Rund 80 Prozent der deutschen Rechenzentren steuern ihre Mainframes manuell:

RZ-Produktion steht oft auf wackligen Beinen

07.06.1985

Obwohl es inzwischen zum allgemeinen Erkenntnisstand jedes RZ-Leiters gehören müßte, daß ein Rechenzentrum wie ein industrieller Produktionsbetrieb zu betrachten und zu steuern ist, sprechen die Markttatsachen eine deutlich andere Sprache: Rund 80 Prozent der deutschen Rechenzentren verlassen sich anscheinend noch auf die manuellen Erfahrungen und Fertigkeiten ihrer Arbeitsvorbereiter und Operateure.

Anders ist es jedenfalls nicht plausibel zu erklären, daß den etwa 7500 in Deutschland installierten Großrechnern nur etwa 200 installierte, Softwarepakete zur RZ-Planung- und -Steuerung gegenüberstehen. Dabei sind die Probleme der Planung und Steuerung der RZ-Produktion immer schwieriger zu bewältigen:

- schnell wachsende Arbeitslast/ Jobanzahl bei zunehmenden Integrationsgrad durch Datenbankeinsatz und dadurch komplexe Job- und Dateiabhängigkeiten;

- kurzfristige Fachabteilungsterminwünsche

- Dienstleistungen für konkurrierende Betriebsarten wie planbare Produktions-Batch-Verarbeitung, nicht planbare Test-Batch-Verarbeitung, Produktions- und Test-Online-Datenbank, Timesharing-System wie TSO, Endbenutzersysteme wie VSPC oder angeschlossenen Mikros;

- Kommunikationsprobleme zwischen verschiedenen DV-Betriebsstätten wie AV, RZ, DE, Nachbearbeitung für einen Job;

- manuelle Rechnerbelegung überfordert Operating/AV, keine

Jobvorausplanung mit Terminen, Abhängigkeiten, Ressourcen.

Viele RZ-Leiter glauben allerdings selbst angesichts dieses sicher noch nicht vollständigen Problemkataloges immer noch, mit einem Bündel aus organisatorischen Maßnahmen, Betriebs-/Spoolingsystemfunktionen und Online-JCL-Hilfsmitteln ihr Rechenzentrum in den Griff zu bekommen; Kein Wunder, daß Brancheninsider und auch IBM (natürlich nur bei internen Besprechungen) von etwa 20 Prozent an täglichen Arbeitswiederholungen ausgehen. Wer sich ein typisches Großrechenzentrums-Mengengerüst mit täglichem Durchsatz von rund 800 Jobs (zu mehr als zwei Drittel DB-Anwendungen mit zeitlicher oder datenbezogener Abhängigkeit mit Joblaufzeit von 200 bis 250 CPU-Stunden) vor Augen hält, kann leicht die Kostendimensionen für den Rerun-Aufwand bei Maschinen- und Personalkosten abschätzen.

Manuelle Methoden gefährden die RZ-Produktion

Bei weitgehend manuellen AV- und RZ-Arbeitsmethoden ist die Sicherheit der RZ-Produktion nicht mehr zu gewährleisten. Derzeit noch gängige Planungsinstrumente reichen bei weitem nicht aus, die manuellen Eingriffe zu minimieren und den gesamten Produktionsablauf zu automatisieren. Typische Beispiele sind Procedures für Jobablaufsteuerung per Condition-Codes und für Jobdokumentation, TSO/ISPF für die Jobcontrol-Ererstellung und -prüfung oder statistische Batch-Terminplanungsprogramme ohne maschinelle Berücksichtigung von aktuellen Maschinenereignissen, Abhängigkeiten und Ressourcen.

Neben den allgemeinen Zielvorstellungen wie Termintreue gegenüber Fachabteilungen, optimale Ausnutzung aller DV-Betriebsmittel und Sicherung des gesamten Betriebsablaufes sind heute folgende Hauptforderungen an ein automatisch ablaufendes RZ-Planungs- und -Steuerungssystem zu stellen:

- Minimierung der JCL-Fehlerquellen bei Jobvorbereitung und Jobprüfung;

- automatische Übernahme von Jobprofilen für Planungszwecke mit Einrichtung einer Workload-Zentraldatei;

- maschinelle Termin-/Kapazitätsplanung unter Berücksichtigung von Abhängigkeiten, Terminen, Ressourcen mit kurz-, mittel- oder langfristigen Plänen für alle DV-Betriebsstätten;

- automatische Rechnerbelegung ohne jegliche manuelle Eingriffe von Operating und Arbeitsvorbereitung;

- ereignisabhängige Realtime-Joblaufsteuerung mit Online-Überwachung des laufenden Tagesplanes, mit automatischem Starten und Halten der Jobs und laufenden Planrevisionsmöglichkeiten.

Anhand der Leistungsmerkmale des RZ-Planungs- und Steuerungssystems HS 5000 werden im folgenden die wichtigsten Punkte verdeutlicht:

Stehen alle zur Bearbeitung innerhalb eines Tages anstehenden Aufträge fest, kann zur Terminisierung unter Berücksichtigung des Auftragsbestandes und der vorhandenen Kapazität ein Maschinenplan erstellt werden, der angibt, in welcher Reihenfolge und Zusammenstellung die Aufträge ablaufen sollen. Dabei sollte in zwei Phasen vorgegangen werden:

- Planung des Jobablaufs in einer Simulationsphase;

- Steuerung des Jobablaufs in der Realisierungsphase.

Bei einer maschinellen Jobstream-Zusammenstellung ergeben sich die Reihenfolge-Anforderungen wie auch bei manueller Arbeitsvorbereitung aus einem Anforderungskatalog, der aus den Bereichen Benutzer und Fachabteilung (Termine), Systemanalyse (Integration der einzelnen Sachgebiete), Programmierung (Programm- und Datenverzahnung) und Rechenzentrum (Systemanpassung, Dateiträgerwechsel, Papier) stammt.

Planelemente für Job-Stream stehen in der Soll-Tabelle

Die Reihenfolgebeziehungen werden dabei auf Planelemente-Ebene erfaßt, das heißt, zu jedem Planelement wird die Verkettung zu seinen unmittelbar notwendigen Vorläufern - sofern vorhanden - hergestellt. Die Reihenfolgestruktur des gesamten Jobprofils ist damit als zyklenfreier Netzplan mit den Planelementen als "Knoten" und den unmittelbaren Vorläuferbeziehungen als "Kanten" erfaßt.

Bei der Belegungsplanung werden die in den Job-Stream zu übernehmenden Planelemente zunächst in einer Soll-Tabelle zusammengestellt. Ergebnis der gesamten Ablaufsimulation ist der fertig geplante Jobstream, der sich durch schrittweise Übernahme der Planelemente aus der "Soll-Tab" in eine "Ist-Tab" aufbaut. Zu den einzelnen Abarbeitungsschritten werden die vorsortierten Planelemente aus der Soll-Tabelle in eine Entscheidungs- und Belegungs-Tabelle abgerufen und dann auf Reihenfolgezulassigkeit (sind Vorgänger bereits in der Ist-Tabelle), Ressourcenzulassigkeit (sind hinreichende Systemkopazitäten frei) sowie auf Prioritätenvergabe geprüft.

Ist eines dieser Kriterien nicht erfüllt, reiht sich das aktuelle Planelement in eine Warteschlange ein.

Der tatsächliche Job-Ablauf (Ist Belegung) wird regelmäßig mehr oder weniger stark vom Job-Ablauf plan (Soll-Belegung) abweichen. Das hängt unter anderem davon ab, wie das Betriebssystem reagiert, insbesondere beeinflußt durch Dialogsystem-Belastungen. Hinzu kommen Faktoren wie Prioritätsänderungen, Hardwarestörungen, Eingriffe des Operators oder unterschiedliches Daten-Aufkommen.

Schwerpunkt liegt auf der Stapelverarbeitung

Diese Abweichungen schwächen den Aussagewert der empirisch gewonnenen und laufend aktualisierten durchschnittlichen Belegungsinformationen. So liegen die charakteristischen Anwendungsgebiete computergestützte Planung und Steuerung zur Zeit nur bei der Teilmenge der DV-Produktion, die über Stapelverarbeitung abgewickelt wird. Immer wenn der für die Stapelverarbeitung typische Rhythmus der Datensammelphase, der Datenauswertung in einem Block und der Bereitstellung der Gesamtergebnisse für den jeweiligen Datenblock gegeben ist, liegt eine wesentliche Voraussetzung für die Anwendung eines Planungssystems vor.

Ein modernes Planungssystem sollte den größten Teil seiner erforderlichen Planungsinformationen aus den schon vorhandenen Job-Control- sowie SMP-Daten übernehmen und nach jedem Lauf auch wieder aktualisieren. Aufgrund ihres hohen Aktualitätsgrades und ihrer maschineller Pflege sind diese Daten ein wichtige Quelle für die Job- und Daten-Dokumentation.

Durch Schutzcodes sowie durch zusätzliche Angabe von Versionsnummern können alle gespeicherten Informationen vor unberechtigtem Zugriff geschützt werden. Außerdem ist es möglich, bestimmte Informationen vom Änderungsdienst auszuschließen. Jede durchgeführte Änderung ist nachvollziehbar, da festgehalten wird, wer, was, wann, wie geändert hat. Auch Systeme wie "RACF" und "Topsecret" werden unterstützt. Durch Eingabe verschiedener Werte über Hardware-Ressourcen können zudem unterschiedliche Konfigurationen simuliert und die Auswirkung auf den Maschinenbelegungsplan erkannt werden.

- Udo Kellerbach ist freier DV-Fachjournalist und -Berater in Bergisch Gladbach.