SAP macht Ernst im Mittelstand

20.03.2007
Schon seit fünf Jahren baut der Softwarekonzern angeblich an seiner neuen Mittelstandslösung. Nun bläst das Management zum Sturm auf die bislang SAP-resistenten Kleinbetriebe.

Unter der Regie der bei- den SAP-Vorstände Peter Zencke und Gerhard Oswald arbeitet SAP bereits seit 2003 an einer komplett neuen Mittelstandslösung, ließ der versammelte Vorstand auf der CeBIT durchblicken. Nachdem der Konzern Anfang des Jahres erste Andeutungen zum neuen Produkt gemacht hatte, war in den zurückliegenden Monaten wiederholt über die SAP-Pläne spekuliert worden. Nun haben die Verantwortlichen den Schleier etwas gelüftet.

SAP entdeckt einen völlig neuen Markt

SAP will mit seiner neuen Mittelstandslösung Kunden gewinnen, die den Lösungen aus Walldorf bislang skeptisch gegenüberstanden. Zu teuer, zu komplex und zu risikobehaftet, beschreibt SAPs Vorstandssprecher Henning Kagermann die Vorbehalte dieser Klientel. Knapp die Hälfte des von SAP auf ein Volumen von rund 30 Milliarden Dollar geschätzten Mittelstandsmarkts würde deshalb bislang verfehlt. Um der neuen Software, deren endgültiger Name noch nicht feststeht, den Weg in den Mittelstandsmarkt zu ebnen, will der Konzern in den kommenden Jahren zwischen 300 und 400 Millionen Euro investieren.

Hier lesen Sie ...

• wie Kunden SAPs neue Mittelstandslösung beziehen können;

• warum die Software leicht zu implementieren sein soll;

• welche Hürden der Hersteller vor dem Marktauftritt noch nehmen muss.

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Softwareauswahl via Internet

Die Lösung, an der SAP momentan unter den Codenamen "A1S" beziehungsweise "Consumption ready Suite" arbeitet, soll Mittelständlern eine komplette betriebswirtschaftliche Lösung bieten, berichtet Christoph Behrendt, Senior Vice President für den Bereich Midsize Enterprises. Grundsätzlich neu sei die Art und Weise, wie SAP die Lösung zum Kunden bringt. Anwender könnten sich via Internet im "Business Center", einer Art Auswahl-Portal, ein Grobkonzept für ihre betriebswirtschaftlichen Anforderungen erstellen lassen. Anhand eines Fragenkatalogs über die abzudeckenden Prozesse würden die benötigten Softwaremodule zusammengestellt. Diesen Lösungsvorschlag schicke der Anwender mit einem Klick an SAP und bekomme darauf innerhalb weniger Stunden seine individuell konfigurierte Testversion über das Web zugeschickt und können so "mit dem System eine Probefahrt machen." Die Anwender greifen dann über einen Browser auf das von SAP oder einem Partner betriebene Hosting-System zu.

Nach Einschätzung von SAPs Vorstandssprecher Henning Kagermann muss sich Business-Software immer an den Geschäftsprozessen orientieren. Die von der Industrie in den vergangenen Jahren propagierte Unterscheidung in ERP, CRM und andere Softwarebereiche sei im Grunde "Quatsch". Das System basiert SAP zufolge auf Web Services und der eigenen Netweaver-Plattform. Damit lasse sich die Lösung in andere Produkte, die die entsprechenden Standards unterstützen, integrieren. Drehscheibe dafür ist das Enterprise Service Repository (ESR) der SAP.

Bis SAP mit seinen gehosteten Softwareservices auf den Markt kommt, wird es jedoch noch dauern. Auf einen genauen Erscheinungstermin lassen sich die Verantwortlichen nicht festlegen. Offenbar wollen die badischen Softwerker keine Fehler machen. Marktauftritt und Geschäftsmodell müssten von Anfang an passen, stellt Kagermann klar. Es gehe schließlich nicht nur darum, ein Produkt auf den Markt zu werfen. Auch die Serviceabteilung, der Vertrieb und die Partner müssten sich auf das künftige Volumengeschäft einstellen.

Berater sollen Kunden führen

Nach Einschätzung von Hans-Peter Klaey, dem neuen starken Mann für den Mittelstand bei SAP, wird es für die Partner künftig neue Rollen zu besetzen geben. Berater müssten die potenzielle Klientel, die bislang meist Insellösungen betrieben und mit Problemen wie zum Beispiel mangelhafter Integration und doppelter Datenhaltung zu kämpfen hätten, stärker an die Hand nehmen und auf die neue Hosting-Lösung zuführen. Komplexe und beratungsintensive Implementierungen, die in anderen Bereichen in aller Regel für eine gute Kasse sorgen, wird es mit der neuen Lösung jedoch nicht geben. Für den Kunden soll das Produkt einfach einzuführen sein. "Der menschliche Kontakt wird zwar nicht abreißen, aber geringer."

Kagermann zufolge ist die Software fast fertig. Neben dem Feinschliff erfolgt derzeit die Entwicklung unterschiedlicher Landesversionen. Derzeit testeten rund 150 Kunden die Software, davon etwa 20 intensiv. In nächster Zukunft sollen die ersten live gehen. Zunächst soll das System in Deutschland, China und den USA auf den Markt kommen. Sukzessive würden weitere Märkte folgen. Mit Blick auf das notwendige Volumen hat der SAP-Chef dabei in erster Linie die großen europäischen Länder sowie aufstrebende Märkte wie beispielsweise Brasilien und Indien im Sinn. Über Preise wollen die SAP-Verantwortlichen nicht sprechen. Nur die Metrik steht fest. Abgerechnet werde wie bei anderen On-Demand-Anbietern pro User und Monat.

Bevor SAP mit seinen Softwarediensten an den Start geht, gilt es jedoch noch einige Herausforderungen zu meistern, meint Frank Naujoks, Analyst von IDC. Beispielsweise müssten die Walldorfer den Partnern klar machen, dass es sich bei der neuen Mietlösung um eine Ergänzung des Produktportfolios handle und nicht um eine Konkurrenz. Gerade was das Verhältnis des SaaS-Angebots zu "Business One" angeht, sieht der Branchenbeobachter durchaus Erklärungsbedarf. "Hier kann es zu Kollisionen kommen."

Darüber hinaus müsse der Konzern die notwendigen Rechenzentrumskapazitäten aufbauen, den Support sicherstellen sowie Schulungsmaterial für Partner und Kunden bereit stellen. Die Infrastruktur rund um das neue Produkt muss von Anfang an funktionieren und eine hohe Verfügbarkeit bieten. "Für Ausfälle von geschäftskritischen Systemen haben auch Mittelständler kein Verständnis."

Anpassungen - ja oder nein?

Zu guter Letzt bleibe Naujoks zufolge die Frage, ob der mit einer strikt standardisierten Lösung adressierbare Markt für SAP groß genug ist oder ob der Softwarekonzern von seinem Grundprinzip etwas abrücken müsse. Nach Einschätzung des Analysten sollte die Software so gestrickt sein, dass zumindest grundlegende Branchenanforderungen bedient werden könnten.

Christian Glas, Analyst von Pierre Audoin Consultants geht davon aus, dass SAP mit seinen Softwareservices vor allem in den USA punkten will. Während der On-Demand-Markt hierzulande nur schwer in Gang komme, hätten amerikanische Anwenderunternehmen weniger Scheu, eine standardisierte Mietsoftware via Web-Zugriff zu nutzen. "In Deutschland ist das On-Demand-Geschäft dagegen überschaubar." Mit seiner jüngsten Initiative könnte SAP den Markt allerdings aus dem Dornröschenschlaf wecken und das Bewusstsein bei den hiesigen Anwendern wachrütteln.

Preisdruck wird härter

Bis es soweit ist, werden die SAP-Verantwortlichen ihr Glück auf anderen Märkten suchen müssen, prognostiziert Glas. Das dürfte jedoch nicht einfach werden. Gerade in den USA sei SAP wegen der größeren Konkurrenz beispielsweise von Seiten Oracles einem härteren Preisdruck ausgesetzt. Generell werde den Verantwortlichen mit der neuen Lösung ein rauerer Wind ins Gesicht wehen. "Von den Margen, die SAP mit seinen angestammten Produkten verdient hat, wird man sich in Walldorf verabschieden müssen."

Das betrifft auch die Partner. Rund um die standardisierte On-demand-Lösung werde es Glas zufolge nur wenig Projektgeschäft geben. "Das ist im Grunde ein Massenmarkt, in dem es nur um Volumen geht." Beim Hosting werde SAP vielleicht den einen oder anderen global aufgestellten Partner mit an Bord holen. Der klassische Mittelstandspartner werde davon jedoch wenig haben. Daher müsse der Softwarekonzern auch genau darauf achten, möglichst wenig interne Konkurrenz aufkommen zu lassen, um die bestehenden Partner und deren Lizenzgeschäft zu schützen. "Ganz vermeiden wird sich das jedoch nicht lassen", meint der Analyst.

Welchen Erfolg SAP letztendlich mit seiner neuen Mittelstandslösung haben wird, lässt sich Glas zufolge derzeit nur schwer einschätzen. Momentan gebe es noch zu viele unbekannte Faktoren wie beispielsweise Funktionsumfang und Pricing. "SAP wird sicher auch mit dem neuen Produkt Geschäft machen, aber es wird sicher schwerer sein."