DSAG-Kongress 2016

SAP-Anwender suchen nach Lösungen für den digitalen Wandel

22.09.2016
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Der Spagat zwischen gewachsenen, heterogenen und zunehmend komplexeren Systemlandschaften sowie der für die anstehende Business Transformation notwendigen Agilität und Flexibilität droht sich zur größten Herausforderung für die SAP-Anwender zu entwickeln. Die fordern deshalb mehr Unterstützung von ihrem Softwarelieferanten und scheinen zumindest teilweise auch Gehör zu finden.

"Die Digitalisierung ist in den Unternehmen angekommen", konstatierte Marco Lenck, Vorstandsvorsitzender der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG) zum Auftakt der diesjährigen Jahrestagung, die vom 20. bis 22. September in Nürnberg stattfand. Der DSAG-Chef berief sich in seiner Keynote auf eine Umfrage vom Frühjahr dieses Jahres, wonach 82 Prozent der rund 350 befragten Unternehmen der Business Transformation eine hohe beziehungsweise sehr hohe Bedeutung zumessen.

Einfach dürfte das allerdings nicht werden. Der damit verbundene Wandel wird aus Sicht der Anwendervertreter die Art und Weise, wie Unternehmen funktionieren und arbeiten, massiv umkrempeln. Die Welt der Geschäftsprozesse ändert sich, prognostizierten die DSAG-Vertreter. Branchen würden Business Eco-Systeme bilden und sogar teilweise miteinander verschmelzen. Daten selbst entwickelten sich mehr und mehr zu einem Geschäftsmodell. Auch in den Unternehmen selbst stünden der Anwendervertretung zufolge weitreichende Veränderungen an. Software durchdringe demnach immer tiefer die Geschäftsprozesse und beziehe Konsumenten wie Kunden stärker in die Abläufe mit ein.

Das hat weitreichende Konsequenzen: Die damit einhergehende digitale Transformation von Prozessen und Geschäftsmodellen wird für alle Unternehmen große Herausforderungen mit sich bringen, lautete die Vorhersage der DSAG-Vertreter. Beispielsweise werde sich die Komplexität der Prozesse in den Unternehmen massiv erhöhen, sagte Lenck unter Verweis auf die eigene DSAG-Umfrage.

Business Transformation ohne Reibungsverluste

Ein Mittel, die anstehenden Herausforderungen zu meistern, ist aus Sicht der DSAG IT. Daraus resultiert offenbar auch der Anspruch der Anwender an ihren PartnerSAP, gemeinsam daran zu arbeiten, die Business Transformation möglichst ohne Reibungsverluste zu gewährleisten. Allerdings wandelt sich offensichtlich auch das Verhältnis zwischen IT-Lieferanten und den Anwenderunternehmen. Jedenfalls fragten sich die DSAG-Vertreter: Welche Rolle wird SAP in diesem Szenario besetzen? Was bedeutet die Position als Softwarehersteller von integrierten Geschäftsprozessen, Business Networks und hybriden Geschäftsplattformen? Welche Bedeutung haben andere Player auf dem Softwaremarkt?

War SAP in der Vergangenheit schlichtweg in vielen Unternehmen gesetzt, wird das Standing des Softwarekonzerns von den Kunden heute zumindest hinterfragt. Zwar bezeichneten vier von fünf befragten SAP-Anwendern das Softwarehaus aus dem Badischen als wichtigen beziehungsweise sehr wichtigen Partner für die eigene Business Transformation. Für fast jeden fünften SAP-Kunden ist das jedoch nicht der Fall, rechnete DSAG-Vorstand Lenck explizit in seiner Keynote vor. Außerdem würden sich knapp zwei Drittel der SAP-Anwender auch mit anderen Softwareanbietern wie Microsoft, Salesforce und IBM beschäftigen.

SAP-Anwender fordern stabile Kernsysteme

Gegenüber ihrem Softwarelieferanten formulierten die SAP-Kunden klare Anforderungen. Neue digitale Prozesse brauchen stabile Kernsysteme, die sich erweitern, modifizieren oder ergänzen lassen. Lenck setzt an dieser Stelle auf die klassische Business Suite. Das sei eine stabile Plattform, in die Anwender in den zurückliegenden Jahren viel Geld und Arbeit gesteckt sowie mit großem Aufwand jede Menge Knowhow aufgebaut hätten. Das wollten die Anwender in erster Linie bewahren. SAP hat zwar bereits eine Wartung dieser Plattform bis 2025 zugesichert. Doch das reicht den Anwendern nicht. "Wir brauchen eine Vision auch über 2025 hinaus", stellte Lenck klar.

DSAG-Vorstand Marco Lenck verlangt von SAP für die bewährte Business Suite eine Perspektive über das bis dato zugesicherte Jahr 2025 hinaus.
DSAG-Vorstand Marco Lenck verlangt von SAP für die bewährte Business Suite eine Perspektive über das bis dato zugesicherte Jahr 2025 hinaus.
Foto: DSAG

Mit Blick auf die jährlich fälligen Wartungszahlungen forderte die DSAG eine adäquate Weiterentwicklung der Bestandslösungen, die nicht zu Gunsten von Neuprodukten wie S/4HANA ausfallen dürfe. Auch die Qualität der gelieferten Systeme müsse sichergestellt sein. "Wir brauchen mehr Prozessqualität in Form von fehlerfrei gelieferten Lösungen, das hilft Unternehmen bei ihrer Digitalisierungsstrategie", erklärte Lenck und ergänzte: "In Zukunft müssen Softwarelösungen einfach zu betreiben sein, sonst werden Unternehmen bei ihren Digitalisierungsvorhaben zu sehr aufgehalten." Beispielsweise seien Ausfallzeiten im Zusammenhang mit Upgrades künftig nicht mehr akzeptabel. Außerdem erwarteten die Anwender eigenen Angaben zufolge mehr Funktionalität und eine bessere Integration der Lösungen. Zudem mahnten die Kunden aussagekräftige Roadmaps an, um die nächsten Jahre planen zu können.

SAP dient sich als Transformationspartner an

Aus Sicht von SAP-Vorstand Bernd Leukert war mit S/4HANA ein Sprung auf eine neue Softwaregeneration notwendig, um die Anforderungen der Kunden hinsichtlich der digitalen Transformationen erfüllen zu können.
Aus Sicht von SAP-Vorstand Bernd Leukert war mit S/4HANA ein Sprung auf eine neue Softwaregeneration notwendig, um die Anforderungen der Kunden hinsichtlich der digitalen Transformationen erfüllen zu können.
Foto: DSAG

SAP signalisierte, zumindest ein offenes Ohr gegenüber den Anwenderforderungen zu haben. Der für Technologie und Innovation zuständige SAP-Vorstand Bernd Leukert verglich die Business Transformation mit einem stürmischen Weg und versprach auf dem DSAG-Kongress, SAP wolle sich als Partner dafür anbieten. Als größte Herausforderung für die Anwender sieht der SAP-Manager den Spagat zwischen den über Jahre hinweg gewachsenen, heterogenen und immer komplexer gewordenen Systemlandschaften auf der einen sowie der notwendigen Agilität und Flexibilität auf der anderen Seite. Die Lösung sei ein stabiler Kern mit einer agilen Umgebung.

Leukert brachte an dieser Stelle S/4HANA als Nachfolger der Business Suite und neue Software-Generation ins Spiel. Damit ließen sich IT-Infrastrukturen vereinheitlichen und vor allem vereinfachen, stellte er den Anwendern in Aussicht. S/4HANA könne Fundament und Schaltzentrale für die digitale Transformation sein. Dafür sei jedoch ein Sprung in der eigenen Softwareentwicklung notwendig gewesen, räumte der SAP-Vorstand ein. "Wir mussten etwas neu machen", sagte Leukert. "Es reichte nicht, nur neu zu denken." SAP-Angaben zufolge gebe es bereits rund 3700 Kunden für das Anfang vergangenen Jahres vorgestellte S/4HANA. Etwa 1300 davon seien mit der Lösung bereits live oder würden mitten in den Vorbereitungen dazu stecken. Leukert verwies zudem darauf, dass 40 Prozent der S/4HANA-Kunden Neukunden sei. Eine derart hohe Rate habe man für Produkte in der Vor-HANA-Ära selten erlebt.

Es gebe allerdings an der einen oder anderen Stelle Nachbesserungsbedarf, räumte Leukert auf dem DSAG-Kongress durchaus selbstkritisch ein. Er verwies unter anderem auf Redundanzen im eigenen Produktportfolio. Diese seien durch Zukäufe, aber auch durch eigene organische Softwareentwicklungen entstanden. Der SAP-Vorstand versprach, an dieser Stelle für mehr Klarheit zu sorgen, und kündigte an, dass der Softwarekonzern in Zukunft regelmäßig detailliertere Informationen über seine Produkt- und Entwicklungs-Roadmap - on-Premise wie für dieCloud - veröffentlichen werde.

Darüber hinaus will der Softwarekonzern Anwendern konkrete Empfehlungen geben, wenn diese unsicher seien, in welche Produkte sie investieren sollen. Mutmaßungen, SAP könnte in diesem Zusammenhang Produktlinien aufs Abstellgleis schieben und Lösungen abkündigen, wies Leukert zurück. SAP werde sämtlichen Wartungsverpflichtungen nachkommen, versicherte der Manager.