Teched 2000: Was steckt hinter Mysap.com?

SAP setzt auf XML für übergreifende Integration

05.05.2000
HAMBURG (bs) - Die SAP Teched 2000 stand ganz im Zeichen der Extensible Markup Language (XML). Über 2000 Besucher informierten sich über die Konzepte und Lösungen rund um die Internet-Strategie "Mysap.com" der Walldorfer, die nach wie vor erklärungsbedürftig ist.

"Wir möchten wissen, was hinter Mysap.com steckt", war der meistgenannte Grund der Teilnehmer, den Technologiekongress in Hamburg zu besuchen. Vielen ist noch unklar, was sich konkret unter dem Markennamen (Brand) verbirgt, der auf der SAP-Hausmesse Sapphire Anfang 1999 in Nizza aus der Taufe gehoben wurde: "Wir müssen noch sehr viel mit unseren Kunden über Mysap.com reden", stimmt Peter Barth, zuständig für das Marketing von Mysap.com, gegenüber der CW dem Wunsch der Anwender zu. Es habe schließlich auch SAP-intern lange gedauert, die neue Strategie zu vermitteln.

Zunächst folgen die Walldorfer mit Mysap.com einem allgemeinen Trend, sich einen moderneren Anstrich zu verpassen - Dotcom-Companys sind in und werden von Finanzanalysten hofiert. Und das sorgt bisher für steigende Aktienkurse. Doch darüber hinaus stehen hinter Mysap.com auch reale Softwareprodukte, die Barth die vier Säulen nennt: Der "Mysap.com Workplace", ein indviduell nach Aufgaben und Tätigkeiten von Mitarbeitern (Rollen) konfigurierbarer Arbeitsplatz (Portal). In der aktuellen Version 2.1 sind 300 Rollen definiert. Der Workplace ist aus einem Browser heraus zu bedienen und bietet neben dem Zugriff auf SAP-eigene Produkte wie R/3 und das Business Information Warehouse (BIW) die Möglichkeit, externe Daten und Informationsquellen zu integrieren. Säule zwei von Mysap.com ist der "Marketplace". Damit können Unternehmen Marktplätze für die Beschaffung oder den Verkauf von Waren im Internet aufbauen oder sich in bestehende einklinken.

Weniger ein Produkt als ein Konzept ist Pfeiler Nummer drei: Dabei sollen Mysap.com-Anwendungen von Dienstleistern - neudeutsch auch Application-Service-Providern (ASP) - etwa auf Mietbasis via Internet zur Verfügung gestellt werden. Die Serviceanbieter betreiben dabei die Rechner, spielen Updates ein und übernehmen Wartung und Hotline. Nicht zu vergessen ist allerdings Säule Nummer vier, die nach wie vor SAPs Hauptgeschäft ausmacht: Die Mysap.com-Komponenten. Darunter verstehen die Walldorfer unter anderem ihr Kernprodukt R/3, Lösungen für das Supply-Chain-Management wie den Advanced Planner and Optimizer (APO) oder Customer-Relationship-Management-(CRM-) Pakete. Demzufolge spricht man SAP-intern nur noch ungern von SAP R/3. Das ERP-Paket wird nunmehr als "Mysap.com-Komponente R/3" bezeichnet - für Anwender eher vewirrend als nützlich.

Für die Kommunikation zwischen dem Mysap.com Workplace und den Mysap.com-Komponenten kommen die SAP-eigenen Schnittstellen Business Application Programming Interfaces (BAPIs) zum Einsatz. Da BAPIs ab R/3 3.1 H zur Verfügung stehen, können Benutzer ab dieser Version die Mysap.com-Oberfläche integrieren.

Eine dreistufige Architektur, bestehend aus einem Mysap.com-Server, einer Middleware sowie dem Frontend, bereitet die Darstellung etwa von Daten aus einem R/3-System in einem Browser auf. Im Angebot sind hier Benutzer-Schnittstellen (GUIs) in Java, HTML und für Microsoft. Das Herzstück der Middleware ist SAPs "Internet Transaction Server" (ITS), der auf dem "Microsoft Transaction Server" (MTS) fußt. Die enge Bindung an Microsoft-Middleware-Technik ist für viele Anwender ein Wermutstropfen: Der Mysap.com-Server laufe nämlich nur unter Windows NT, doch gerade im Web-Umfeld setzen viele Betriebe verstärkt Linux-basierte Server. Laut SAP-Angaben können von dem NT-Server etwa 2000 gleichzeitige Mysap.com-User verwaltet werden.

Für den Austausch von Geschäftsinformationen mit fremden Systemen setzen die Walldorfer zunehmend auf XML. Dazu hat das Softwarehaus die Architektur "Internet Business Framework" geschaffen, die die Format- und Datenbeschreibungssprache verwendet. Zentrale Schaltstelle innerhalb des Frameworks ist der "SAP Business Connector", der dann die Nachrichtentransfers mittels XML gewährleistet. In puncto XML-Schnittstellen heißt es bei SAP nicht kleckern, sondern klotzen. Bereits im Mai sollen über 2000 entsprechende Interfaces zur Verfügung stehen - dabei handelt es sich im Wesentlichen um eine Erweiterung der bestehenden BAPIs, die dann auch über XML ansprechbar sind. Mit einem "XML Interface-Repository" sollen die Anwender bei der großen Zahl der Schnittstellen nicht die Übersicht verlieren, verspricht SAP. Um zu zeigen, wie ernst es den Walldorfern mit XML ist, stellen sie den Business Connector kostenlos zum Download auf der Homepage bereit.

Als weitere Highlights der Teched wurden ein Trust-Center für Mysap.com, ein Forum für die Erstellung von "Mini-Apps" sowie der Einsatz von SAP-Lösungen auf mobilen Internet-Geräten gezeigt. Das Trust-Center soll Geschäfte über das Internet vertrauenswürdig machen. Konkret können digitale Zertifikate verwendet werden, die Nutzern einen sicheren Zugriff auf Anwendungen aus dem Internet gewähren. Die Identität und Berechtigung der jeweiligen Geschäftspartner wird dabei überprüft.

Bei Mini-Apps handelt es sich um kleine Programme, die Anwender mit rollenspezifischen Applikationen, Informationen und Services versorgen. Nachrichten aus dem Unternehmen, aktuelle Absatzzahlen, Reisekostenabrechnungen und Meldungen über Mitbewerber sind nur einige der zahlrei-chen Gebiete, in den Mini-Apps eingesetzt werden. Der Zugriff auf diese Kleinstprogramme erfolgt über den Mysap.com Workplace. Ein Internet-Forum soll die Entwicklung und Verbreitung der Mini-Apps vorantreiben. Informationen dazu können Kunden, Partner und Interessierte unter www.sap.com/miniapps abrufen.

Abb: Die dreistufige Architektur des Workplace erlaubt es, via Web-Browser auf klassische SAP-Komponenten wie R/3 und BW sowie Podukte von Drittanbietern zuzugreifen. Quelle: SAP