SAP-Personalie: Agassis Aufgaben werden aufgeteilt

29.03.2007
SAP hat angekündigt, dass Vorstandsmitglied Shai Agassi das Unternehmen aufgrund seiner Karriereplanung verlässt. Allerdings war der für die Produktentwicklung Verantwortliche innerhalb des Konzerns nicht unumstritten. Auch manche Kunden hatten Probleme, die Visionen des Softwareexperten zu verdauen.

Im beiderseitigen Einvernehmen habe man sich getrennt, heißt es in einer Mitteilung der SAP. Zum 1. April wird der Top-Manager seinen Posten verlassen. "Nun freue ich mich auf neue Herausforderungen und darauf, in Bereichen zu arbeiten, die mir persönlich wichtig sind - unter anderem alternative Energiegewinnung, Umweltpolitik und die Zukunft des Staates Israel", lässt sich die scheidende Führungskraft zitieren. Zudem soll er dem Aufsichtsratsvorsitzenden Hasso Plattner weiterhin als Berater zur Seite stehen. Der SAP-Mitgründer hatte Agassi in die Führungsriege des Softwarekonzerns gebracht.

Die unlängst beschlossene Vertragsverlängerung von Firmenchef Henning Kagermann bis 2009 machte dem 38-jährigen Agassi offenbar einen Strich durch die Rechnung. "Nach Verlängerung des Vertrags von Henning Kagermann bis 2009 wurde deutlich, dass sich Shai Agassi mit einer zehn- bis 15-jährigen Bindung an die SAP schwer getan hätte, da dies zeitlich nicht seiner persönlichen Karriereplanung entsprochen hätte", umschreibt der Konzern den Entscheidungsgrund. Agassi sollte neben Leo Apothéker Co-CEO werden. Letzterer ist nun zu Kagermanns Stellvertreter ernannt worden.

Beobachtern zufolge dürften aber auch unterschiedliche Auffassungen über die Bedeutung von Softwarelösungen ausschlaggebend gewesen sein, dass der als Kronprinz gehandelte Softwareexperte nach sechs Jahren den SAP-Vorstand verlässt. Zudem stand der die SAP-Produktentwicklung verantwortliche Agassi, der von Palo Alto aus agierte, mancherorts intern in der Kritik. "Agassi war für alle Produkte verantwortlich, also auch für Mysap, sein mentaler Schwerpunkt war aber meist nur Netweaver ", kommentiert ERP-Experte Helmuth Gümbel, Analyst bei Stragegy Partners, die jüngste Personalie. Agassi präsentierte vor allem moderne Softwarearchitekturen rund um "Enterprise SOA", die bei den allermeisten Kunden der SAP noch nicht Realität sind. "Die SAP lebt von Produkten, die mit den Visionen von Agassi wenig zu tun haben", meint Gümbel.

Dennoch dürfte sich auch nach Agassis Fortgang an der Ausrichtung von Netweaver und Enterprise SOA nichts Grundsätzliches ändern. Die Aufgaben von Agassi werden aufgeteilt; Führungskräfte rücken nach. Für die Business-Applikationen beispielsweise zeichnet als "Corporate Officer" Doug Merrit verantwortlich, der direkt an SAP-Vorstandschef Henning Kagermann berichtet. Den Bereich Netweaver-Technologie leitet weiterhin Klaus Kreplin, der nun ebenfalls direkt Kagermann untersteht. Corporate Officers sind neu geschaffene Positionen bei SAP, die übersetzt einer erweiterten Geschäftsführung entsprechen und für Markt- sowie Produktstrategie verantwortlich sind. Beide hatten zuvor Agassi als direkten Vorgesetzten.

Einem SAP-Sprecher zufolge war ein Teil der organisatorischen Veränderungen ohnehin für dieses Jahr geplant, sie wurden nun durch die jüngsten Entwicklungen vorgezogen. Für viele Mitarbeiter der SAP kam die Nachricht von Agassis Rückzug überraschend, vor allem für die Angestellten in Palo Alto. Der scheidende Manager hatte eine Reihe von Softwareexperten eingestellt.

Dass Agassi nun möglicherweise sogar zu einem SAP-Konkurrenten geht, ist zwar grundsätzlich nicht auszuschließen. Nach den Worten von David Bradshaw, Principal Analyst beim Marktforschungsunternehmen Ovum, gibt es offenbar keine Ausschlussklausel dafür in seinem Vertrag, doch habe der scheidende Manager dies kategorisch ausgeschlossen.

Bradshaw vermutet, dass sich die Folgen von Agassis Fortgang in Grenzen halten. Weder die Produktstrategie noch die Konkurrenzsituation ändere sich. "Natürlich werden Wettbewerber versuchen, die Personalie zum eigenen Vorteil zu nutzen." (fn)