DSAG-Investitionsumfrage

SAP-Anwender - Spagat zwischen Digitalisierung und ERP-Hausaufgaben

17.02.2016
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Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Die SAP-Anwender stellen sich den Herausforderungen der Digitalisierung, hat eine Umfrage der Deutschsprachigen SAP Anwendergruppe (DSAG) ergeben. Gleichzeitig stehen aber nach wie vor jede Menge klassischer ERP-Hausaufgaben auf der To-Do-Liste vieler Unternehmen.

Die SAP-Anwender werden aktiv in Sachen Digitalisierung. Das hat die aktuelle Investitionsumfrage der Deutschsprachigen SAP Anwendergruppe (DSAG) ergeben. Mehr als jeder Dritte (36 Prozent) charakterisierte Investitionen in neue Geschäftsmodelle im Rahmen der digitalen Transformation als wichtig beziehungsweise sogar als sehr wichtig. Vor einem Jahr waren es gerade einmal 12,5 Prozent. 44 Prozent der befragten Anwender sind noch unentschieden, was Investitionen rund um die Digitalisierung betrifft, für jeden Fünften ist das Thema derzeit nicht wichtig.

"Neue Geschäftsmodelle und -prozesse sind wichtig, um im Wettbewerb gegen innovative und agile Start-ups zu bestehen", konstatierte der Vorstandsvorsitzende der DSAG Marco Lenck angesichts der Umfrageergebnisse. Diese Herausforderung für CEOs sei bei den CIOs angekommen. Die mit der Digitalisierung verbundenen Herausforderungen und Probleme würden zunehmend gemeinsam angegangen. "Der Aufbruch ins digitale Zeitalter erfolgt Seite an Seite", so Lenck. Ein Beleg dafür sei, dass Entscheidungen über SAP-Investitionen immer häufiger gemeinsam getroffen würden. In über der Hälfte der Unternehmen sei das bereits so, hat die DSAG-Umfrage 2016 ergeben.

SAP-Budgets wachsen weiter

Trotz aller Beteuerungen, sich den Herausforderungen der Digitalisierung stellen zu wollen, stehen im unmittelbaren SAP-Umfeld nach wie vor die Klassiker und die Kernprozesse im Fokus der Anwender. Insgesamt sollen die IT-Budgets 2016 laut der Umfrage um 2,7 Prozent wachsen, das ist weniger als im Vorjahr (3,5 Prozent). Die SAP-Budgets legen mit einem Plus von sechs Prozent dagegen überdurchschnittlich zu. Das ist ein Plus von 0,6 Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr. Die wichtigsten Investitionsfelder, in das Geld fließen soll, sind Logistik (46 Prozent der Nennungen), Marketing/Vertrieb/CRM (40 Prozent) und das Finanzwesen (32 Prozent). Die SAP-Projekte der befragten DSAG-Mitglieder drehen sich dabei vornehmlich um Themen wie Rollouts, Konsolidierung und Harmonisierung.

"Es sind die Kernprozesse, in die investiert wird", stellte Lenck mit Blick auf die Umfrageergebnisse fest. Das Gravitationszentrum der SAP-Universen in den Unternehmen bildet dabei nach wie vor die klassische Business Suite. "Die Business Suite ist der Investitionsschwerpunkt", sagte der DSAG-Mann, "und wird es auch auf Jahre hinaus auch bleiben". Aus Sicht des DSAG-Vorsitzenden bildet die Suite das Kernstück der Applikationslandschaften in den Unternehmen, das man auch nicht so schnell auswechsle.

Kaum Interesse an SAPs Cloud-Angebot

Allerdings wachse innerhalb der SAP-Klientel das Interesse an den neuen SAP-Produkten wie der In-Memory-Datenbank und -Plattform HANA sowie der neuen Anwendungsgeneration S/4HANA. Immerhin fast jeder Vierte (23 Prozent) würde dafür bereits Geld in die Hand nehmen. Lenck bezeichnete diese Zahlen für S/4HANA als "bemerkenswert". Dabei sei das Produkt noch recht jung. Allerdings gebe es in diesem Umfeld noch immer viele Fragen seitens der Anwender, vor allem viele offene Fragen, dämpft Lenck Erwartungen, die Anwender würden jetzt auf breiter Front auf SAPs neue Produktstrategie einschwenken.

Dass dem nicht so ist, zeigt auch die Tatsache, dass viele Unternehmen gerade den Cloud-Ambitionen SAPs noch immer die kalte Schulter zeigen. Die Softwerker aus dem Badischen versuchen seit einiger Zeit, ihr Geschäft vom klassischen Lizenz-Wartungs-Modell der On-Premise-Welt stärker in Richtung Cloud und Softwaremiete zu trimmen. Doch das stößt auf Seiten der Anwender auf wenig Interesse. Gerade einmal ein Prozent der Befragten gab an, konkret in die HANA Cloud Plattform (HCP) investieren zu wollen. Auch die anderen Cloud-Produkte der SAP landeten in der Investitionsumfrage mit nur wenigen Prozent der Nennungen abgeschlagen auf den hinteren Plätzen. Das ist ein Dämpfer für die Bemühungen der SAP-Verantwortlichen, ihr geschäft auf eine neue Basis zu stellen.

Anwender fordern Cloud-gerechtes Pricing

"Die HCP ist kein Produkt, das bereits im Markt angekommen ist", bilanzierten die DSAG-Verantwortlichen. An dieser Stelle sei noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten, was man damit im Unternehmen eigentlich machen könne. Vor allem ungeklärte Fragen in Sachen Datenschutz würden die Anwender davon abhalten, Cloud-Modelle zu nutzen. Rund die Hälfte der befragten DSAG-Mitglieder nannte dies als klares Hemmnis, in Cloud-Produkte zu investieren. Das Ende von Safe Harbour im vergangenen Jahr habe die Sorgen der Anwender weiter befeuert. Den jüngst ausgehandelten Privacy Shield zwischen der Alten und der Neuen Welt bezeichnete Lenck als Deckmäntelchen, das die wahren Probleme nicht aus der Welt schaffen könne. Hier sei vor allem die Politik gefordert, endlich Lösungen zu präsentieren.

Ein Cloud-gerechtes Pricing atmet in beide Richtungen, sagte DSAG-Vorstandsvorsitzender Marco Lenck auf den Technologietagen der Anwendervereinigung in Hamburg. Andere Anbieter seien hier weiter als SAP.
Ein Cloud-gerechtes Pricing atmet in beide Richtungen, sagte DSAG-Vorstandsvorsitzender Marco Lenck auf den Technologietagen der Anwendervereinigung in Hamburg. Andere Anbieter seien hier weiter als SAP.
Foto: DSAG

Von SAP fordern die Anwendervertreter endlich Cloud-gerechte Abrechnungsmodelle. Andere Anbieter wie Salesforce.com würden bereits echte Pay-per-Use-Modelle offerieren. Das scheint bei SAP offensichtlich nicht der Fall. "Ein Cloud-gerechtes Pricing atmet in beiden Richtungen", sagte Lenck, "und nicht in Rythmen von drei Jahren". Es könne nicht angehen, dass Unternehmen zwar jederzeit zusätzliche User dazu buchen könnten, diese aber nicht kurzfristig wieder von der Cloud-Rechnung nehmen könnten, wenn sie nicht mehr gebraucht würden. "Hier sind andere Anbieter weiter", stellte der DSAG-Vorstand fest.

Investitionen schützen - Bestandsprodukte weiter entwickeln

Auch hinsichtlich der neuen Applikationsgeneration S/4HANA sind die Forderungen der DSAG an ihren Softwarelieferanten eindeutig. Für die Anwendervertreter steht dabei der Investitionsschutz an erster Stelle. SAP stehe in der Pflicht, seinen Kunden die notwendige Software für die anstehende Digitalisierung bereit zu stellen. Das gelte aber nicht nur für neue Software, sondern genauso für die Bestandsprodukte. Schließlich würden die Anwender mit ihren Wartungsgebühren die Entwicklung von SAP finanzieren.

In einem Positionspapier zu S/4HANA hat die DSAG die aus ihrer Kundensicht wichtigsten Aspekte zusammenfasst. Demnach fordern die Anwender, dass alle bisherigen Anwendungen in der Business Suite inklusive der Branchenlösungen auch zukünftig in S/4HANA ohne Funktionalitätsverlust betrieben werden können. Die Hoffnungen ruhen dabei in erster Linie auf dem Update, das im Herbst 2016 herauskommen soll. Vergangenes Jahr habe SAP im November-Release vor allem Datenstrukturen bereinigt und neue Datenmodelle eingerichtet. In Sachen Geschäftsfunktionalität habe es dagegen wenig Neues gegeben. "Darauf warten wir noch", sagte Lenck.

Klare Absage an Datenbank-Monopol

In der Frage nach der zugrunde liegenden Datenbank fordern die Anwendervertreter mehr Flexibilität. "Wir halten es darüber hinaus für wichtig, dass S/4HANA zeitnah auch auf alternativen Datenbanken betreibbar ist", nannte Hans-Achim Quitmann, DSAG-Vorstand Technologie, als weiteren zentralen Punkt aus dem Positionspapier. "Wir wollen mehr Plattformen zur Auswahl und keine Monopolstrukturen", hieß es. Prinzipiell gebe es seitens SAP zwar Bereitschaft, darüber zu diskutieren, sagte Lenck. Es sei aber eine Frage der Zeit und wie stark der Druck von Seiten Anwender ausfalle.

Hans-Achim Quitmann, DSAG-Vostand für den Bereich Technologie, forderte mehr Datenbank-Plattformen zur Auswahl. Neuen Monopolstrukturen erteilte der Anwendervertreter eine klare Absage.
Hans-Achim Quitmann, DSAG-Vostand für den Bereich Technologie, forderte mehr Datenbank-Plattformen zur Auswahl. Neuen Monopolstrukturen erteilte der Anwendervertreter eine klare Absage.
Foto: DSAG

Gerade an dieser Stelle bleibt derzeit jedoch noch vieles vage - gerade in technischer Hinsicht. SAP müsste, um den Forderungen der Anwender entgegenzukommen, seine auf die In-Memory-Technik von HANA angepasste Anwendungslogik offenlegen und anderen Datenbankanbietern wie IBM, Microsoft und Oracle zur Verfügung stellen. Diese wiederum müssten ihre Datenbanken entsprechend anpassen, damit die neuen SAP-Anwendungen mit alternativen Datenbanken genauso funktionierten wie mit SAPs HANA.

Ob das passieren wird, ist allerdings noch völlig offen. So ist derzeit zu beobachten, dass auch andere Anbieter - genau wie SAP - Anwendungs- und Datenbank-Layer wieder enger zu einem mehr oder weniger geschlossenen proprietären Stack verbinden. Microsoft macht dies mit seinen Dynamics-Anwendungen und dem SQL-Server, Oracle mit seinen Fusion-Anwendungen und der hauseigenen Oracle-Datenbank. Von der in der Vergangenheit viel beschworenen Offenheit, scheint derzeit wenig übrig zu bleiben.