Interview

"SAP ist eine Herausforderung für uns"

12.12.1997

CW: Mit dem Erfolg von Windows NT dringt Microsoft auch in den Kernmarkt von Oracle ein. Wie wollen Sie Ihrem Konkurrenten entgegentreten?

LANE: Eines muß ich vorab klarstellen. Microsoft ist Markführer, vielleicht sogar Monopolist - auf dem Sektor der PC-Betriebssysteme. Wir aber sind der Marktführer unter den Datenbankanbietern. Deshalb nehmen wir unterschiedliche Startpositionen hinsichtlich unserer Produkte und den Forderungen unserer Kunden ein.

In etwa fünf Jahren wird es im wesentlichen zwei Märkte geben. Einen Markt für Unternehmensplattformen und -applikationen - da sehen wir uns selbst natürlich als Marktführer, obwohl wir hier mit Microsoft bei der Plattform und bei den klassischen PC-Programmen konkurrieren. Der andere Markt entsteht durch das Internet, durch entsprechende Infrastrukturen, Applikationen und Produkte, die Zugang zum Web verschaffen. Hier mag uns Microsoft mit Anteilen am Consumer-Markt überlegen sein, denn diesen bedienen wir bisher nicht.

CW: Hat Microsoft mit dem "SQL Server" eine Chance, in dem Marktsegment Fuß zu fassen, das Oracle zur Zeit besetzt hält?

LANE: Microsoft hat den Sourcecode seines SQL Server, einer relationalen Datenbank mit lediglich den grundlegenden Datenbankeigenschaften, schon vor geraumer Zeit von Sybase gekauft. Es gibt wohl weit und breit niemanden, der ernsthaft behaupten könnte, Oracle 7 oder gar Oracle 8 seien damit vergleichbar. Unser Produkt kann einfach mehr.

Es ist doch so: Wird ein bestimmter Komplexitätsgrad erreicht, kann das Microsoft-Produkt nicht mithalten. Es erfüllt die Anforderungen der Kunden schlichtweg nicht. Je niedriger jedoch im Unternehmen entsprechende Applikationen anzusiedeln sind, desto eher kommen die Kunden mit dem Microsoft-Produkt klar.

Zudem funktioniert der SQL Server nur unter Windows NT. Nach jüngsten Schätzungen des Marktforschungsinstituts IDC allerdings laufen schon jetzt mehr NT-Rechner mit unseren Datenbanksystemen als mit dem Microsoft-Produkt. Die Analysten schätzen den SQL-Server-Anteil auf 33 oder 35 Prozent und unseren auf 34 oder 36 Prozent. Tatsächlich hat Microsoft Marktanteile verloren. Das vergangene Jahr war für die Redmonder kein gutes im Datenbankgeschäft.

CW: Welche Strategie verfolgt Oracle in puncto Applikationen?

LANE: Datenbanken und Applikationen sind zwei Paar Schuhe. Heute verdienen wir rund 60 Prozent mit unseren Datenbankprodukten, vielleicht 65 Prozent. Das Applikationsgeschäft macht rund 20 bis 25 Prozent aus, und den Rest des Umsatzes erzielen wir mit Tools und Middleware. Künftig wird sich das Verhältnis zugunsten der Applikationen verschieben. Sie werden rund 40 Prozent des Umsatzes einbringen und die Datenbanken 45 bis 50 Prozent.

CW: Wie positionieren Sie sich im Vergleich zur Konkurrenz im Applikationsgeschäft?

LANE: Wir rangieren derzeit weltweit auf Platz zwei hinter der SAP AG, aber vor der Baan Co. und der Peoplesoft Inc. Dabei sind wir etwa halb so groß wie SAP und Peoplesoft ist halb so groß wie wir. Dabei weisen nur unsere und die Produkte von SAP die gleiche Funktionsvielfalt auf.

Die Herausforderung liegt also darin, SAP einzuholen. Dafür tun wir vor allem zwei Dinge: Wir statten unsere Produkte mit Web-Fähigkeiten aus und fügen Branchen-Know-how hinzu. Wahrscheinlich noch in diesem Monat, doch spätestens im Januar, sind alle Oracle-Server-Anwendungen wie Financials, Manufacturing, Human Resources und Vertrieb von einem Browser her zugänglich. Außerdem versuchen wir, in der Industrie Partner zu finden. Beispielsweise haben wir die Finanz- und Abrechnungssoftware von British Petroleum gekauft sowie Teile der Belegschaft übernommen.

CW: Auch SAP sucht sich Partner. Kürzlich unterzeichnete das Walldorfer Unternehmen einen Vertrag mit der IBM. Er bezieht sich auf eine Verbindung von IBMs Server- Suite "Netcommerce" zu SAPs Enterprise-Resource-Planning-Produkt. Welche Strategie verfolgt Oracle diesbezüglich?

LANE: SAP mußte einen solchen Vertrag eingehen, denn die Firma verfügt über keine eigene Internet-Commerce-Strategie. Wir dagegen bauen unsere Applikationen auf unserer eigenen Technik auf.