern geliefert. Sie stellen Unternehmen vorkonfigurierte branchenspezifische R/3-Software auf Basis einer monatlichen Gebühr zwischen 500 bis 800 Mark pro Benutzer via Internet zur Verfügung. Die Ready-to-work-Pakete decken die Anforderungen der Kunden zu nahezu 100 Prozent ab, so daß die Einführung der Systeme in wenigen Monaten machbar sei. Die Beratung gleicht einer Anwenderschulung, die in 30 bis 50 Manntagen erledigt sei, erklärte Hans-Jürgen Uhink, zuständig für das Mittelstandsgeschäft bei SAP. Insbesondere Betriebe mit einem Jahresumsatz zwischen fünf und 25 Millionen Mark sowie fünf bis 15 DV-Anwendern sollen mit diesem Service angegangen werden. Bis dato sind zehn Branchenlösungen etwa für den Mineralöl- und Möbelhandel sowie die Lebensmittelindustrie mit dem Etikett Ready-to-work fertig. Elf Unternehmen, unter anderem EDS, TDS und SBS, wurden von SAP zum Outsourcing-Partner qualifiziert. Sie sollen den Betrieb von Rechenzentren gewährleisten. Oswald machte deutlich, daß das ASP-Angebot eine Teamarbeit mehrerer Beteiligter ist: So fungiere SAP als Lieferant der Standardsoftware, der Lösungspartner übernimmt die Voreinstellungen der Software und Schulung, ein weiterer Player betreibt das Rechenzentrum und ein letzter stellt die Infrastruktur, (Netze etc.) zur Verfügung. Der Kunde soll aber in jedem Fall nur mit einem der Beteiligten verhandeln müssen, der dann die restlichen Partner koordiniert - "One-Step-Business" nennen das die Walldorfer.

Doch scheint sich SAP noch nicht sicher, ob diese Art von Outsourcing vom Mittelstand überhaupt angenommen wird. SAP-Manager Uhink hat kurioserweise zwei einander widersprechende Trends ausgemacht: Zum einen hätten kleinere Unternehmen gerne weiterhin die Daten und damit auch die Applikationen bei sich im Haus, also kein Interesse an ASPs. Auf der anderen Seite gebe es eine große Nachfrage, die Last der Systempflege, -wartung und -weiterentwicklung außer Haus zu geben.