Sanitärbranche probt Kommunikations-Normung:Auftragsübermittlung via Btx von Programm zu Programm

18.09.1987

*Dieter Bülow ist als freier Fachjournalist in Hattingen tätig.

Zwei Unternehmen der Sanitärbranche, das Großhandelsunternehmen Otto Steiner KG in Köln und die Armaturenfabrik Grohe in Hemer, praktizieren eine "Programm-zu-Programm-Kommunikation" eigener Art zwischen einer /36 und einer 4381: Sie wickeln via Btx ihre Auftragsübermittlung ab. Die Entwicklung, die inzwischen auch von anderen Unternehmen der Branche übernommen wurde, skizziert Dieter Bülow*.

Die Sanitärbranche hat eine Kundschaft, deren eigene Termine häufig von denen anderer abhängen: Eine schnelle Lieferung ist daher besonders wichtig. Bei der Auftragsübermittlung können ein oder zwei eingesparte Tage einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil bedeuten.

Das Sanitär-Großhandelsunternehmen Otto Steiner KG in Köln und die Armaturenfabrik Grohe in Hemer haben mit Erfolg eine Methode eingeführt, mit der beliebige DV-Anlagen, hier eine IBM /36 und eine IBM 4381, auf denen völlig verschiedenartige Programme laufen, mit minimalem Vorbereitungsaufwand direkt untereinander kommunizieren Ebensogut könnte es sich um Rechner unterschiedlicher Anbieter wie Siemens, DEC, Nixdorf, NCR etc. handeln. Die einzige - und von allen gängigen Systemen erfüllte - Voraussetzung besteht darin, daß ein File-Transfer zu und von PCs unter MS-DOS vorgesehen ist. Die PCs kommunizieren auf drei normierten Ebenen: über Btx, mit Hilfe einer "Auftrags-Element-Kennzeichen" genannten, gegenseitigen Vereinbarung sowie der von Infomedia, Köln entwickelten Vermittlungs-Software . "Datatrans".

Der Benutzer sendet in den Btx-Briefkasten hinein. Dafür benutzt er aber nicht die öffentliche Mitteilungsseite 810, sondern die Infomedia-Seite 311134001, für die keine Anbietergebühr erhoben wird. Sie Läßt 21 Btx-Zeilen frei, im Gegensatz zu 14 der Post. Das liegt daran, daß Sender- und Empfängerangaben für den PC ohne Rücksicht auf "Bedienerfreundlichkeit" gepackt werden konnten, auf die die Post verständlicherweise Rücksicht nimmt: Eine bequeme Eingabemaske kreiert die Spezial-Software .

Postalisch handelt es sich um eine offene Benutzergruppe. Tatsächlich ist sie logischerweise geschlossen denn ohne Datatrans-Software funktioniert das Ganze nicht: Diese übersetzt von der ASCII-Datei in den CEPT-Code und zurück und übernimmt die Zuordnung zu den Dateien der beiderseitigen Hosts.

Als Kommunikations-PC setzt die Otto Steiner KG einen Commodore PC 20 mit Rafi-Karte für den Btx-Übergang und 20-MB-Festplatte ein. Nebenbei dient er als Back-up für das Hauptsystem IBM /36. Bei Ausfall könnte er die Standorte aller Artikel in dem großen, chaotisch angelegten und DV-gesteuerten Lager präsentieren. Die Armaturenfabrik Grohe benutzt als Kommunikationsgegenstück einen IBM PC-XT.

Den Datenfeldern auf der Sender- wie auf der Empfängerseite werden einmalig die "Auftrags-Element-Kennzeichen", abgekürzt AEK, zugeordnet. Die AEK können auf fünf Stellen erweitert werden, um zusätzliche, individuelle Varianten zu erlauben. Bei dieser Gelegenheit sei erwähnt, daß sich das Verfahren auf alle Arten von Datenübermittlungen anwenden läßt, jedoch ist die Auftragsübermittlung als Kernstück aller Wirtschaftstätigkeit vorderhand die zukunftsträchtigste. Auf die beschriebene Weise werden alle Kopfdaten, Positionsdaten und gegebenenfalls Texte eingeordnet. Das Verfahren funktioniert für Batch-Programme ebenso wie für interaktive Programme mit Eingabemasken etc. Die Reihenfolge der AEK ist selbstverständlich beliebig. Umgruppierungen entsprechend der Reihenfolge des Host-Programms erfolgen automatisch.

Die Geschäftspartner Otto Steiner KG als Großhändler und die Friedrich Grohe Armaturenfabrik als Lieferant haben die Methode Ende 1986 als Pilotprojekt eingeführt. Dabei war noch viel zeitraubende Pionierarbeit zu leisten. Heute sollen die Eingaben , für das Anpassungsprogramm nicht mehr als einen halben Tag in Anspruch nehmen.

Inzwischen haben sich auch die Hersteller Ideal Standard, Bonn, und Keuco, Hemer, sowie der Sanitärgroßhandel Mosecker in Münster dem AEK-Verfahren angeschlossen - andere bekannte Namen der Branche stehen kurz davor.

Aus Sicht der Otto Steiner KG ergeben sich mit dem Verfahren zwei Vorteile: Der Aspekt, der Datensicherheit bedeutet eine weitere Beschleunigung den Geschäftsvorgangs. Vorher gab es die Fehlerquelle der Dateneingabe beim Auftragnehmer; im Schnitt zehn Bestellungen, das heißt drei bis fünf Prozent des Volumens pro Woche, wurden bei konventioneller Bestellung falsch ausgeliefert. Was heute von DV-Anlage zu DV-Anlage automatisch erfolgt, mußte vorher in zwei Schritten erfolgen: Da die internen Auftrags- und Lagernummern des Großhandels oft nicht identisch mit den Artikelnummern des Herstellers sind, wurden sie nach konventioneller Methode von einem Sachbearbeiter beim Großhändler oder beim Hersteller "übersetzt". Was dabei herauskam, wurde beim Auftragnehmer am Terminal erfaßt, Das sind zwei hintereinandergeschaltete Fehlerquellen. Heute finden sich im PC Tabellen, die die Zuordnung automatisch vornehmen.

Beim Postversand von Bestellungen, die vom Computer ausgedruckt wurden, rechnete die Steiner KG zwei Mark pro Auftrag. Bei 50 Bestellungen sind das 100 Mark pro Tag. Via Btx kostet jede Seite neuerdings 40 Pfennig: Für 50 Bestellungen sind das 20 Mark. Im Acht-Minuten-Takt gehen vier Bestellungen auf eine Einheit für 23 Pfennig, also weniger als drei Mark pro Tag. 23 Mark auf der Btx-Seite bedeuten also täglich 77 Mark Ersparnis gegenüber der konventionellen Methode. Bei rund 250 Arbeitstagen im Jahr spart das Unternehmen mithin gut, 19 000 Mark.

Das System mit Commodore PC 20, Rafi-Karte, Drucker MPS 2000 und Datatrans-Software kostet nicht einmal 9000 Mark (rund 4300 Mark für Rechner und Drucker, 4500 Mark für Datatrans). Die Anlage hat sich folglich bei dem Kölner Sanitärgroßhandel in weniger als einem halben Jahr amortisiert.

Europäische Projekte Odin und Ovide

Sicher ist, daß auf der Basis der heute existierenden unterschiedlichen Lösungen eine funktionsfähige internationale, ländergrenzenübergreifende Lösung für den internationalen Videotex-Verkehr erschwert wird. Auch die Schaffung von Endgeräten mit Vielfach-Standards (Multi-Standard-Terminals) ist wahrscheinlich keine tragfähige Lösung für die Zukunft. Es bleibt nach wie vor die Frage offen, inwieweit die Postverwaltungen im Rahmen der CEPT beziehungsweise der CCITT weltweit in absehbarer Zeit in der Lage sind, die notwendigen Standards zu schaffen. Dies gilt in gleicher Weise für die ISO, die Internationale Standardisierungs-Organisation.

Man muß bei der Einführung neuer Standards allerdings bedenken, daß heute schon in einzelnen Ländern Investitionen in mehrfacher Millionenhöhe bei den großen Informationsanbietern getätigt wurden, um diese Systeme an die jeweiligen nationalen Videotex-Netze zu koppeln.

Neuer Videotex-Standard bedingt neue Investitionen

Die Einführung eines neuen Standards im internationalen Bereich würde hier eine Neu-Investition erfordern. Das gleiche gilt natürlich im Endgerätebereich. Allerdings muß man bei einer internationalen Standardisierung die Sogwirkung des Marktes bedenken und die sich daraus ergebenden Möglichkeiten für die Endgeräte- und Systemhersteller: Ein international einheitlicher Standard würde die Absatzmärkte für Informationsangebote, Dienstleistungen, Endgeräte und Host-Systeme vervielfachen und damit wieder die Informationsanbieter und Hersteller auf den Plan rufen, die heute ihre Aktivitäten im Videotex-Bereich gedrosselt haben.