Runter mit den Softwarekosten

06.02.2008
Von Peter Schweizer
In vielen Unternehmen ist das Lizenz-Management eine unbeliebte Nebensache. Einsparungen im zweistelligen Prozentbereich haben die Swisscom IT Services AG von seinem Sinn überzeugt.

Die Verantwortlichen der Swisscom IT Services AG haben im Rahmen einer Initiative zur Kostenoptimierung die Sachkosten ihres Unternehmens auf den Prüfstand gestellt - darunter auch die Aufwendungen für die Software. "Eingesparte Lizenzkosten sind politisch neutral", erinnert sich Patrick Dudli, Mitglied der Geschäftsleitung und CFO bei Swisscom IT Services. "Niemand im Unternehmen muss den Gürtel enger schnallen, wenn sie nicht mehr anfallen. Daher erschienen uns die damals vom Projektteam in Aussicht gestellten Einsparpotenziale über die Einführung eines kontinuierlichen Lizenz-Managements besonders reizvoll."

Start auf der grünen Wiese

Das Lizenz-Management bei Swisscom IT Services war vor dem Start des Projekts eher Nebensache. Arturo Merlo, Projektleiter und heute Head of License Management bei Swisscom IT Services, kommentiert: "Die Verantwortungen waren unklar, wenn es um die Frage ging, wie viele Lizenzen von einer Software wir gekauft hatten. Ähnlich war es bei der Frage, wie viele eigentlich gebraucht werden." Wurde Software benötigt, hat man sie Merlo zufolge in der Regel einfach beschafft. Eine Prüfung, ob entsprechende Lizenzen nicht schon vorhanden waren, sei nur in ganz wenigen Fällen möglich gewesen. Wartungs- und Supportverträge habe das Unternehmen oft länger bezahlt, als man sie wirklich brauchte. Transparenz über die Investitionen, Kosten und das Vermögen habe beinahe vollständig gefehlt.

Das Unternehmen

Die Swisscom IT Services AG ist ein Schweizer Anbieter von Informatikdienstleistungen. Das Unternehmen beschäftigt rund 2700 Mitarbeiter und erzielte 2006 einen Umsatz von 836 Millionen Schweizer Franken (rund 500 Millionen Euro). Das Kerngeschäft umfasst die Integration und den Betrieb von komplexen IT-Infrastrukturen im Voll- und Teil-Outsourcing.

Um diese Missstände zu beheben, stellte der Dienstleister ein Projektteam "Licence Management Swisscom IT Services" (LMS) mit sechs ständigen Mitgliedern auf die Beine. Die drei während der gesamten Projektdauer eingesetzten Teammitglieder von Swisscom IT Services konnten jeweils 80 bis 100 Prozent ihrer Arbeitszeit in das Projekt einbringen. "Nachdem wir die aktuell existierenden Prozesse analysiert hatten, bekamen wir ein erstes Gefühl für den beträchtlichen Umfang der zu erwartenden Einsparpotenziale", berichtet Merlo.

Schritt eins: Kontoauszüge für die Bestandsaufnahme

Zunächst erhielten die im Betrieb verantwortlichen Personen eine Art Kontoauszug in Sachen Software. Daraus war ersichtlich, welche Software in der Vergangenheit angeschafft worden war. Verbunden wurde dies mit der Frage, ob die einzelnen Abteilungen diese Lizenzen noch weiter benötigten.

Bereits nach der ersten kaufmännischen Inventur waren die Ergebnisse beachtlich, berichtete das Projektteam. Eine durch den Softwareverantwortlichen nicht bestätigte Nutzung galt als nicht mehr benötigt. Der erste Kontoauszug führte zu Einsparungen von über 30 Prozent der geschätzten Gesamtkosten - unter dem Strich ein Betrag in zweistelliger Millionenhöhe.

Schritt zwei: Zentral gesteuerte Bestandsaufnahme

Für weitere Kostensenkungen sollte das Projekt LMS sorgen. Dabei standen insbesondere die Softwareinstallationen von insgesamt 2500 Clients und 7000 Servern auf dem Prüfstand. Das Lizenz-Management wurde für das ganze Unternehmen zentralisiert und systemübergreifend für Client, Midrange und Mainframe eingeführt.

Ursprünglich waren drei Monate eingeplant, um den kaufmännisch erworbenen Lizenzbestand zu erheben. Tatsächlich aber dauerte es über ein Jahr, bis alle Verträge geprüft waren. Das Projektteam musste jeden Vertrag in die Hand nehmen und verstehen. Merlo erinnert sich: "Schon in dieser Projektphase wurde klar, dass Lizenz-Management kontinuierlich nur Tool-unterstützt erfolgreich sein kann."

Die Prüfung ergab dem Lizenz-Manager zufolge einen Bestand an lizenzrechtlich relevanter Software von über 1000 Herstellern mit mehr als 130 000 Produktausprägungen. Eine Menge, die manuell dauerhaft nicht zu handhaben sei, so der Schluss der Verantwortlichen. "Da wir ein IT-Provider sind, ist diese Zahl sicher nicht repräsentativ", räumt Merlo ein. "Aber jedes größere Unternehmen sollte sich von dem verbreiteten Glauben verabschieden, dass es nur Software von fünf Herstellern einsetzt. Die Illusion ist schön. Die Realität aber eine ganz andere."

Schritt drei: Anforderungen für Lizenz-Management-Tool definieren

Damit es nicht bei einer Stichtagsprüfung bleibt, entschied sich Swisscom IT Services bereits während der Konzeptphase des Projekts, ein Lizenz-Management-Tool einzuführen. Das Ziel lautete, im zukünftigen Betrieb ein kontinuierliches Lizenz-Management mit minimalem manuellem Aufwand zu ermöglichen. Alle drei Monate sollten Softwareverantwortliche automatisch ihren Bestand validieren, um nicht wieder in alte Zeiten zurückzufallen.

Projektsteckbrief

Ausgangslage:

  • Lizenz-Management bei IT-Provider.

  • Eingesetzte Produkte von zirka 1000 Herstellern mit über 130 000 Produktausprägungen und knapp einer halben Million Nutzungsrechten.

  • Im Lizenz-Management-Betrieb 2500 Clients und 7000 Server (Endausbaustufe 13 000 Clients, 14 000 Server).

Resultate:

  • Einsparungen bei den Lizenzkosten im zweistelligen Millionenbereich (über 30 Prozent der Lizenz- und Wartungskosten).

  • Über 50 Prozent weniger Betriebskosten durch den License-Intelligence-Service.

"Unsere Anforderungen waren hoch", berichtet Merlo. Die Softwarenutzung sollte automatisch und systemübergreifend in der Windows-, aber auch in der Midrange-Welt ermittelt werden. Die Schwierigkeit: Die technische Information über eine Softwarenutzung ist nicht gleich der kaufmännischen Information über das eingesetzte Produkt. Gefragt war also eine Lösung, die aus den Meldungen der unterschiedlichen technischen Systeme die Anzahl an benötigten Lizenzen ableitet. Zu den technischen Meldesystemen gehören bei Swisscom IT-Services-Inventarisierungen wie Microsoft SMS, Marimba, Save Moon sowie eine Eigenentwicklung für den Midrange-Bereich, aber auch Verzeichnisdienste wie Microsoft Active Directory, das Auskunft über die Anzahl zugriffsberechtigter User gibt.

Die Interpretation der technischen Daten wirft in der Praxis eine Vielzahl an Fragen auf:

  • Wie berücksichtigt man, dass ein und dasselbe lizenzrechtliche Produkt wie beispielsweise Adobe Acrobat Standard 7 diverse unterschiedliche technische Meldungen (Fingerprints) generiert?

  • Was mache ich mit technischen Meldungen, die nicht einmal einen Rückschluss auf das Produkt oder gar den Hersteller beziehungsweise das Lizenzmodell zulassen?

  • Wie werden Softwaresuiten wie Microsoft Desktop Professional erkannt?

  • Wie misst man den Lizenzbedarf für eine Software, die sich in keiner technischen Installation niederschlägt, wie zum Beispiel die Exchange Cal?

Aber nicht nur beim Automationsgrad für die Interpretation der technischen Meldungen legte Swisscom IT Services die Messlatte hoch: Die Anzahl der installierten Lizenzen sollte das Tool - ebenfalls vollautomatisch - kontinuierlich dem Bestand an kaufmännisch erworbenen Lizenzen gegenüberstellen. Nur so kann der Lizenz-Manager schnell eine Unter- oder Überlizenzierung erkennen und unnötige Beschaffungen verhindern oder die Maßnahmen einleiten, um die rechtliche Compliance des Unternehmens sicherzustellen. Aber auch hier erwies sich das Thema Lizenz-Management als extrem komplex. Denn eine Software wie zum Beispiel Adobe Acrobat Standard 7 ist auf verschiedene Arten lizenzierbar: über eine Volllizenz oder über eine Update-Lizenz in Kombination mit einer Basislizenz.

Merlo bringt die damaligen Anforderungen auf den Punkt: "Wir waren auf der Suche nach einer Lösung mit Gehirn. Wie die CD bei einem Navigationssystem. Das Tool muss automatisch wissen, welche Software irgendwo im Einsatz ist und mit welchen der gekauften Lizenzen sie korrekt genutzt werden kann."

Schritt vier: Das Werkzeug auswählen

Nach einer umfangreichen Marktanalyse hat Swisscom IT Services neun potenzielle Tool-Hersteller eingeladen, ihr Produkt vorzustellen. Nach einem Abgleich der Funktionen der Anbieter mit dem Kriterienkatalog wählte Swisscom IT Services den "License Manager" der Update4u aus Karlsruhe. "Die Lösung entsprach unseren Anforderungen und konnte auch mit den vielen Gemeinheiten des Lizenz-Managements umgehen", begründet Merlo die Entscheidung. Überzeugt hatte die Schweizer auch das Prinzip des License Intelligence Service (LIS). Dieser Dienst stellt eine Referenzdatenbank mit mehr als 400 000 Objekten und Produkten von mehr als 3000 Herstellern bereit. In der Datenbank liegen Informationen zu Hersteller, Version, Lizenzmodell und der eindeutigen Herstellerartikelnummer einer Software. LIS verknüpft vollautomatisch den über die technischen Nutzungen ermittelten Bedarf an Lizenzen von Swisscom IT Services und stellt diesen dem Bestand an kaufmännisch erworbenen Lizenzen gegenüber.

Mussten sich früher vier Personen vollzeitlich und sechs bis acht weitere Mitarbeiter zumindest partiell mit dem Thema beschäftigen, sind heute lediglich zwei Leute im zentralen Competence Center LMS notwendig, um den Betrieb des Lizenz-Managements sicherzustellen. Die Kontoauszüge erhält der Softwareverantwortliche zukünftig nicht mehr per Excel präsentiert, sondern komfortabel über das Intranet im Web-basierenden interaktiven Serviceportal.

Schritt fünf: Lizenz-Management wird zum Profit-Center

Durch die guten Erfahrungen entschloss sich das Team, Lizenz-Management als Produkt für die eigenen Kunden anzubieten. Der seit Anfang 2007 lancierte License-Management-Service konnte bereits bei den ersten bestehenden Outsourcing-Kunden erfolgreich eingeführt werden.

Merlo betont vor allem den hohen Automationsgrad, der bei der Erstellung einer Lizenzbilanz erreicht wurde. Durch die schnellen und validen Daten sei der Einkauf in der Lage, aus einer stärkeren Position zu verhandeln. "Lizenz-Management ist eben nicht nur ein technisches Thema, sondern vor allem ein kaufmännisches", bilanziert der Manager. Rein technische Ansätze, um das Thema beispielsweise über Scanner in den Griff zu bekommen, seien von vornherein zum Scheitern verurteilt. Den Ausschlag gäben eine einfache Integration in die Systemlandschaft sowie umfangreiche Referenzdaten, um die Lizenzbilanz möglichst automatisiert erstellen zu können. Diese Daten müssten durch den Anbieter kontinuierlich aktualisiert werden. "Es würde ja auch niemand auf die Idee kommen, in seinem Navigationssystem im Auto die Daten selber zu aktualisieren." Aber der größte Erfolg des Projekts war für Merlo ein anderer: "Wenn heute der Ruf nach dem Lizenz-Management-Verantwortlichen im Gang laut wird, zieht niemand mehr den Kopf ein." (ba)