SaaS krempelt die Branche um

10.01.2008
Von Alexander Kubsch
Software as a Service ist in aller Munde, die meisten Anbieter haben bereits Strategien dazu entwickelt und erarbeiten entsprechende Angebote. Und die Anwender geben ihre Zurückhaltung langsam auf.
Vor allem die geringe Bindung von Eigenkapital nennen die Befragten als Motiv für den Einsatz von Mietsoftware.
Vor allem die geringe Bindung von Eigenkapital nennen die Befragten als Motiv für den Einsatz von Mietsoftware.

Betrachtet man die reine Lehre von Software as a Service (SaaS), fragt man sich, warum sich künftig irgendein Anwender noch Software in das eigene Rechenzentrum holen sollte. Schließlich gehört es nicht zu den Kernaufgaben von Unternehmen, komplexe IT-Infrastrukturen vorzuhalten und sowohl personelle als auch finanzielle Ressourcen in nicht unbeträchtlichem Ausmaß für den Betrieb dieser Rechenzentren aufzuwenden.

Die Topline der Box

Hier lesen Sie ...

welche Veränderungen Mietangebote für die Softwarehersteller und deren Partner nach sich ziehen;

welche Auswirkungen sich aus dem veränderten Customizing der Software für Anwender ergeben;

welche Veränderungen im Markt für Software-Mietangebote zu erwarten sind.

SaaS verspricht hier Abhilfe auf die einfachste Art und Weise: Anwendungen werden nicht wie bisher als mehr oder weniger monolithisches Paket gekauft und im eigenen Rechenzentrum gehostet, sondern die Lösung läuft beim Hersteller der Software (oder bei dessen Hosting-Partner). Der Kunde greift lediglich über ein Frontend, in der Regel einen Web-Browser, auf die Daten zu - deshalb auch die Umschreibung als "Software aus der Steckdose". Dabei sollten sich Anwender Folgendes vor Augen halten: Die Bereitstellung funktioniert immer nach dem so genannten One-to-many-Prinzip, also die gleiche Lösung muss für viele Kunden passend und nutzbar sein. Ist man als Anwender davon überzeugt, ein einzigartiges Geschäft mit sehr speziellen Anforderungen an Software zu betreiben, wird man unter den SaaS-Angeboten sicherlich kaum fündig werden.

Der Wechsel wird einfacher

Grundsätzlich bietet SaaS aber einige nicht von der Hand zu weisende Vorteile und hat auf jeden Fall das Potenzial, das gesamte Softwaregeschäft grundlegend zu verändern. Zum einen verspricht das Konzept wesentlich mehr Updates und damit auch eine schnellere Behebung von Bugs und Sicherheitslücken. Mit diesen Updates würden dann nicht mehr die IT-Abteilungen beim Anwender lahmgelegt, sondern sie würden für die Kunden nicht spürbar im Rechenzentrum aufgespielt. Damit bekämen die Softwarehersteller wesentlich mehr Verantwortung für den reibungslosen Betrieb der Software beim Anwender - ihr Kontakt zum Kunden würde deutlich enger als heute, da in der Regel zwischen Hersteller und Kunde Partner oder Dienstleister eingeschaltet sind.

Zu dieser Nähe sind die Softhersteller auch deshalb gezwungen, weil sie ein wesentlich größeres Risiko haben, einen Kunden zu verlieren. Anwender können einfacher wechseln als mit einer heutigen On-Premise-Installation, also dem klassischen Betrieb im eigenen Rechenzentrum. Die Folge dieser neuen Flexibilität wird sein, dass im SaaS-Modell die Anbieter mehr, schnelleren und besseren Service bereitstellen, als es heute mit klassischer Software mit Maintenance-Vertrag möglich ist.

Fehlendes Customizing

Software, die für alle Anwender gleichermaßen passt, wird es natürlich eher selten geben. Vielmehr setzen Anbieter darauf, mit Hilfe von Softwaremodulen Ergänzungspakete für einzelne Branchen oder einzelne Aufgaben zu entwickeln oder entwickeln zu lassen. Diese Zusatzprodukte sollen das heute übliche Customizing der Lösung beim Anwender weitgehend ersetzen. Das hat große Auswirkungen: Anwender, die sich für SaaS entscheiden, werden auf einen gewissen Anteil an "customized" Funktionalitäten verzichten müssen. Diese Einschränkung ist gleichzeitig die größte Gefahr für die Verbreitung von SaaS-Angeboten in Deutschland, dem Land, in dem in Implementierungs-Projekten gern auch noch die allerletzte Anforderung aus dem Pflichtenheft - häufig auf Kosten künftiger Update-Fähigkeit der Lösung - detailgetreu umgesetzt wird.

Die SAP beispielsweise hofft mit ihrem neu vorgestellten SaaS-Paket "Business ByDesign" auf eine ausreichende Anzahl an Implementierungs- und Entwicklungspartnern, die von Projekt zu Projekt immer mehr Branchenspezifika in der Software abbilden. Diese werden anschließend auch anderen SAP-Kunden zur Verfügung stehen. Letztlich wird es eine Frage der Zeit sein, wann so viele Zusatzmodule realisiert sind, dass kommende Kunden tatsächlich "aus der Steckdose" bedient werden können. Um dieses Ziel zu erreichen, braucht es natürlich ein entsprechend großes und branchenkompetentes Entwicklernetzwerk, das langfristig nur relativ wenige Softwareanbieter aufbauen können. Wenn es gelingt, auf diese Art und Weise erfolgreich zu sein, sind die Renditeaussichten für Softwareanbieter gewaltig - sie können sich ein großes Stück von dem Kuchen abschneiden, den heute Systemintegratoren mit Implementierungsprojekten verdienen. Diese wären in einer SaaS-Welt nur noch nötig, um die Lösung für den Kunden in Betrieb zu nehmen und die passenden Funktionen auszuwählen.

Neue Rolle der Systemhäuser

In diesem Szenario wird auch die neue Rolle deutlich, die Systemhäuser spielen sollen: Sie sollen den Vertrieb erledigen. Genau das können aber die klassischen Systemhäuser am schlechtesten. Voraussichtlich wird sich deshalb in der zu erwartenden Lücke ein neuer Partnertyp entwickeln, der vor allem Kontakte "produziert" und diese an unabhängige Softwarehäuser oder Systemintegratoren weiterverkauft. Weniger vertriebsstarke Partner werden es auf die Dauer schwer haben und müssen sich auf die Entwicklung und Pflege zusätzlicher Branchenspezifika konzentrieren oder auf höherwertige Beratungsleistungen. Dazu werden auf der betriebswirtschaftlichen Ebene Prozessanalysen und -optimierungen gehören, auf der technischen Ebene werden der Aufbau und die Überarbeitung von Architekturen eine wesentlich stärkere Rolle als bisher spielen. Da die Integration der hinzugemieteten (oder selbst geschriebenen) Services in einer Service-orientierten Architektur (SOA) vergleichsweise leichtfällt, kommt dieser Dienstleistung künftig eine Schlüsselposition zu. Trotz dieser zusätzlichen möglichen Services stehen den Systemhäusern Umsatzeinbußen bevor, die ab dem nächsten Jahr zu ersten offenen Konflikten zwischen Softwareherstellern und ihren Partnern führen werden - schließlich arbeiten die Integratoren im SaaS-Modell zwangsläufig daran mit, ihr eigenes Geschäft auf lange Frist überflüssig zu machen.

Die Kosten für SaaS fallen nutzungsabhängig an. Je nach Anzahl der User, dem Umfang der genutzten Funktionen und dem Service-Level-Agreement, also der vereinbarten Verfügbarkeit der Lösung, wird nur das gezahlt, was auch genutzt wird.

Keine einfache Entscheidung

Bei CRM-Lösungen von Anbietern wie Salesforce.com liegt das zwischen zirka 60 und 100 Euro je Nutzer und Monat, SAP verlangt für sein ERP-Paket (in dem auch CRM-Funktionen verfügbar sind) 133 Euro. Verglichen mit einem Basispreis von etwa 1500 bis 3500 Euro pro Nutzer beim Kauf einer Software vergleichbarer Funktionalität - zuzüglich eines jährlichen Wartungsaufschlags von etwa 15 Prozent der Kaufsumme und der (meist internen) Kosten für den Betrieb der Lösung - ist das trotzdem keine einfache Entscheidung. In der Regel wird die SaaS dann günstiger sein, wenn beim Anwender im Fall des Kaufs zusätzlich die Infrastruktur für die Lösung geschaffen werden müsste. Können jedoch vorhandene Ressourcen, sowohl personell als auch in der IT-Infrastruktur, genutzt werden, ist in der Regel der Kauf der Software die günstigere Alternative. Ein anderes Kriterium kann der zu vermeidende Abfluss liquider Mittel sein. Besonders Kunden mit geringer Kapitaldecke werden sich möglicherweise eher für SaaS-Angebote entscheiden als andere. Plant der Anwender von vornherein, eine Lösung ohne größere funktionale Updates für die nächsten acht oder zehn Jahre in Betrieb zu nehmen, wie es heute bei mittelständischen ERP-Installationen die Regel ist, wird er sich stets für eine On-Premise-Installation entscheiden, sie ist auf einen so langen Zeitraum gerechnet immer preiswerter.

Veränderte Geschäftsmodelle

Aber auch Anbieter müssen genau rechnen, wenn sie vor der Entscheidung stehen, eine Software künftig nutzungsabhängig zu verkaufen anstatt bisher als Paket: Die Einnahmen für einen zusätzlichen Kunden fallen nicht mehr auf einmal an, sondern verteilen sich auf drei bis vier Jahre. Die dadurch entstehenden Ausfälle kann eigentlich kein Anbieter verkraften, bei börsennotierten Unternehmen würden Analysten eine Umsatz- und Ertragslücke nicht akzeptieren. Also bleibt nur, eine zusätzliche Lösung zu entwickeln, die möglichst wenig vom bisher bestehenden Geschäft kannibalisiert wird, beispielsweise für neue Zielgruppen.

Diesen Weg hat die SAP mit ihrem neuen Paket Business ByDesign eingeschlagen. Obwohl bereits drei Lösungen für annähernd den gesamten Markt existieren, wurde mit der Lösung eine neue Zielgruppe "erfunden"- nicht zuletzt, um die Börse zu beruhigen. Anders sieht es beispielsweise bei Microsoft aus, das mit Hosting-Angeboten für den Exchange Server in der Regel das eigene Produkt in der On-Premise-Installation angreifen dürfte. Allerdings ist das Produktportfolio von Microsoft so groß, dass diese Streckung des Umsatzes einiger weniger Produkte nicht stark ins Gewicht fällt. Problematisch wird es eher für mittelständische Softwareanbieter: Diese haben in einem bestehenden Produktportfolio kaum eine Chance, einen Systemwechsel zur nutzungsabhängigen Zahlung anzubieten.

(ciw)