SaaS: Wunschkonzert für Softwaremieter

21.06.2007
Von Thomas Sprenger
Softwaremiete (Software-as-a-Service oder SaaS) verspricht Flexibilität bei Kosten und Nutzung – mitunter zum Preis geringerer Funktionen. Hosting-Dienstleister und Softwarehäuser bemühen sich, Mietlösungen an spezielle Kundenwünsche anzupassen und besser in bestehende IT-Landschaften zu integrieren.

Die Marktforscher setzen auf das Thema Software-as-a-Service. Zum Beispiel sah Gartner in einer Analyse aus dem vergangenen Herbst die Alternative zum Lizenzkauf schon auf dem Weg zum Mainstream. Doch der Markt reagiert nach wie vor skeptisch. Der Grund für die Zurückhaltung: Mietlösungen lassen sich nur eingeschränkt an die besonderen Ansprüche eines Unternehmens anpassen. Um Vorteile bei Kosten und flexibler Nutzung zu realisieren, betreiben Hosting-Anbieter Applikationen in großen "IT-Fabriken". Entsprechend müssen sich Unternehmen mit Standardinstallationen zufriedengeben. In vielen Anwendungsfällen ist das kein Problem. Schwierig wird es hingegen bei speziellen Anforderungen, etwa bei Branchensoftware.

Hier lesen Sie ...

  • wie SaaS auch bei Branchenlösungen Fuß fasst;

  • wie Unternehmen SaaS-Angebote an ihren Bedarf anpassen;

  • wie hybride Angebote Mietsoftware flexibler machen;

  • wo die Grenzen der Anpassungsfähigkeit liegen.

Mittelfristig wird sich dieser Trend allerdings wieder umkehren, erwartet Andreas Stiehler, Analyst bei Berlecon Research. Die Industrialisierung bei IT-Services führte bisher zur Konsolidierung und Konzentration im Anbietermarkt. Künftig werde der hohe Standardisierungsgrad dagegen ein erneutes Aufbrechen der Lieferkette begünstigen, so Stiehler. Denn je mehr einzelne Komponenten beim Outsourcing, wie etwa der Betrieb von Software in einem Rechenzentrum, zur "Commodity" reifen, desto eher lassen sich diese wiederum an Spezialisten auslagern.

Das Outsourcing des Outsourcings

Auch wenn viel über SaaS geredet wird, ist das Interesse mittelständischer Unternehmen noch nicht so groß. Die Unsicherheit über die tatsächlichen Kosten sowie enge Bindung zum Software-Lieferanten zählen zu den Hindernissen. Teilweise gehen die Softwarehäuser aber dazu über, selbst SaaS-Angebote zu schnüren.
Auch wenn viel über SaaS geredet wird, ist das Interesse mittelständischer Unternehmen noch nicht so groß. Die Unsicherheit über die tatsächlichen Kosten sowie enge Bindung zum Software-Lieferanten zählen zu den Hindernissen. Teilweise gehen die Softwarehäuser aber dazu über, selbst SaaS-Angebote zu schnüren.
Foto: Forrester Research

Hierbei entledigen sich nicht nur große Anbieter margenschwacher Teile ihres Geschäfts an kleinere Zulieferer. Das Outsourcing von Outsourcing-Diensten bietet gerade mittelständischen Partnernetzwerken die Chance, auf dem wachsenden SaaS-Markt Fuß zu fassen. Bisher fand sich im Mietsortiment vieler Dienstleister kaum Branchen- und Spezialsoftware. Solche Lösungen erweitern meist Standardsysteme wie die von SAP um branchen- oder abteilungsspezifische Funktionen. Spezialisierte Integratoren schnüren daraus Softwarepakete, die sie in die Prozesslandschaft ihrer Kunden einpassen. Doch derartige "Sonderwünsche" lassen sich nur schwer in standardisierten IT-Fabriken abbilden.

Zudem fehlt den meist mittelständisch geprägten Software- und Beratungshäusern das erforderliche Hosting-Know-how. Um ihre Applikationen über das Internet zu vermieten, müssen sie Rechenzentrumskapazitäten aufbauen. Ein komplett neues Geschäftsmodell. Diese Investitionen können sie sich allerdings nicht sofort wieder bei ihren Kunden zurückholen. Stattdessen kooperieren Softwarehersteller und Integratoren neuerdings mit spezialisierten Hostern. Ergebnis: Während der eine Partner die Anwendungen betreibt, passt der andere die Lösung an die besonderen Prozesse des Kunden an und kümmert sich um den Service.

Mieter aus Überzeugung

Anklang finden solche mittelständischen Netzwerkangebote wiederum vor allem bei kleinen und mittleren Unternehmen. So mietet das Verlagshaus Langenscheidt heute seine Personal-Management-Software von dem Beratungsunternehmen Perkura, das die Human-Resource-Lösung "Loga" vom Hersteller P & I in Lizenz nimmt und bei einem spezialisierten Hoster betreiben lässt. "Ohne dieses Modell könnten wir unsere Dienste nicht als SaaS anbieten. Den Unternehmen bliebe in diesem Fall nur die Alternative Eigenbetrieb oder der Gang zu Rechenzentrumsbetreibern, die sich allerdings nicht mit den HR-Prozessen beim Kunden auskennen", erklärt Markus Birk, geschäftsführender Gesellschafter bei Perkura.

Vor dieser Wahl stand auch die Personalabteilung von Langenscheidt. Der Münchner Fremdsprachenspezialist betreibt seine Personal-Management-Software aus Kostengründen seit Jahren nicht mehr auf hauseigenen Systemen. Trotzdem musste Personalchef Hannes Mühldorfer dem letzten Softwarevermieter kündigen. Die eingesetzte Anwendung ließ sich nur mit großem Aufwand an ständig sich ändernde Gesetze anpassen. Um etwa die pauschale Kirchensteuer für jeden Mitarbeiter individuell abzurechnen oder um neue Teilzeitmodelle einzuführen, hätte die Standardinstallation um zusätzliche Module erweitert werden müssen. "Zu teuer", entschied Mühldorfer, "da wir ständig neue Vorgaben des Gesetzgebers beachten müssen."

Fester Ansprechpartner für das Hosting und die Software

Doch die Software von einem großen Rechenzentrum zu mieten kam für den Verlag nicht in Frage. "Mit einem Aufkommen von rund 250 Lohnabrechnungen pro Monat sind wir nicht groß genug für derartige Anbieter. Denn bei technischen Problemen und Vertragsfragen würden Konzernkunden vorrangig bedient werden, allein schon aufgrund ihres Auftragsvolumens", so Mühldorfer. Stattdessen arbeitet Langenscheidt mit dem Mittelständler Perkura zusammen. Um die HR-Lösung auch als SaaS zu vermarkten, kooperiert das Beratungshaus mit dem ITK-Outsourcing-Anbieter Pironet NDH. Dieser stellt die Rechenzentrumsinfrastruktur für die Loga-Suite bereit.

Als zentraler Ansprechpartner fungieren dabei die Perkura-Berater, damit die Aufgabenteilung zwischen Softwarehersteller, Consulting und Hoster nicht zu Lasten des Kunden geht. "Das hat sich in der Praxis bewährt", meint Mühldorfer. "Wer unsere Mitarbeiter schult oder ein technisches Problem löst, ist uns gleich. Entscheidend ist, dass wir immer einen festen Ansprechpartner haben, der unsere Arbeitsweise kennt."

Hybridantrieb für SaaS

Aufgrund eines anderen Softwarekonzepts kann Langenscheidt trotz SaaS nun auch besondere Anforderungen der Verlagsbranche sowie des eigenen Unternehmens abbilden. Neben bundes- und landesweit geltenden Rechtsvorschriften unterstützt das eingesetzte Loga-System standardmäßig auch Branchenspezifika wie etwa Tarifverträge. "Wir können aber genauso betriebseigene Vereinbarungen wie zum Urlaubs- oder Weihnachtsgeld in der Gehaltsabrechnung niederlegen oder neue Lohnarten einrichten", sagt Rose-Marie Minth, zuständig für die Gehaltsabrechnung der Langenscheidt-Mitarbeiter.

Hierzu praktizieren die Dienstleistungspartner ein hybrides SaaS-Modell. Perkura-Chef Birk: "Bereiche der Software mit landes- oder branchenweit geltenden Vorschriften lassen sich gut standardisieren. Da wir mit einem spezialisierten Outsourcer zusammenarbeiten, erzielen wir hierüber die bei SaaS-Diensten nötigen Skalenvorteile. Hiervon trennen wir Bereiche mit spezieller Parametrisierung, die nur die betriebseigenen Anforderungen eines Kunden berücksichtigen." Für Personalchef Mühldorfer geht die Mischkalkulation auf: "Wir arbeiten mit einem Dienstleister in der passenden Größe, der unser Geschäft kennt. Das SaaS-Modell lässt uns zudem genügend Spielraum, auch Sonderwünsche zu erfüllen. So können wir durch SaaS Kosten sparen, ohne dass dabei Besonderheiten unseres Arbeitsfelds unter den Tisch fallen müssen."

SaaS setzt der Anpassbarkeit Grenzen

Allerdings kennt Mühldorfer auch die Grenzen des SaaS-Modells: "Als Softwaremieter müssen sie gewisse Vorgaben akzeptieren. Eingriffe in grundlegende Parameter wie die Nutzerrechteverwaltung lassen sich nicht verändern." Entsprechend müssten sich Unternehmen vor der Entscheidung für oder gegen SaaS fragen, welche Funktionen sie später in der Praxis wirklich brauchen, so Mühldorfer: "Je mehr Sonderwünsche Sie umsetzen wollen, desto geringer sind später die Kostenvorteile bei der Softwaremiete.

Flexibilität durch SOA

Ein anderes SaaS-Konzept nutzen mittelständische Energieversorger. Statt die kompletten Programme über das Netz zu mieten, bietet sich Unternehmen inzwischen auch die Möglichkeit, typische Arbeitsabläufe wie etwa die Zählerstandmessung in Form von Web-Services nach Bedarf zu nutzen.

Voraussetzung dafür ist, dass der IT-Provider nach dem Konzept der "Service-orientierten Architektur" (SOA) seine Software in kleine, spezialisierte Module aufteilt, die miteinander zu koppeln sind. Auf diese Weise verlagert sich mit dem Schritt zur Softwaremiete nicht mehr nur der Standort von Servern. Betroffen ist auch die Art, wie Unternehmensanwendungen entwickelt werden. Wie viele andere Softwarehaus hat auch Neutrasoft vor einigen Jahren damit begonnen, seine branchenspezifischen Softwareprogramme für Versorgungsunternehmen inklusive ERP-Lösung SOA-fähig zu machen. Die Software wird dabei in einzelne, bewegliche Bausteine "aufgespalten", die wiederum anschlussfähig an die anderen Module sind. Dadurch können Versorger Abläufe wie Zählerfernauslesung, Abrechnung und Energiedaten-Management als Web-Services nutzen. Das Hosting übernimmt auch bei Neutrasoft ein spezialisierter ITK-Outsourcer. Mithin lässt sich durch SOA die Flexibilität von SaaS noch steigern.

Der Druck auf die Versorgerbranche, den IT-Bedarf eng an den Geschäftsverläufen auszurichten, wird sich weiter erhöhen - bedingt durch die Vervielfachung der Aufgaben und IT-Prozesse, die das neue Energiewirtschaftsgesetz mit sich bringt. "Mit der vom Gesetzgeber geforderten Trennung von Netzbetrieb, Stromproduktion und Vertrieb steigt die Zahl der Verwaltungsprozesse, für die wir spezielle IT-Lösungen benötigen", sagt Wilhelm Hengge, Geschäftsführer des Elektrizitätswerks Bad Hindelang im Oberallgäu. Aber nicht jeder will eine ganze ERP-Suite kaufen oder mieten, um beispielsweise den Anbieterwechsel eines Stromkunden mit dem Mitbewerber automatisiert abzuwickeln.

Darum entschied sich auch Softwarehersteller Neutrasoft beim Ausbau des SaaS-Geschäfts, die eigene Produktpalette zugleich in Web-Services aufzuspalten. So können Nutzer anderer ERP-Anwendungen, sofern sie der SOA-Architektur folgen, etwa den Anbieterwechsel trotzdem auf Basis der Neutrasoft-Lösung steuern. Da der entsprechende Prozess über die Aufrufe von Web-Services genau für diese Aufgabe konzipiert wurde, lässt sich die Bearbeitungszeit reduzieren.

Karl-Heinz Gorbach, kaufmännischer Leiter des Stromversorgers Weißachtal-Kraftwerke eG in Oberstaufen/Bayern mit 20 Mitarbeitern und rund 8000 Kunden, bezieht Neutrasoft wie sein Kollege Hengge als SaaS. Er ist davon überzeugt, dass gerade die vielen kleinen, regionalen Versorger vom Einsatz gemieteter Web-Services profitieren werden: "Wie alle Energieversorger müssen auch wir Erzeugung, Netzbetrieb und Vertrieb von Strom getrennt ausweisen und mittels IT dokumentieren. Bei diesen komplexen Aufgaben senken wir durch SaaS unsere Kosten und erreichen mit Web-Services schlankere Prozesse, da wir nur tatsächlich benötigte Funktionen nutzen und bezahlen müssen." (fn)