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SAP arbeitet kräftig an seinem CRM-Image

29.09.2000
DÜSSELDORF (CW) Jetzt wird es ernst für CRM-Spezialisten wie Siebel und Oracle. Nach langem Warten hat SAP auf dem hauseigenen CRM-Kongress in Düsseldorf endlich den Vorhang über "Mysap.com CRM" gelüftet.

Reichlich nebulös gestaltete sich lange Zeit SAPs Produktstrategie in Sachen Customer-Relationship-Management (CRM). Höhepunkte waren unter anderem der 1997 unternommene Einstieg bei dem Spezialisten für Sales Force Automation (SFA) Kiefer & Veittinger sowie die jüngste Ankündigung einer Kooperation mit dem CRM-Anbieter Clarify. Auf ihrem Düsseldorfer Kongress präsentierten die Walldorfer nun einen "ganzheitlichen Ansatz" ihres CRM-Konzepts auf Basis von Mysap.com. Dieser reiche weit über eine auf den Vertrieb orientierte Sales-Force-Automation-Lösung hinaus, so die SAP-Manager. Insbesondere das Internet ermögliche komplexe CRM-Anwendungen, in denen sämtliche Informationen und Prozesse verarbeitet werden, die in Verbindung mit Kunden stehen - inklusive Verkauf, Wartung und Logistik.

Die Vorgehensweise von SAP besitzt angesichts der jüngsten Pleiten von spezialisierten Dotcom-Unternehmen durchaus überzeugende Züge und deckt sich mit einschlägigen Marktanalysen etwa der Meta Group. Diese gliedert CRM in die drei Bestandteile:

- operational (transaktionsorientierte Aufgaben),

- analytical (Data Warehouse, Business Intelligence) sowie

- collaborative (Marktplätze).

Derart umfassende CRM-Anforderungen haben es SAP ermöglicht, aus der Not eine Tugend zu machen. Denn viele der schon vorhandenen Komponenten aus dem Portfolio der Walldorfer finden so ihren Einzug in die unterschiedlichen CRM-Szenarien. Eine der wichtigsten Komponenten ist hierbei das SAP-eigene "Business Warehouse" (BW), das als integraler Bestandteil das Fundament für 40 Prozent der CRM-Funktionalität liefert.

Kern des zentralen CRM-Systems ist die "SAP Basis", die sich wie R/3 mit der Abap-Workbench als Entwicklungsplattform konfigurieren lässt. Der Zugriff erfolgt im Internet über SAPs "Internet Transaction Server" (ITS) und im Contact Center über eine CTI- beziehungsweise E-Mail-Schnittstelle. Neu und nunmehr freigegeben ist eine CRM-Middleware. Sie ist Bestandteil des zentralen CRM-Systems und vermittelt zwischen der SAP-Basis (Release 4.6c) inklusive einer CRM-eigenen Datenbank mit einheitlichem Datenmodell auf der einen Seite sowie den Anwendungskomponenten beziehungsweise Business-Objekten der mobilen Clients, dem Business Warehouse und R/3 auf der anderen Seite. Das Customizing und die Entwicklung der mobilen CRM-Clients erfolgen über die "SAP Business Object Workbench", die die mehrschichtige Architektur mit Tools jeweils für das User Interface, die Geschäftsobjekte und Transaktionen unterstützt.

Typische Aufgaben der Middleware sind damit:

- Verteilung und Replikation von Informationen an die mobilen Clients;

- Synchronisation der Daten zwischen mobilen Clients und dem zentralen CRM-System;

- Verwaltung der Daten, die etwa zwischen CRM und R/3 beziehungsweise Business Warehouse oder zwischen CRM und Fremdanwendungen ausgetauscht werden, sowie

- Messaging zwischen Client und Server, indem die Middleware Informationen temporär speichert.

In Bezug auf Nortels Clarify, das SAP nun ergänzend zum eigenen Angebot vermarktet, übernimmt die Middleware die Integration in den Workplace von Mysap.com, so dass aus der Clarify-Software auf beliebige SAP-Business-Objekte zugegriffen werden kann.

SAP nutzte die Düsseldorfer Veranstaltung auch dazu, um gemeinsam mit Anwenderfirmen zu zeigen, was mit den bislang angebotenen Produkten in Sachen CRM bereits möglich ist. Tchibo setzt beispielsweise SAP 4.5b im Rahmen seines Customer Interaction Center (CIC) ein, die Eon-Tochter Energieversorgung Oberfranken AG nutzt die Komponente "Mobile Service/ Mobile Sales" im Außendienst und Vertrieb, wobei die Clients (Notebooks) über die Middleware mit R/3 verbunden sind. In weiteren Schritten soll nun die Integration mit der Instandhaltungskomponente und mit dem Kundeninformationssystem angegangen werden.

Von der Vertriebssteuerung bis zur KundenanspracheEin sehr ehrgeiziges Projekt verfolgt die Bertelsmann-Tochter CM4, die im Rahmen einer integrierten CRM-Anwendung inklusive Verfügbarkeitsprüfung via SAPs "Advanced Planner & Optimizer" (APO) ein personalisiertes Kampagnen-Management und die individuelle Kundenansprache über mehrere Kontaktkanäle für den Bertelsmann Buchclub einführt. Ähnlich komplex mutet das Projekt bei Schering an, die Vertriebssteuerung auf Basis des Business Warehouse anzugehen. Ab nächstem Jahr will der Pharmakonzern ein Warehouse mit Informationen aus den selbstentwickelten Zentralsystemen sowie R/3 bestücken. Auf diese sollen die Mitarbeiter dann vom SAP-Workplace aus über das Internet und ein 4.6-System zugreifen. Zu den Herausforderungen hier zählte, dass im Projektverlauf die Web-Frontends erheblich verbessert werden mussten.

Aus den projektbezogenen Kongressvorträgen wurde darüber hinaus deutlich, dass CRM neben den technisch komplexen Herausforderungen auch ein hohes Maß an organisatorischen Vorarbeiten verlangt. Für Hermann Simon vom Beratungshaus Simon-Kucher & Partner bietet CRM zumindest eine Chance, die Kundenbeziehungen endlich einmal zu systematisieren. Wolfgang Martin von der Meta Group forderte darüber hinaus, dass die Unternehmen CRM besser in Constituent-Relationship-Management umbenennen und den Kundenlebenszyklus in den Mittelpunkt der Betrachtung rücken sollten.

Martin lobte zwar ausdrücklich den rollenbasierten Ansatz der Walldorfer und dass sich SAP mit diesem CRM-Konzept "nicht verstecken muss", dennoch gibt es für den Analysten keine Lösung aus einer Hand. CRM bleibe immer eine "Multi-Vendor-/Multi-Product"-Angelegenheit. Schließlich wies der Meta-Mann noch auf etwas wenig Erfreuliches hin: CRM sei richtig teuer - die Kosten für eine ERP-Einführungsollen im Vergleich dazu nur ein kleiner Vorgeschmack gewesen sein.