Kagermann wird neuer Vorstandssprecher

SAP-Chef Hopp macht den Weg für Veränderungen frei

13.02.1998

Der Wechsel an der Spitze soll "geräuschlos und unmerklich" über die Bühne gehen, sagte Hopp. Die Aufgaben der von acht auf sechs Köpfe geschrumpften Führungsmannschaft werden dazu neu verteilt. Konkrete Pläne, den Vorstand wieder aufzustocken, gebe es nicht, sollte sich aber ein geeigneter Bewerber finden, möchte Hopp nichts ausschließen. Er selbst wechselt in den Aufsichtsrat und strebt dort den Vorsitz an.

Nach der Auffassung von Helmut Gümbel, Managing Director von Strategy Partners in München, macht der SAP-Mitbegründer den Weg frei für Veränderungen: "Das ist der Beginn einer größeren Umbauaktion innerhalb der nächsten zwölf Monate bei der SAP." Bereits im Herbst 1997 hatten die Walldorfer eine stärkere Branchenausrichtung und damit eine Entlastung des Vorstands bekanntgegeben. 15 sogenannte Industry Business Units (IBUs) sollen die Anforderungen der vertikalen Märkte besser abdecken. Jeder IBU, in der Konzernhierarchie direkt unter dem Vorstand angesiedelt, stehen Branchen-Manager vor, die die Entwicklung und Vermarktung der branchenspezifischen Lösungen der Standardsoftware R/3 verantworten.

Hopps Ausscheiden bot sich an, um alte Zöpfe im Personalbereich abzuschneiden. Im Dunstkreis des SAP-Vorsitzenden scharten sich zuletzt viele Leute, die von Anfang an dabei waren und sich stets an den Vorstandsvorsitzenden klammerten. Gümbel: "Durch das Ausscheiden von Hopp könnten nun weitere Umorganisationen folgen, er stellt damit die Weichen für die neue Führungsgeneration mit Leuten wie Paul Wahl und Claus Heinrich." Erstarrte Strukturen und alte Seilschaften würden dadurch aufgelöst.

Erneuerungen stehen laut Gümbel auch im Vertrieb des Konzerns an: SAP sei eines der wenigen weltweit agierenden Unternehmen, die noch keinen internationalen Vertriebschef hätten: "Es herrschten bisher die jeweiligen Landesfürsten." Darüber hinaus arbeite man in Walldorf an einer neuen Struktur des Account-Managements, um für Herausforderungen der kommenden Zeit gerüstet zu sein.

Die fetten Jahre für die Anbieter von Enterprise-Resource-Planning-(ERP-)Systemen wie SAP sind nach Schätzungen der Gartner Group bald passé: Um nur noch 17 Prozent werde der Markt 1998 wachsen, so ihre Analyse. 1997 waren es noch 37 Prozent. Rund zwei Drittel der Kunden hätten allein aufgrund des Datum-2000-Problems und der Einführung des Euros auf Standardsoftware gesetzt, so Gartner. Der damit verbundene Nachfrageschub werde jedoch spätestens ab Mitte dieses Jahres deutlich gebremst: Viele Unternehmen hätten bereits Lösungen für diese Probleme in Aussicht. Ob das neue R/3-Release 4.0, daß im Sommer dieses Jahres allgemein zur Verfügung stehen wird, diese Einnahmenlücke schließen kann, ist nach Meinung von Fachleuten fraglich. Es befinden sich zwar einige Neuerungen im R/3-Portfolio - etwa das Business Information Warehouse (BIW) und eine Software zum Lieferketten-Management, und den Walldorfern ist es anscheinend auch gelungen, die Komponente Personal-Management separat auszuliefern. Die vollständige Entflechtung des R/3-Paketes und damit verbundene kürzere Implementierungszeiten und bessere Wartbarkeit sind aber noch in weiter Ferne. SAP dürfte also nach neuen Einnahmequellen wie Service, Outsourcing, Front-office-Lösungen und Beratung Ausschau halten, um das Umsatzniveau halten zu können und die Aktionäre nicht zu enttäuschen.

Aufs Altenteil zurückziehen will sich Hopp noch lange nicht. Seit der Umwandlung von SAP in eine Aktiengesellschaft im Jahr 1988 steht er an der Spitze der Sechs-Milliarden-Company. Er werde über die Tätigkeit im Aufsichtsrat im Unternehmen aktiv bleiben: "Unternehmenskrisen werden nicht selten durch einen verspäteten oder schlecht gemanagten Führungswechsel ausgelöst", begründete er seinen Schritt. Bei der SAP wolle man einer solchen Gefahr vorbeugen. Auch Tschira möchte als Aufsichtsrat weiterhin im Unternehmen tätig sein.

Die Softwareschmiede wird künftig von einer Doppelspitze gelenkt: An die Seite von Hasso Plattner, der Mitte 1997 zum gleichberechtigten Vorsitzenden aufgerückt war, wird nach den Aufsichtsratswahlen Henning Kagermann (50) treten. Er war bislang zuständig für die SAP-Produkte Finanz- und Rechnungswesen. Dem Vorstand gehören außerdem Claus Heinrich, Gerhard Oswald, Paul Wahl und Peter Zencke an. Hopp, der als Controlling- und Kostenexperte gilt, habe sich ausbedungen, bei der Kostenentwicklung des Unternehmens weiterhin ein Wörtchen mitzureden und sich speziell um den R/2-Service zu kümmern.