Rundumschlag vom Schweißroboter:Serviertisch mit fünf Gängen

04.04.1986

MÜNCHEN (CW) - Mißtrauisch und übervorsichtig ist der Baumaschinenhersteller Steinweg in Werne 1982 ins Lichtbogenschweißen mit Robotern eingestiegen, als es der Bauwirtschaft noch gut ging. Probe, Miete, Kauf waren die ersten tastenden Schritte in die flexible Automation mit dem Roboter. Weil die Erwartungen euphorisch hoch waren, blieben die Enttäuschungen allerdings nicht aus.

Fast 300 verschiedene Schweißkonstruktionen, alles Baugruppen für Bauaufzüge und andere Baumaschinen, müssen bei Steinweg in Werne lichtbogengeschweißt werden. Alles "in kleineren Stückzahlen von 50 bis 200" und "in bunter Folge", wie Betriebsleiter Heinz Schmitz erklärt. Der mittelständische Betrieb mit fast 170 Mitarbeitern, für dessen Produktion er verantwortlich ist, ist der Bauindustrie "stark verbunden" und liefert als Hauptprodukt Bauaufzüge, leiternähnliche Schrägaufzüge, die Baumaterialien wie Steine und Ziegel, palettiert oder lose in die richtige Höhe heben.

Schon 1980 gab es im Hause Steinweg bei Heinz Schmitz und seinem Schweißfachingenieur Josef Falke die Idee, einiges an Schweißarbeiten von Robotern erledigen zu lassen. Damals ging es in der Bauindustrie noch "gold". Bei der Steinweg KG reichte die Kapazität gerade, um der Nachfrage Herr zu werden. Vorbeugend sahen sich Betriebsleiter und Schweißingenieur auf der Essener Fachmesse "Schweißen & Schneiden" nach tatkräftiger Roboterhilfe um. Roboter waren im Gespräch, Hersteller, Lieferanten und Fachpresse berichteten Wunderdinge von Rationalisierung, Automation und Kostenreduzierungen.

Bei Steinweg gab es in Familien zusammengefaßte Baugruppen, die in verschiedene Endprodukte eingehen und sich vorwiegend in den Dimensionen des "Würfel 500" bewegen. Sie wurden manuell verschweißt, waren aber "potentiell sehr gut für die automatische Schweißung mit dem Roboter geeignet". Und Steinweg versprach sich durch den Robotereinsatz "preiswertere Fertigung" dieser Teile. Für den Schweißfachingenieur im Hause Steinweg, Josef Falke, ging es damals aber mehr darum, die Schweißarbeiten, die sich gut für die Automatisierung eigneten, in automatische Hände zu geben - entweder Sondermaschinen oder Roboter war die Frage.

Daß die Entscheidung dann für einen sechsachsigen Schweißroboter von Cloos fiel, hatte zwei wichtige Gründe: Als Haus- und Hoflieferant für schweißtechnisches Gerät hatte die Cloos-Vertretung Johann Steinbeck KG in Bielefeld den Fuß schon weit in der Türe und damit einen unschlagbaren Heimvorteil. Zweiter (technischer) Grund war, daß zu diesem Zeitpunkt einzig diese Roboter über ein Nahtsuchsystem per Messung über den Lichtbogen (Schweißstrom-Stärke) verfügten. Dieser Roboter war nicht der billigste. Heinz Schmitz: "Wir haben uns nicht über den Preis entschieden."

Daß das Nahtsuchsystem eine wichtige Sache war, wußten Schmitz und Falke: Bei Schweiß-Sondermaschinen für die Bauteile mit höheren Stückzahlen hatten sie es bereits erfolgreich eingesetzt; es war zu vermuten, daß es auch in Roboterhand funktionieren würde. In der Mehrzahl galt es, einfache Kehlnähte zu schweißen.

Trotzdem ging die Roboterbeschaffung im Hause Steinweg extrem vorsichtig vonstatten: Es wurde keineswegs aus den drei vorliegenden Angeboten gewählt und eingekauft. Zunächst wanderten die für das Schweißen vorgesehenen Teile auf die Arbeitstische des Roboterlieferanten Cloos nach Haiger: Für die meisten Teile wurden Probeschweißungen verlangt, die durchweg erfolgreich verliefen. Nach diesem ersten, tastenden Schritt sprang Steinweg immer noch nicht in das kalte Wasser der Roboterautomation, sondern mietete zunächst den 6achsigen Romat Schweißroboter. Mit dem Kauf des Roboters nach fünf erfolgreichen Monaten wurde dann der Einstieg irreversibel gemacht. Für 200 000 Mark Investitionskosten (einschließlich der konventionellen Schweißeinrichtungen) wurde der Roboter angeschafft.

Extrem sparsam waren Betriebsleiter Heinz Schmitz und Schweißfachingenieur Josef Falke auch bei der Peripherie. Obwohl es bei ihrem Lieferanten nicht an Schweißtischen mit Dreh- und Schwenkachsen und anderer Peripherie fehlt, wurde auch hier nachgedacht. Das Denkergebnis, das heute rund um den Roboter angeordnet ist, ist ein Dreiviertelkreis-Schweißtisch und hat "keine 5000 Mark gekostet", wie Heinz Schmitz erläutert.

Einfache Lösung bei Peripherie spart viel Geld

Möglich wurde diese Sparperipherie, die mit 2,5 Prozent der Roboterkosten alle Erfahrungswerte für Peripheriekosten ad absurdum führt (die Erfahrungswerte liegen bei 50 Prozent der Roboterkosten), durch ein paar Überlegungen und technische Tricks: Ein Trick war, "die Beweglichkeit des Roboters voll zu nutzen" . Was Josef Falke damit meint, ist die Tatsache, daß sich nicht die Peripherie bewegen muß, sondern daß der Roboter in seiner vollen Reichweite ausgenutzt und gefordert ist: Im Dreiviertelkreis um den Roboter gibt es einen Schweißtisch in Kreissegmentform: Er besteht aus einer Stahlplatte, die in fünf Arbeitsplätze unterteilt ist, die durch die üblichen Schweißvorhänge getrennt sind. Auf jedem der Arbeitsplätze lassen sich die sehr einfach gehaltenen Schweißvorrichtungen befestigen. Der Roboter im Mittelpunkt hat dann die Aufgabe, nacheinander die unterschiedlichen Teile zu verschweißen. Er tut es mit "Schweiß-Ziernähten", die jeden menschlichen Schweißer vor Neid erblassen lassen.

Der zweite Trick, den sich die Techniker bei Steinweg haben einfallen lassen, ist nicht so ganz neu: Sie haben sich nämlich lieber für eine sechste Roboterachse und die

Zusatzkosten von etwa 10 000 Mark entschieden, als dreh- und kippbare Vorrichtungen für das Schweißen zu bauen. Diese 10 000 Mark haben sich wohl als erstes rentiert. Wenn man sich das umfangreiche Vorrichtungslager, das heute für die fast 120 Baugruppen besteht, ansieht, weiß man schnell warum: Keine der Vorrichtungen ist für das Kippen oder Schwenken eingerichtet, durch die sechste Achse erreicht der Schweißroboter auch Hinterschneidungen, schwer zugängliche Stellen und greift auch einmal um ein Hindernis herum.

Nun ist es kein Geheimnis, daß robotergelegte Schweißnähte von besonders guter Gleichmäßigkeit und Qualität sind. Auch bei Steinweg ist dies nicht anders - Nähte wie gemalt. Es ist aber auch kein Geheimnis, daß kaum ein Roboter schneller schweißt als ein Mensch und seine Arbeitsgeschwindigkeit nur unwesentlich höher sein kann als die Hand des Schweißers. Josef Falke drückt das so aus: "Eine gute Naht braucht ihre Zeit, egal ob vom Roboter oder vom Werker gelegt."

Auf den ersten Blick ist es deshalb nicht einsichtig, daß Betriebsleiter Heinz Schmitz die Kostenreduzierung bei den Stückkosten, mangels genauer Berechnungen, auf "30 bis 35 Prozent" schätzt. Erklären lassen sich diese Kostenvorteile nur durch den extremen Fleiß des Schweißroboters: Von den acht Arbeitsstunden einer Schicht ist er nämlich auch fast volle acht Stunden im Schweißeinsatz. Das Nahtlegen unterbricht er nur, um von einem der fünf Arbeitsplätze zum anderen zu wechseln oder wenn er von einem Schweißpunkt zum anderen schwenkt. Daß er von 100 Prozent Arbeitszeit auch fast 100 Prozent mit Nahtlegen befaßt ist, macht die vorbereitende Arbeit seines menschlichen Partners möglich. Ein Werker als "Arbeitsvorbereiter" sorgt dafür, daß jede der fünf "Schweißstellen" für den Roboter richtig vorbereitet auf den Automaten wartet. Er legt in die aufgespannten Vorrichtungen die Bauteile aus Baustahl St 37 und St 52.3 ein. Reihum solchermaßen unterstützt, kann der Roboter sich auf das Schweißen allein konzentrieren: Hat er ein Bauteil fertiggestellt, wartet am nächsten Platz schon ein anderes, das nächste auf ihn. Er erreicht es durch eine knappe, kurze Drehung um 45 Grad und kann gleich die nächste Naht legen. Das entsprechende Arbeitsprogramm wird täglich festgelegt und in den Programmspeicher der Robotersteuerung eingespielt. Auch diese Arbeiten werden vom "Roboterbediener" durchgeführt, der nicht immer ein qualifizierter Schweißer sein muß.

Bis es soweit war, mußte das technische Management bei Steinweg vom hohen Roß der Erwartungen allerdings heruntersteigen: Vom übertriebenen Erwartungsniveau abzusteigen fiel nicht ganz leicht. Heinz Schmitz mußte Auswirkungen des Robotereinsatzes bis weit in die Vorfertigung hinein hinnehmen. Dort war Umdenken gefragt, "weil wir im Teilezuschnitt um einiges genauer werden mußten". Im Klartext heißt dies, das die Toleranzbereiche eingeengt und heruntergedrückt werden mußten und daß sorgfältigeres Entgraten notwendig wurde. Um die Sauberkeit zu erhöhen, wurde außerdem das Sandstrahlen für alle Teile obligatorisch gemacht. Mit der Anschaffung einer Trumpf Plasmapress, die Blechteile bis 13 mm verkraftet, wurde allerdings dieses Problem verhältnismäßig einfach gelöst. Anderen Einsteigern in das Roboterschweißen rät Heinz Schmitz deswegen, sich die Folgen vor der Schweißfertigung vorher klarzumachen und nicht zu glauben, daß der Roboter widerspruchslos das verarbeitet, was der Mensch problemlos hinnimmt und durch Auge und Hand ausgleichen kann. Auch die Kosten für seine Einfachvorrichtungen können bei Steinweg nur dadurch so klein gehalten werden, weil die Teilevorbereitung inzwischen so gut ist, daß alles, was auf den Tisch kommt, auch gespannt und haargenau positioniert werden kann.

Bis es soweit war, daß Zufriedenheit über den Roboter bei Steinweg einzog, mußte sich Schweißfachingenieur Josef Falke noch einiges einfallen lassen: Sachkundig machte er sich, was die Programmierung und Bedienung des Roboters betraf, zunächst durch einen einwöchigen Lehrgang im Hause des Roboterlieferanten. Damit war es allerdings nicht getan, "Probieren geht auch hier über Studieren", meint Heinz Schmitz heute im Rückblick dazu. Anfangs dauerte es nämlich schon einmal einen vollen Tag, bis ein Programm für eine Schweißgruppe oder ein Bauteil einwandfrei fertig war. Heute ist der Programmieraufwand "um etwa zwei Drittel" reduziert, wie Josef Falke versichert. Einfache Programme und geringfügige Veränderungen sind manchmal sogar in Minutenschnelle erledigt. Aus einer vorhandenen Liste mit Programmsegmenten lassen sich auch neue Programme zusammenstellen. Auch ein Einzelstück läßt sich schon mal schweißen, wenn es ein ähnliches Vorgängerbauteil und ein Programm dafür bereits gibt. Daß es so schnell geht, freut Josef Falke schon, daß es so oft notwendig wird, kreidet er den Konstrukteuren im Hause allerdings noch etwas an. Die ständigen Änderungen sieht er nicht gerne, obwohl gerade hier der Roboter seine Stärke zeigen kann, die natürlich in dieser Flexibilität liegt.

Kraftsensor verhindert Werkzeugbeschädigung

Auch Schulgeld hat Josef Falke der Einstieg in die Robotertechnik gekostet: Obwohl Zeit genug war zu lernen, kaum Zeitdruck bestand und Verantwortliche und Bediener sich sehr leise an die Zusammenarbeit mit dem neuen Mitarbeiter herantasten konnten, kostete die Einarbeitung eine Schweißpistole: Weil der Roboter völlig gefühllos auch gegen Hindernisse fuhr, verbeulte er sein Hand-Werkzeug in der zweimonatigen Einarbeitungsphase. Diese schlechte Erfahrung hat bei der Steinweg KG als sofortige Reaktion den Einbau eines Kraftsensors in die Roboterhand ausgelöst. Wenn der Roboter heute gegen das Bauteil fährt, statt bahngerecht seine Naht zu legen, schaltet dieser Sensor rechtzeitig ab und gibt eine Störmeldung.

Auch was die Qualität der fertigen Bauteile betrifft, hat sich bei Steinweg ein Lernprozeß vollzogen: Wenn irgend möglich, wird mit Impulsen geschweißt und damit eine fast spritzerfreie Schweißung erreicht. Die Schweißanlage ist dafür entsprechend eingerichtet. Dann gibt es auf den Bauteilen auch keine Schweißspritzer mehr, die sonst teilweise mühevoll entfernt werden müssen.

Nächste Herausforderung: Aluminiumschweißen

Und dann steht als weiterer Technologiesprung im Hause Steinweg das Aluminiumschweißen an. Nach den abgeschlossenen Erfahrungen mit etwa 120 Baugruppen aus konventionellen Materialien, die heute mit dem Roboter geschweißt werden, wollen sich Heinz Schmitz und Josef Falke an das Verschweißen der Aluminiumbaugruppen heranwagen. Die Unterstützung dazu kommt wieder vom Lieferanten Steinbeck, wo Udo Steinbeck die anstehenden Probleme zum Beispiel durch die Verwendung einer Spezial-Schweißpistole in den Griff bekommen will. Die Schweißpistole für das Aluschweißen wird dann natürlich mit Argon oder Argon-Helium-Gemischen als Schutzgas gespeist. Und damit der Drahtvorschub auch wirklich hundertprozentig klappt, ist sie außerdem mit einer Zugvorrichtung unmittelbar hinter dem Pistolengriff ausgestattet.

Mit der Verwirklichung dieser Schweißtechnik werden dem Roboter weitere 80 Baugruppen zum Schweißen anvertraut. Damit liegen dann etwa zwei Drittel der vorgesehenen Baugruppen in Roboterhand.

Was die Kapazität betrifft, ist der Roboter natürlich im Einschichtbetrieb bei weitem nicht ausgelastet. Erst wenn die Baukonjunktur wieder einsetzt und die Steinweg-Baumaschinen eine regere Nachfrage erfahren, denkt Heinz Schmitz an eine zweite und dritte Schicht.