SAP: Geringeres Übel als Leitmotiv

09.10.1992

Aus einer Pressemitteilung der Ploenzke AG: "SAP-Software hat sich in den vergangenen Jahren in Deutschland immer stärker als Generalanwendung in praktisch allen, Branchen durchgesetzt." Ploenzke kooperiert jetzt mit der Unilog S.A., Paris, um SAP-Beratung in Frankreich anzubieten (Seite 2). Aus einer Outsourcing-Analyse im Diebold Management Report 9192: "Die skizziert en Beispiele zeigen eine positive Bilanz. Allerdings ist es auch schwer vorstellbar, daß DV-Manager öffentlich eine Bilanz ihrer Mißerfolge darlegen würden." Der Einsatz von SAP-Anwendungsmodulen ist im Kern Software-Outsourcing, weil auf Eigenentwicklung verzichtet wird. So schließt sich der Argumentationskreis: Schwer vorstellbar, daß sich DV-Entscheider öffentlich über frühere Mißerfolge bei der Entwicklung von Individualsoftware äußern - was sie jedoch nicht davon abhalten sollte, ihr SAP-Engagement zu überdenken.

Anlaß dazu besteht sehr wohl, womit nicht gesagt sein soll, daß die Prüfung unbedingt negativ ausfallen muß. Doch egal, wie gut SAP-Standards die Anforderungsbedingungen bei den Kunden im Einzelfall erfüllen - und bei wettbewerbsneutralen Anwendungen wie Finanzbuchhaltung, Kostenrechnung oder Personalabrechnung dürfte dies kein Thema sein: Die Entscheidung für eine SAP-Lösung, etwa im Warenwirtschaftsbereich oder in der Fertigung, bindet die Anwender in Sachen Software auf Jahre hinaus, ohne daß die Auswirkungen auch nur annähernd abzuschätzen wären.

Dies gilt es festzuhalten - und dies muß sich das SAP-Management als Mahnung gefallen lassen. Unter dem Gesichtspunkt der eigenen Machterhaltung ist es sicherlich eine Marketing-Meisterleistung von SAP, auch den R/2-Nachfolger R/3 mit einer proprietären Entwickungsumgebung auszustatten. Das heißt: Wer Anpassungen in der SAP-spezifischen Sprache Abap/4 vornimmt, wird abhängig. "Je mehr Abaps man programmiert, desto abhängiger wird man", bringt es der SAP-Kritiker Lothar Bading auf den Punkt (Seite 1).

Man muß es deshalb so deutlich sagen: Wie RZ-Outsourcing keine Wettbewerbsprobleme löst, nicht einmal Organisations-, Struktur- und DV-Ablaufprobleme, sondern diese lediglich nach draußen verlagert, so verschaffen auch Standard-Anwendungs-Programme (SAP!) den Unternehmen keine echten Vorteile - allenfalls wird der Mangel an eigenem DV-Know-how kaschiert. Wozu bräuchten wir sonst so viele SAP-Berater? Zum Abbau des gefährlichen Know-how-Defizits bei den Anwenderfirmen tragen diese nicht bei. Schlimmer noch: Sie verhindern indirekt, daß sich "DV-Kultur" bei den Unternehmen entwickelt, die Vorstellung, was Informationstechnik zu leisten vermag. Das "geringere Übel" als Leitmotiv, fürchten wir, wird indes so schnell nicht auszurotten sein.