Outsourcing-Unternehmen agiert mit "fremdem Netz"

Ruhrkohle-Tochter IVS verlaesst sich auf Dienstleister Info AG

19.02.1993

Die Servicequalitaet beim Outsourcing haengt von einer Vielzahl von Faktoren ab. Zu nennen sind hier unter anderem die Stabilitaet des RZ-Betriebes, die Qualitaet der erbrachten Dienstleistungen sowie die Leistungsfaehigkeit und Verfuegbarkeit des Uebertragungsnetzes zwischen den Standorten des Kunden und dem Rechenzentrum des Dienstleisters. Die Bereitstellung einer geeigneten Infrastruktur einschliesslich gesicherter Backup-Wege und eines effizienten Netz- Managements erfordert dabei jedoch hohe Investitionen.

Bereits 1988 uebertrugen erstmals Kunden der IVS Applikationen einem zentralen Rechner in Duesseldorf, wobei die Anwender einen Service (Dialog und Druck) von 10 bis 12 Stunden am Tag und an sieben Tagen pro Woche forderten. Da die Netzkosten - basierend auf HfD- beziehungsweise DDV-Leistungen der Deutschen Bundespost Telekom - fuer den einzelnen Anwender zu hoch ausfielen, wurden die User zum ueberwiegenden Teil ueber Datex-P mit dem Rechner verbunden. Auch in den folgenden Jahren arbeitete die IVS bei Outsourcing-Projekten vor allem mit Datex-P.

Dabei dauerte aber die Bereitstellung neuer Anschluesse in den alten Bundeslaendern bis zu acht Wochen, waehrend in den neuen Bundeslaendern eine termingerechte Verfuegbarkeit zum damaligen Zeitpunkt ueberhaupt nicht gewaehrleistet war. Diese insgesamt unbefriedigende Situation fuehrte - vor allem angesichts staendig wachsender Beduerfnisse der Anwender - zu der Ueberlegung, den Netzservice in die Haende eines privaten Dienstleisters zu legen. Nachdem sie die Angebote mehrerer privater Anbieter verglichen hatte, entschied sich die IVS 1990 fuer eine Kooperation mit der Info AG, Hamburg.

Zunaechst erfolgte die Auslagerung von Teilen der bisher ueber Datex-P transportierten

Datenstroeme in das private X.25-Netz der Info AG. Dabei operierte man mit Schnittstellen nach V.24 und X.21 ueber feste und gewaehlte Verbindungen, als Uebertragungsprotokolle kamen X.25, SNA/SDLC und der Asynchron-Standard VT100/VT200 zum Einsatz, erste Erfahrungen zeigten, dass bei hoher Verfuegbarkeit und guter Performance, also schnellen Antwortzeiten, die Netzkosten sanken.

Die Qualitaet in puncto Verfuegbarkeit und Antwortzeiten sichert dabei unter anderem ein spezielles Routing-Verfahren, das durch ein internes Trunk-Protokoll alternative Pfade bei Ausfall oder Ueberlastung einzelner Verbindungsleitungen beruecksichtigt, so dass das Umschalten auf alternative Verbindungswege nicht zum Restart oder Verbindungsabbruch fuehrt. Die Anwender, die den IVS-Service nutzten, merkten also gar nicht, dass "andere Wege" gewaehlt wurden.

Zusaetzlich sind die Vermittlungsrechner modular aufgebaut und fehlertolerant ausgelegt. Die Redundanz beruecksichtigt sowohl den Ausfall zentraler Komponenten wie Stromversorgung, Zentralprozessoren und Bussysteme als auch den von Line-Interface- Karten. Damit ist bis zum Line-Interface eine sehr hohe Verfuegbarkeit gewaehrleistet. Zudem wurden ueber das Fast-start- System zuegig neue Uebertragungswege zur Verfuegung gestellt.

Auch bei Engpaessen der Telekom halfen improvisierte Ueberbrueckungsloesungen. So wurde die Verbindung zwischen den Anwendern und dem Info-AG-Knoten per Waehlleitung und festgeschaltetem Dial-In aufgebaut. Dies war, wie sich zeigte, im Gegensatz zum Telekom-Anschluss sofort realisierbar. Entsprechende Stoerungen im Netz wurden ueber den Benutzerservice der Hamburger umgehend behoben oder zumindest rechtzeitig dem Rechenzentrum der IVS gemeldet.

Diese positiven Erfahrungen fuehrten zu einer sukzessiven Umstellung des Uebertragungsnetzes der IVS auf das Netz der Info AG. Heute sind in der Bundesrepublik 20 Vertragskunden der IVS ueber das X.25-Netz der Info AG an das neue IVS-Rechenzentrum in Dortmund angeschlossen. Dort, wo der Anschluss des Kunden an den naechsten Knoten der Info AG nicht im Nah- oder Ortsbereich realisiert werden konnte, wurde die Verbindung auf herkoemmliche Weise ueber Datex-P geschaltet, wobei diese Art der Verbindung seit der endgueltigen Einfuehrung der EWSP-Technik wesentlich stabiler geworden ist.

In den neuen Bundeslaendern nutzen darueber hinaus fuenf IVS-Kunden den VSAT-Service der Hamburger, so zum Beispiel die Energiewerke Nord in Greifswald und Rheinsberg. Weitere VSAT-Antennen stehen in Quedlinburg, Zeitz und Muehlhausen. Die im vergangenen Jahr begonnene Einbeziehung der Satellitenuebertragung mit einer Uebertragungsrate von 64 Kbit/s bedeutete fuer die IVS einen weiteren wesentlichen Schritt in Richtung Erweiterung des Service- Angebotes.

Auch heuer wird die IVS daher einen Grossteil ihrer Netzbelange zusammen mit der Info AG abwickeln. Dies gilt auch fuer neu hinzugekommene Dienstleistungen wie Waehlverbindungen ueber das oeffentliche Telefonnetz, wo der Zugang ueber asynchrone und synchrone beziehungsweise paketorientierte X.25-Endgeraete zum naechstgelegenen Netzknoten auf Basis analoger und digitaler Verbindungen realisierbar ist.

Von Bedeutung ist darueber hinaus das Datex-P-Gateway der Hamburger, das seit Jahresbeginn zur Verfuegung steht. Prinzipiell ist aus Sicht eines IVS-Kunden entscheidend, dass fuer ihn das Netz voellig transparent bleibt (vgl. Abbildung 1).

Im Problemfall wendet er sich also immer an den User-Help-Desk des IVS-Rechenzentrums, von wo aus ueber den Benutzerservice der Info AG das Problem analysiert und behoben wird. Hier erhaelt der Anwender erste Informationen ueber den Status seiner Netzkomponenten und alle notwendigen Schritte bis hin zur Entsendung von Technikern an die Problemstellen werden von hier aus eingeleitet. Die Info AG stellt dabei sicher, dass rund um die Uhr Netzspezialisten zur Verfuegung stehen, die vor Ort entstandene Probleme beheben (vgl. Abbildung 2).

Die Erfahrungen der IVS zeigen also, dass ein Serviceanbieter in Sachen Outsourcing durchaus auf die Dienste eines privaten Netzbetreibers zurueckgreifen kann. Voraussetzung ist, dass wie im vorliegenden Fall Preis, Leistung und Service stimmen.

Darueber hinaus laesst sich der eigene Servicegrad dadurch steigern, dass man ueber den privaten Netzanbieter flexibler auf neue Gegebenheiten bezueglich Netztopologie und

-technik, Uebertragungsprotokollen und Preisstrukturen reagieren kann.

Generell gilt es jedoch, bei der Konzeption des Uebertragungsnetzes immer das gesamte Umfeld der sich weiter entwickelnden Kommunikationsmoeglichkeiten im Auge zu behalten. So auch in diesem Jahr - zumindest wenn man die neuen Moeglichkeiten der Telekom in puncto ISDN, Monopoluebertragungswege, Satellitenkommunikation und die damit verbundenen Preisstrukturen in Erwaegung zieht.

*Dr. Thomas Meintz ist Geschaeftsfuehrer der IVS GmbH, Duesseldorf.

Info AG

Als nach eigenen Angaben erster privater DFUe-Anbieter betreibt die Info AG, Hamburg, in Deutschland ein flaechendeckendes X.25- Datennetz. Ueber den Hauptaktionaer France Telecom Transpac S.A. Europe, Paris, bieten die Hamburger auch europaweite Kommunikationsservices an. Die Info AG ist darueber hinaus taetig im Bereich DV-Notfallabsicherung in Form von Ausweich-Rechenzentren.

IVS GmbH

Die konzerneigene Informationsverarbeitung und Service (IVS) GmbH, Duesseldorf, bedient mit ihrem zentralen Rechenzentrum in Dortmund verschiedene Beteiligungsgesellschaften der Ruhrkohle AG, Essen, sowie konzernfremde Unternehmen. Die IVS beschaeftigt derzeit 35 Mitarbeiter und kalkuliert 1993 mit einem Umsatz von rund 25 Millionen Mark.

Abb. 1: Dienstleistung aus einer Hand bedeutet fuer die Info AG die Verantwortung fuer den Netzbetrieb vom Rechenzentrum bis zum Endgeraet im Unternehmen.

Abb. 2: Der User-Help-Desk ist fuer die Anwender erste Anlaufstelle bei allen Betriebsproblemen im Zusammenhang mit der Netznutzung.