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SAP: Marketing-Umbau soll Mysap.com pushen

07.08.2000
Service-Tocher SAP-SI geht im September an den Neuen Markt

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Bei der deutschen Vorzeige-Softwareschmiede SAP AG, Walldorf, stehen wichtige Änderungen an. Das Marketing wird auf Internet-Kurs gebracht; der Servicebereich wird ausgegründet und an die Börse gebracht.

Das weltweite Marketing des Softwarekonzerns verantwortet einem Bericht des "Wall Street Journal" zufolge ab sofort nur noch ein Mann, und zwar Martin Homlish. Der Manager war nach 15 Jahren beim Consumer-Electronics-Riesen Sony erst im vergangenen Januar zu SAP gestoßen, wo er bisher für das US-Marketing zuständig war. Er berichtet direkt an Vorstand und Firmengründer Hasso Plattner. Der bisherige Marketing-Chef Günther Tolkmit wechselt zum Investment-Bereich SAP Ventures. Homlish soll eine globale Branding- und Werbestrategie entwickeln, die SAP in ein einheitliches Bild setzt. Bislang hatten sich unterschiedliche Teams um die einzelnen Produkte gekümmert. Das weltweite Marketing sitzt künftig in New York und nicht länger in Walldorf; dafür zieht die europäische Dependance von Berlin ins Hauptquartier um. John Hagerty, Analyst beim ERP-Spezialisten AMR Research, hält die Neuordnung für den richtigen Schritt zur richtigen Zeit: "Bisher hat SAP eine Reihe unzusammenhängender Themen präsentiert. Dieser Schritt sollte helfen, eine klare und einheitliche Message herüberzubringen."

Intern wurde die Neubesetzung bereits in der vergangenen Woche vor rund 5000 Mitarbeitern angekündigt. In einer rund eineinhalbstündigen Rede, die anschließend auch in elektronischer Form an alle 22 000 Angestellten weltweit ging, schwor Plattner seine Leute auf die vor 16 Monaten auf der Sapphire in Nizza eingeführte Internet-Strategie "Mysap.com" ein. SAP stehe vor "der Herausforderung, sich als eine führende E-Business-Company neu zu definieren" und müsse einen "laserscharfen Marketing-Fokus entwickeln". Offenbar liegt hier noch immer vieles im Argen, wenn Plattner schon intern solche Formulierungen benutzen muss - wenn die SAPler selbst noch nicht begriffen haben, was Mysap.com eigentlich ist, wie sollen es dann die Kunden verstehen?

Die Einführung von Mysap.com hat den Hersteller bislang ziemlich mitgenommen. Statt der aus der Hochzeit der ERP (Enterprise Resource Planning) gewohnten Wachstumsraten von 50 Prozent stiegen die Einnahmen der SAP in den zurückliegenden zwei Quartalen nur noch um rund zehn Prozent, gleichzeitig nagen die hohen Marketing-Kosten und Rabatte, mit denen man Kunden zum Umstieg auf die Internet-Produkte bewegen möchte, am Gewinn. Erst mit der zuletzt veröffentlichten Quartalsbilanz ließ sich ein erster Aufschwung erahnen; der Anteil der Mysap.com-Erlöse am Lizenzgeschäft lag laut Hersteller bei 47 Prozent.

Im vergangenen Mai hatte SAP bereits seine mehrheitlich in Walldorf angesiedelte Entwicklungsorganisation neu aufgestellt und in drei Bereiche gegliedert. Der erste kümmert sich um neue Produkte und Features, der zweite soll Funktionen in den bereits vorhandenen Anwendungen verfeinern, und die dritte Gruppe schließlich optimiert die Installationsprozesse. Für den heutigen Montag hat Konzernsprecher Herbert Heitmann in diesem Bereich weitere Veränderungen angekündigt.

SAP-SI geht im September an die Börse

Außerdem macht SAP offenbar Ernst mit dem ursprünglich bereits für Mai dieses Jahres avisierten Börsengang ihrer Service-Tochter SAP Systems Integration (SAP-SI) AG. Mitte Juli hatten die Walldorfer die damals noch als GmbH firmierende SAP-SI mit der SAP Solutions GmbH und der SRS AG zusammengelegt. Hauptsitz der Company ist Dresden. Mit rund 150 Millionen Euro Jahresumsatz ist SAP-SI der zehntgrößte Systemintegrator Deutschlands.

Das Unternehmen soll am 13. September an den Neuen Markt der Frankfurter Wertpapierbörse gebracht werden. Konsortialführer sind Commerzbank und Hypovereinsbank. Damit einher gehen wird einem Bericht der "Financial Times" zufolge eine Ausweitung des Portfolios auf Produkte von Drittanbietern. "Statt und ausschließlich auf SAP-Produkte zu konzentrieren, wollen wir unser Know-how nutzen und unseren Kunden eine komplettere Produktpalette anbieten", zitiert das Blatt einen Unternehmenssprecher.

Der Großteil der beim Börsengang emittierten Aktien stammt aus einer Kapitalerhöhung. Die gegenwärtigen Eigentümer SAP, Software AG sowie Siemens wollen nur einen geringen Teil ihrer Anteile platzieren. Auch nach dem Going Public bleiben rund 60 Prozent von SAP-SI im Besitz der Walldorfer Konzernmutter. Die Einnahmen aus dem Börsengang will man vor allem für die internationale Expansion in Europa und den USA verwenden.

Analysten beurteilen die geplante Ausgründung positiv. Mit der Kompetenzerweiterung sei SAP-SI nicht länger nur ein reiner Distributionskanal und könne künftig wertvolles Feedback von Seiten der Kunden liefern. Ferner sei es für die Konzernmutter nach der Ausgründung leichter, den wirklichen Wert ihrer Service-Tochter zu messen. Last, but not least ermögliche der Börsengang endlich auch ein Optionsprogramm für die Mitarbeiter, das bislang durch die komplexen Eigentumsverhältnisse erschwert wurde.