SAP lüftet Geheimnis um neue Mittelstandssoftware

19.09.2007
SAP startet ab sofort in ausgewählten Märkten seine neue Mittelstandslösung "SAP Business ByDesign". Das On-Demand-Paket wird zu einem Preis von 133 Euro pro Anwender und Monat zu haben sein.

"Mit SAP Business ByDesign beginnt für SAP eine neue Ära", sagte SAPs Vorstandssprecher Henning Kagermann anlässlich der Vorstellung des neuen gehosteten Mittelstandsangebots in New York. SAP füge seinem bestehenden Geschäft ein komplett neuartiges Geschäftsmodell hinzu und verändere damit den Marktplatz für On-Demand-Applikationen. Der SAP-Chef bezeichnete die Lösung, die der Softwarekonzern in den vergangenen Jahren unter dem Codenamen A1S entwickelt hatte, als umfassendste On-Demand-Lösung am Markt. Anwenderunternehmen könnten damit das komplette Spektrum ihrer Business-Anforderungen abdecken.

Nach Einschätzung der SAP-Strategen könnten sich weltweit rund 600.000 Firmen für das Mietpaket interessieren. Das Marktpotenzial taxiert der Konzern auf rund 11 Milliarden Euro. Ansprechen wollen die badischen Softwerker in erster Linie Anwenderunternehmen mit 100 bis 500 Mitarbeitern, die bislang keine integrierte Business Software einsetzen. Dieser Klientel verspricht Kagermann ein umfassendes Funktionsangebot, hohe Benutzerfreundlichkeit, Flexibilität und geringe Betriebskosten.

In Deutschland soll Business ByDesign 133 Euro pro User und Monat kosten. SAP verlangt eine Mindestlizenzierung von 25 Nutzern pro Kunde. Kagermann rechnet indes mit durchschnittlich 50 Business-ByDesign-Usern pro Anwenderunternehmen. Darüber hinaus will SAP spezielle Gruppenpreise für Benutzer anbieten, die das System nur in begrenztem Umfang nutzen beispielsweise für die Erfassung von Reisekosten. Die Preise sollen hier bei 49 Euro für fünf Anwender pro Monat beginnen.

SAP will mit Business ByDesign 10.000 Kunden ködern

Derzeit betreiben SAP-Angaben zufolge 20 Kunden in den USA und Deutschland die neue Mietlösung live. Zudem gebe es Pilotanwender in Großbritannien, Frankreich und China. Im kommenden Jahr sollen Australien, Indien, Italien, Kanada, Mexiko, die Niederlande, Skandinavien, Spanien und Südafrika dazukommen. Weitere Länder würden 2009 folgen. Den aktuellen SAP-Plänen zufolge sollen 2010 weltweit rund 10.000 Kunden mit Business ByDesign arbeiten. Nach den Worten von SAPs Vertriebsvorstand Leo Apotheker will der Hersteller sein On-Demand-Paket Schritt für Schritt herausbringen und die einzelnen Märkte nacheinander aufrollen. Legt man die oben genannten Zahlen zugrunde, könnte die Mietlösung in drei Jahren knapp 800 Millionen Euro zum Jahresumsatz des Konzerns beisteuern. Es ist allerdings zu erwarten, dass die Preise in den verschiedenen Zielländern variieren werden, so dass dieser Beitrag niedriger ausfallen dürfte.

Business ByDesign – die Fakten

Verfügbarkeit: ab sofort in Deutschland, USA, China, Großbritannien und Frankreich;

Preis: 133 Euro (149 Dollar) pro User und Monat, Gruppenpreise für selektive Nutzung ab 49 Euro (54 Dollar) pro Monat für fünf Nutzer;

Mindestnutzer: 25;

Firmengröße: 100 bis 500 Mitarbeiter.

Allerdings muss SAP auch einiges investieren, um den On-Demand-Stein ins Rollen zu bringen. Seit vier Jahren arbeitet der Konzern laut SAP-Vorstand Peter Zencke an dem System. Über 1000 Mitarbeiter seien an der Entwicklung beteiligt gewesen. Bis Ende 2008 will SAP zwischen 300 und 400 Millionen Euro in neue Konzepte für den Vertrieb, Service und Support investieren. Im ersten Halbjahr 2007 hat SAP bereits 50 Millionen Euro davon verbraucht. Der Aufwand für die zweite Hälfte des Jahres soll höher liegen. Eine genaue Zahl wollten die SAP-Verantwortlichen allerdings nicht nennen.

SAP hat in den zurückliegenden Monaten ein großes Geheimnis rund um seine neue Mietsoftware für den Mittelstand gemacht. Nur tröpfchenweise sickerten seit der ersten Ankündigung Anfang 2007 die Informationen in den Markt. Diese Geheimniskrämerei sorgte jedoch für Unruhe unter den Anwendern und Partnern des Softwarekonzerns. Lange war nicht klar, welche Rolle von Business ByDesign im Reigen der SAP-Applikationen einnehmen sollte. Branchenbeobachter spekulierten, der Druck der Börse habe den Softwarekonzern zu einer frühzeitigen Ankündigung der neuen Lösung gezwungen. Die Planungen in der Walldorfer Vorstandsetage seien zu diesem Zeitpunkt jedoch noch längst nicht spruchreif gewesen.

Business ByDesign – die Grenzen

Nach Einschätzung von SAP soll die neue Mietlösung den bestehenden Mittelstandsprodukten nicht in die Quere kommen. Das On-Demand-Angebot werde sich zwischen Business One und Business-All-in-One einreihen. Mit Business One will der Softwareanbieter Firmen mit weniger als 100 Mitarbeitern bedienen. Das System komme mit einfach strukturierten Geschäftsprozessen und kleineren Transaktionsvolumina zurecht, hieß es. Business ByDesign sei dagegen in der Lage, komplexere Prozesse sowie größere Transaktionsmengen zu bewältigen. Das System könne verschiedene Standorte, Geschäftsbereiche und Niederlassungen unter einen Hut bringen. Die Mietlösung richte sich an Firmen mit 100 bis 500 Mitarbeitern. In diesem Kriterium überschneidet sich die Mietlösung mit Business-All-in-One, das laut SAP Unternehmen zwischen 100 und 2500 Mitarbeitern adressiert. Allerdings biete der Konzern mit Business-All-in-One seinen Kunden eine tiefgehende Anpassung an einzelne Branchen.

Spekulationen, das On-Demand-Angebot könnte auch eine Lösung für Konzernkunden sein, erteilt Kagermann eine Absage. Das System sei ausschließlich für den Mittelstand gedacht. Allerdings, so räumt der Konzernlenker ein, würden sicherlich auch die Großunternehmen die neuen Softwareservices genauer unter die Lupe nehmen.

An dieser Entwicklung waren die SAP-Strategen jedoch nicht unbeteiligt. Hatte doch Vorstandssprecher Kagermann selbst die Latte für die Geschäftsentwicklung der nächsten Jahre hoch gelegt. 100.000 Firmennamen will er bis 2010 auf seiner Kundenliste zählen. Aktuell sind dort laut SAP-Angaben rund 41.200 Unternehmen aufgelistet. Um dieses Ziel zu erreichen, muss SAP neue Märkte erschließen, gerade auch weil das bis dato lukrative Konzerngeschäft allmählich Sättigungstendenzen zeigt. Einmal mehr nimmt der Hersteller deshalb den Mittelstand ins Visier und will sich als Softwarepartner für kleine und mittelgroße Firmen profilieren. Eigenen Angaben zufolge liegt der Anteil dieser Kundschaft an der gesamten SAP-Klientel bereits bei knapp 70 Prozent. Die 28.000 Kunden aus diesem Segment würden mit etwa einer Milliarde Euro schon zirka 30 Prozent zum jährlichen Lizenzumsatz beitragen.

Business ByDesign – die Technik

SAP hat Business ByDesign nach Angaben des SAP-Chefs Henning Kagermann in den vergangenen Jahren komplett neu entwickelt. Daher sei es möglich gewesen, die Architektur modellbasiert und serviceorientiert aufzubauen. "Das ist ein radikaler Ansatz", so Kagermann. Damit sei Business ByDesign weiter als die anderen SAP-Lösungen. Diese ließen sich nicht von heute auf morgen umkrempeln. Vielmehr seien die anderen Softwareprodukte auf einem evolutionären Weg in Richtung Service-Orientierung. Die On-Demand-Lösung basiert laut SAP auf dem künftigen Release der Integrationsplattform Netweaver und dem Enterprise Service Repository, das auch die Grundlage für SAPs Enterprise Service-oriented Architecture (E-SOA) bildet. Kagermann zufolge ist das User-Interface von der Business-Logik entkoppelt. Deshalb gebe es eine ganze Reihe von Möglichkeiten, das System zu konfigurieren und anzupassen. Darüber hinaus verfüge jeder Kunde über einen isolierten Bereich für seine Daten. Nur die zugrunde liegende Hosting-Infrastruktur bilde einen gemeinsamen Pool für das On-Demand-System. Die Architekur sei so flexibvel und modular aufgebaut, dass SAP in der Lage sei, dem Kunden das ganze System zu übergeben, sofern er dies wünsche.

SAP muss die Mittelständler erst noch überzeugen

Doch im Mittelstandsmarkt herrschen andere Gesetze. SAP selbst räumt ein, dass mit der neuen Lösung Kunden adressiert werden sollen, die bislang einen weiten Bogen um die eigenen Produkte gemacht haben. Es geht allerdings nicht nur um die Software allein. Von langwierigen und teuren Implementierungsprojekten, an denen SAP und die Partner in der Vergangenheit gut verdient haben, wollen die neuen Kunden nichts wissen. Da die IT-Ressourcem meist spärlich ausfallen, müssen sich die Lösungen schnell und einfach einführen lassen. Zudem wollen die Kunden Preise und Aufwand genau kalkulieren. Mammut-Projekte, deren Kosten schnell aus dem Ruder laufen, kann sich SAP in diesem Umfeld nicht leisten.

Der Konzern muss also viel lernen, um in dem neuen Marktumfeld bestehen zu können. Es geht nicht mehr nur darum, die eigene Software an den Mann zu bringen, um Lizenz- und Wartungsgebühren abzukassieren. SAP muss seine neuen Kunden an die Hand nehmen, ihnen die Vorteile der Lösung darlegen und bei der Einführung und im Betrieb unter die Arme greifen.

Rolle der SAP-Partner bleibt noch unklar

Damit rückt SAP näher an seine neuen Anwender heran. Bei den Partnern dürfte dieser Trend skeptische Mienen hervorrufen. Auch sie müssen sich mit einer neuen Situation auseinandersetzen. Statt einiger weniger Großprojekte gilt es in Zukunft auch den Massenmarkt zu bedienen. Hier müssen die Akteure jedoch mit spitzer Feder rechnen, was sich lohnt. Zudem bleibt die Frage offen, welche Geschäftsbereiche SAP für sich beansprucht und was für die Partner übrig bleibt.

Business ByDesign – der Vertrieb

Für die SAP-Verantwortlichen wird es auch darum gehen, die Vertriebs- und Marketing-Kosten niedrig zu halten. Dabei zählt SAP vor allem auf die Möglichkeiten für die Anwender, die neue Mietlösung zunächst selbst auszuprobieren. Demnach könnten interessierte Kunden vor der Miete individuell zusammengestellte Versuchs-Suiten im Netz frei schalten sowie das System mit eigenen Daten füttern und ausprobieren. Diese Selbstbedienung ist für SAP offenbar der beste Weg, Kunden mit einem vertretbaren Aufwand zu gewinnen.

Nach Einschätzung von Zach Nielsen, CEO des SaaS-Anbieters Netsuite, unterschätzten die SAP-Verantwortlichen jedoch die Komplexität des Vertriebs. Zwar biete auch Netsuite Versuchsversionen an, es brauche jedoch zusätzlich eine Menge Überzeugungsarbeit wie beispielsweise Demo-Präsentationen, um die Kunden schließlich für die Mietsoftware zu gewinnen. Auch On-Demand-Pionier Salesforce.com bekommt dies zu spüren. Branchenbeobachtern zufolge steckt der Spezialist für Mietsoftware fast jeden verfügbaren Dollar in Vertrieb und Marketing. Deshalb steigen zwar die Umsätze mit respektablen Wachstumsraten, unter dem Strich bleibt die Ausbeute bis dato jedoch meist mager.

Klar ist, dass sich die Partner für das Mietmodell umstellen müssen. Hans-Peter Klaey, SAPs neuer starker Mann für das Mittelstandsgeschäft, kündigte an, auch um das On-Demand-Angebot ein Partner-Ökosystem aufbauen zu wollen. Zunächst wolle SAP selbst die Entwicklung vorantreiben und die Speerspitze im Markt bilden. Langfristig sei jedoch geplant, dass auch die Partner die weitere Verbreitung des Mietangebots vorantreiben. Allerdings müssten sich auch die Partner an das neue Modell anpassen, fordert Klaey. Sie müssten für den neuen Geschäftsbereich neue Organisationen und Business-Modell aufbauen. (ba)