Wie lange können Kostensenkungen schrumpfende Lizenzeinnahmen auffangen?

SAP muss kleinere Brötchen backen

25.07.2003
MÜNCHEN (CW) - Licht und Schatten charakterisieren die jüngsten SAP-Zahlen. Während die Lizenzeinnahmen weiter zurückgingen, gelang es den Walldorfern, mit Kostensenkungen und wachsenden Wartungseinnahmen die Marge zu steigern.

"Die Zeit der großen Deals ist vorbei", bekannte SAP-Vorstandssprecher Henning Kagermann anlässlich der Präsentation der Zahlen für das zweite Quartal des Geschäftsjahres 2003. Projekte mit einer mehrjährigen Laufzeit seien heute die Ausnahme. Kunden favorisierten kleine IT-Vorhaben mit schnellen Ergebnissen und einem geringen Risiko.

Dieser Trend schlug sich in den jüngsten Quartalszahlen nieder. So sank der Umsatz des deutschen Softwarekonzerns im Vergleich zum Vorjahresquartal um acht Prozent von 1,8 auf 1,6 Milliarden Euro. Vor allem die Einnahmen aus dem Lizenzgeschäft seien enttäuschend gewesen, kritisierten Analysten. Sie gingen im Quartalsvergleich um 13 Prozent auf 431 Millionen Euro zurück. Der SAP-Vorstand führt den Einbruch auf den im Vergleich zum Dollar starken Euro zurück. Ohne Währungseffekte wäre der Lizenzumsatz lediglich um fünf Prozent gesunken, erläutert Finanzchef Werner Brandt.

Wartung rettet das Geschäft

Auch für die Rückgänge im US-Geschäft machen die Softwerker aus dem Badischen in erster Linie Währungseinflüsse verantwortlich. So verdiente der Konzern in Nord-, Mittel- und Südamerika mit 506 Millionen Dollar rund 15 Prozent weniger als noch vor einem Jahr. Hätten sich die Wechselkurse nicht verändert, wären die Umsätze in dieser Region um sechs Prozent gewachsen.

Trotz der Dollarschwäche lässt sich allerdings nicht wegdiskutieren, dass SAP in fast allen Bereichen Umsatzrückgänge zu verzeichnen hat. In Europa setzte der Softwarehersteller mit 942 Millionen Euro zirka zwei Prozent weniger um als noch im Vorjahresquartal, in Asien waren es mit 190 Millionen Euro etwa neun Prozent weniger. Auch die verschiedenen Geschäftsbereiche mussten Federn lassen. So schrumpften die Beratungserlöse um zwölf Prozent auf 479 Millionen Euro. Die Serviceeinnahmen lagen mit 554 Millionen Euro um immerhin 16 Prozent unter dem Niveau des gleichen Vorjahreszeitraums. Die Schulungsumsätze brachen sogar um 35 Prozent auf 75 Millionen Euro ein. Den einzigen Lichtblick im abgelaufenen Quartal brachten die Wartungserlöse, die mit 633 Millionen Euro um etwa sechs Prozent höher lagen als im zweiten Quartal 2002.

Trotz der rückläufigen Umsatzentwicklung fuhren die SAP-Verantwortlichen ein Konzernergebnis von 219 Millionen Euro ein. Das um Sondereffekte bereinigte operative Ergebnis steigerte der Konzern um 20 Prozent auf 388 Millionen Euro. Das bedeutet eine Marge von 24 Prozent, sechs Prozent mehr als vor einem Jahr.

Zurückzuführen ist das unterm Strich gute Resultat in erster Linie auf Kostensenkungsmaßnahmen. So gab SAP im abgelaufenen Quartal mit knapp 1,3 Milliarden Euro rund elf Prozent weniger aus als im vergleichbaren Zeitraum 2002. Die Servicekosten drosselten die Walldorfer um 14 Prozent auf 411 Millionen Euro, für Vertrieb und Marketing brachten sie 358 Millionen Euro auf (minus 18 Prozent). Lediglich der Bereich Forschung und Entwicklung war von den Sparmaßnahmen nicht betroffen. Hier stiegen die Investitionen um vier Prozent auf 241 Millionen Euro.

Mit dem Hinweis auf die wachsenden Margen versuchte der SAP-Vorstand, die angesichts der schrumpfenden Lizenzeinnahmen beunruhigten Finanzanalysten zu besänftigen. Finanzchef Brandt geht davon aus, bereits im laufenden Jahr eine Marge von 25 Prozent zu erreichen. Langfristig träumt der SAP-Vorstand sogar von 27 bis 28 Prozent. Mit einem solchen Umsatz-Gewinn-Verhältnis glänzte SAP zuletzt in den 90er Jahren.

Sparen reicht nicht

Dieses Ziel sei jedoch nicht allein mit Effizienzsteigerungen und Kostenreduktion zu erreichen, räumte Kagermann ein. Um eine Marge jenseits der 25-Prozent-Grenze zu erreichen, müsse der Umsatz wieder wachsen. Wie SAP das erreichen will, bleibt vorerst unklar. Dass die seit längerem forcierte Mittelstandsinitiative mit den Produkten "Business One" und "All-in-One" das erhoffte Ergebnis bringen kann, bezweifeln viele Analysten. SAP habe in diesem Bereich längst nicht die Marktmacht wie im Großkundensektor, meint Nils Niehörster, Geschäftsführer des Marktforschungsunternehmens Raad Consult. Außerdem vereinten kleine und mittlere Unternehmen nur zirka 30 Prozent des gesamtdeutschen IT-Budgets auf sich, so dass sich Umsatz nur über massenhafte Aufträge generieren ließe. Auf dieser Grundlage erscheine das Ziel von SAP, 20 Prozent seines Umsatzes im Mittelstand zu erwirtschaften, eher illusorisch.

70 Prozent der in Deutschland zur Verfügung stehenden IT-Gelder sind laut Niehörster bei Großunternehmen zu holen. Diese Firmen hätten bereits zu über 90 Prozent SAP-Anwendungen im Einsatz. Erweiterungen seien zumeist nur punktuell in einzelnen Bereichen wie Customer-Relationship-Management (CRM) oder Supply-Chain-Management (SCM) zu erwarten. Unternehmensweite Projekte werde es aber auf absehbare Zeit auch hier nicht geben.

SAP dürfte in den kommenden Jahren trotzdem versuchen, verstärkt bei seinen Bestandskunden zum Zug zu kommen. Schon auf der letzten Kundenveranstaltung Sapphire, die im Juni in Orlando, Florida, stattfand, versuchte Kagermann, die Kunden auf Modernisierungskurs zu bringen. Er warnte die Anwender vor womöglich nicht interoperablen Insellösungen und schwor sie auf die SAP-eigene Integrationsplattform Netweaver ein, über die sich SAP-Lösungen und Produkte anderer Hersteller zusammenfügen lassen sollen. Am besten und günstigsten sei es natürlich, alles aus einer Hand zu beziehen, sagte Kagermann - ein Postulat, mit dem Oracle-Chef Lawrence Ellison bereits seit längerem auf Kundenfang geht. (ba)

Abb: Entwicklung des Lizenzumsatzes von SAP

Starke Schwankungen im Geschäft mit Software erlebte die SAP in den vergangenen Quartalen. Das letzte halbe Jahr verlief enttäuschend. Quelle: CW