Rückblick auf 1983: DV-Branche bekommt ihr Fett weg

16.12.1983

Der Vormarsch der PCs in die Fachabteilung gehört zu den wichtigsten

Ereignissen im DV-Jahr 1983. Darin sind sich die Befragten bei einem Rückblick auf die vergangenen zwölf Monate einig. Heinz Streicher, Leiter Kommunikation der SCS, Hamburg, nutzte die Gelegenheit, die gesamte Branche "mal so richtig auf die Schippe zu nehmen". In seinen Anmerkungen zur DV-Szene kam fast keiner ungeschoren weg: Seien es die ständig jobrotierenden Sales Manager, die PR-Leute der Hersteller, die Veranstalter von Kongressen, die Zeitungsmacher im Mikrobereich oder die Schöpfer der "CA-itis". Bleibt der Redaktion nur noch ein Wunsch übrig: "Merry CAX".

Dr. Heinz Streicher

Leiter Kommunikation der SCS Scientific Control Systems GmbH, Hamburg

In Erwartung des Orwell-Jahres 1984 schaut so mancher gebannt ins blaue Auge des großen Bruders, der zunehmend jenen Tränen in das ihrige treibt und sie hoffen läßt, mit einem blauen Auge davonzukommen, die des Big Brothers" anfängliche PC-Abstinenz für dauerhaft hielten.

In den oberen Etagen der Computer- und Peripherie-Anbieter wurde eine Idee geboren, die sowohl den Firmen als auch den Sales Professionals künftig hilfreich sein wird. Jeder Sales Manager der Branche (....)lt einen Paß, in dessen Fel(...) die Firmen eingestempelt werden, für die er schon tätig war. Dadurch läßt sich sowohl für ihn als auch für die Firmen künftig einfach feststellen, ob er schon einmal Sales Manager des betreffenden Unternehmens war oder nicht.

Wenn man den Werbeaussagen der Computerhersteller folgt, werden im nächsten Jahr viele große Hallen, die bisher als Großrechenzentren dienten, frei, weil dieselbe Kapazität auf einem Chip verfügbar gemacht und deswegen in ausgedienten Pförtnerlogen untergebracht werden kann. Soweit die ehemaligen Comuterhallen nicht für Squash Verwendung finden, werden sie zur Unterbringung der lawinenartig anschwellenden Floppies gebraucht, die von den PC-Artisten mit Dateien vollgepropft werden.

Der Gang über die großen und kleinen Messen für alles, was auch nur von weitem nach Elektronik riecht, bringt den Betrachter auf innovative Gedanken: Wie wär's wenn viele Firmen ab nächstes Jahr nur noch Gehäuse oder besser Labels verkaufen wurden, während man sich die Innereien der Bildschirme, Rechner etc. vom zentralen Großlager kostengünstig anliefern läßt.

Eine neue Dienstleistung soll ab Anfang 1984 am deutschen DV-Markt angeboten werden. Es sei ein Unternehmen in Gründung, das unter dem Namen SBFAFN GmbH (Spezialberatung für Abkürzung von Firmen-Namen GmbH) neuen Hardware-, Software- und Beratungsunternehmen bei der Namensauswahl behilflich ist und - dank angeschlossener Rechtsberatung - bei nahezu identischen Firmennamen juristische Kollisionen mit bereits existierenden Firmen verhindert.

Die Veranstalter von Kongressen, Foren, Seminaren zum Thema Telekommunikation und Büroautomation haben sich dem Wunsch gebeugt, im kommenden Jahr ihre Veranstaltungen alle an einem Ort zu konzentrieren und ohne Pause hintereinander durchzuführen. Damit werde den Referenten viel Zeitverlust und Streß durch aufwendige Reisen erspart, da ja auf allen diesen Kongressen immer der gleiche Personenkreis als Redner auftrete. Besondere Rücksicht auf die Teilnehmer - so heißt es aus Veranstalterkreisen - brauche man nicht zu nehmen, da diese im wesentlichen mit den Referenten identisch seien.

Die Zahl der Zeitschriften und Magazine, die das Thema "Personal-, Micro-, Home-Computer" zum Gegenstand haben, wies 1983 eine solche Zunahme auf, daß damit zu rechnen ist, daß es 1984 mehr Publikationen-Titel als PC-Freaks gibt. Die Lösung dieses Dilemmas zeichnet sich am Horizont bereits ab: CAR, das heißt: Computer aided reading. In diesem Zusammenhang ist beim Bundesverband Deutscher Zeitschriftenverleger angeblich eine Regelung in Vorbereitung, die sich an das Aufsichtsräte-Gesetz anlehnt: künftig soll kein Journalist bei mehr als zehn Zeitschriften gleichzeitig Chefredakteur sein.

Apropos CA-itis: nach CAD, CAM, CAE, CAP, CAQ läßt sich absehen, wann das CA bis Z erschöpft sein wird. Es sind noch einige Buchstaben frei, deren Belegung allerdings nur noch eine Frage der Zeit ist. So könnte zum Beispiel stehen: CAA für Advertising, CAB für Bookkeeping, CAC für Cooking, CAF für Failing, CAG für Governing, CAH für Holiday, CAI für Informing, CAJ für Joking, CAK für Killing, CAX für Weihnachten.

Rudolf Nechutniss

Leiter, Rechnungswesen und Organisation, J. M. Voith GmbH, Heidenheim

Im Rückblick auf 1983 stelle ich mir die Frage, welche Erkenntnisse man in das neue Jahr hinüberretten sollte. Verfügbarkeit wird vor allem die Zielsetzung lauten, an der sich das Informationsmanagement in Zukunft messen muß.

Verfügbarkeit neuer Software, vorhandener und neuer Hardware, von Spezialisten als Gesprächspartner der Fachbereiche, aber auch Verfügbarkeit der Strategie für die Informationsverarbeitung.

Innerhalb der Aufzählung ist nur die Verfügbarkeit der Hardware quantifiziert meßbar. Alle anderen unterliegen subjektiven Beurteilungen mit meistens negativer Tendenz, denn wer vermag schon alle Wünsche zu befriedigen?

Es sind aber die nicht oder noch nicht erfüllten Wünsche, die das Urteil maßgeblich beeinflussen. Auch Rechenzentren werden nicht nach ihrer hohen Verfügbarkeit beurteilt, sondern nach ihrer ein- bis dreiprozentigen Nicht-Verfügbarkeit.

Beschäftigen wir uns mit der letzten Feststellung etwas ausführlicher, dann wird verständlich, warum der Anwender heute eine nahezu 1 00 Prozent-Verfügbarkeit erwartet. Bildschirmterminals erhalten auf die Ausstattung des Arbeitsplatzes bezogen die Bedeutung von Telefonapparaten, das heißt wenn der Arbeitsplatz notwendig ist, dann wird auch ein Bildschirm installiert. Oder wurde in den vergangenen zwei Jahrzehnten für den Telefonanschluß erst eine Wirtschaftlichkeitsrechnung verlangt?

Das Telefon hat seine nahezu 100 Prozent-Verfügbarkeit in fast allen Unternehmen bewiesen. Verfügbar heißt hier, an 365 Tagen im Jahr für jeweils 24 Stunden.

Die Rechenzentren stehen den Anwendern für den Dialog in vielen Unternehmen an 240 Arbeitstagen im Jahr für jeweils zwölf Stunden zur Verfügung. Bei 97 Prozent Verfügbarkeit fehlen 86,4 Stunden oder 10,8 Normalarbeitstage. Bei 99 Prozent Verfügbarkeit fehlen 28,8 Stunden oder 3,6 Normalarbeitstage zu 8 Stunden. Jeder kann jetzt die Ausfalltage seines Rechenzentrums mit der Anzahl der eingesetzten Bildschirmterminals multiplizieren, und er erhält Aufschlüsse über das wirliche Ausmaß der Nicht-Verfügbarkeit. Wem diese Rechnung zu grob erscheint, der beschränke sich auf die Arbeitsplätze, die ohne Dialog zur Untätigkeit verurteilt sind. Er muß dann aber zusätzlich die Folgeauswirkungen zum Beispiel in Entwicklung, Konstruktion, Lager und Fertigung (CAE) bewerten.

Gegenüber dem Telefon ist der Verfügbarkeitsvergleich von 365 Tagen x 24 Stunden auf 240 x 12 Stunden gesunken. Wie lange werden die Anwender es noch hinnehmen, zwar am Samstag und Sonntag und in den Abendstunden einen Arbeitsplatz mit funktionierender Heizung und Beleuchtung und kommunikationsbereitem Telefon, aber ohne einen ansprechbaren Computer vorzufinden? Spätestens mit dem Fortschreiten der Flexibilität in der Arbeitszeitregelung werden alle Anwender hier ihre Forderung stellen. Oft zeugt es von wenig Strategie, so lange zu warten und den bereits heute Betroffenen zu empfehlen, außerhalb der "Dialogöffnungszeiten" sich mit anderen Arbeiten (welche in Zukunft?) zu beschäftigen.

Nur wenn es uns gelingt, die Verfügbarkeit so komplex zu sehen wie in der Einleitung geschehen, und dabei so anwenderbezogen nach Lösungen zu suchen wie am Beispiel Rechenzentrum dargestellt, werden wir eine Informationsstrategie für das Gesamtunternehmen entwickeln, können, die auf weitgehende Akzeptanz der einzelnen Bereiche stößt. Andernfalls drängen die Anwender auf bereits heute verfügbare vermeintliche Alternativen.

Mit der Einführung dieser Alternativen gesellen sich zu den bisher bekannten Problemen neue auf dem weiten Feld der Kommunikation zwischen unterschiedlichen Betriebssystemen, Datenbanken und Rechnern. Auf den Zugriff zentral gespeicherter Datenbestände will niemand mehr verzichten, und sie müssen selbstverständlich auch für jeden auf dem aktuellsten Stand verfügbar sein. Es gibt Kollegen, die bereits Durchschnittszeiträume ermittelt haben, wann ein PC-Benutzer seine Lust auf die Verfügbarkeit der Zentraldateien nicht länger zügeln kann - sechs bis sieben Wochen nach PC-Intallation werden zur Zeit gehandelt.

Niemand kann und darf sich dem Einsatz dedizierter Systeme incl. PCs für Sprache, Texte, Bilder und Daten entgegenstellen, denn verfügbare Technik soll unter rationalen Gesichtspunkten auch den Anwendern zur Verfügung gestellt werden. Die Erreichung dieses Zieles setzt voraus, daß den Unternehmen aufgeklärte Anwender zur Verfügung stehen. Unsere Aufgabe ist es, auch diese Verfügbarkeit sicherzustellen.

Dr. Johann K. Wild

Internationale Unternehmensberatung, Augsburg und Technische Universität Berlin

Die Erwartungshaltung der Benutzer auf mächtige Hilfsmittel zur Unterstützung ihrer Probleme war nach den immer perfekter werdenden Marketingaktivitäten der Hard- und Softwarehersteller zur Vermarktung ihrer Produkte so hoch wie noch nie zuvor, In der Tat sieht sich der DV-Verantwortliche in einem Unternehmen heute mit enorm gestiegenen Anforderungen an die DV-Dienstleistungen, bei meist gleichzeitig reduziertem Budget, konfrontiert. Der bestehende Anwendungsstau bei der Programmentwicklung hat sich damit noch weiter vergrößert!

In diesem Dilemma spielen die Hardwarekomponenten, sowohl vom Entwicklungsstand als auch vorn Preis her betrachtet, eine eher untergeordnete Rolle. Denn die Innovationen in der Halbleitertechnologie verliefen insgesamt betrachtet, auch in diesem Jahr recht positiv. Der Grad an Höchstintegration hat hierbei ein derartiges Ausmaß erreicht, daß man nun beim Design und Test in Schwierigkeiten kommt. Bei einer derartigen Integrationsdichte beim integrierten Schaltkreis kann das Design nur noch mit Großrechnern vorgenommen werden.

Die CMOS-Technologie hat nun mit bis zu 5000 Gates pro Chip (ECL zirka 2000 und TTL zirka 3500) und einer Schalgeschwindigkeit von einer Nanosekunde bis zehn Nanosekunden (ECL bis zu 1 ns, TTL 1 ns bis zu 5 ns) einen hohen Entwicklungsstand erreicht. Dabei benötigt die CMOS-Technologie nur einen Bruchteil der Verlustenergie von TTL oder ECL. Selbst der Marktführer IBM, der auf Schaltkreise mit TTL gesetzt hatte, versucht offensichtlich mit dem erneuten Zukauf von Intel-Anteilen innerhalb dieses Jahres noch auf den fahrenden CMOS-Zug aufzuspringen.

Dies umso mehr, als der Marktführer vor kurzem das Projekt mit Josephson-Elementen einstellen mußte, das als Halbleitertechnologie für die nächste Rechnerarchitektur geplant war. Offensichtlich waren die Entwicklungserfolge zu gering.

Beim großen Problemkind "Software" hat sich mit der Konzipierung von Information Center Konzept, Decision Support System und Development Center Konzept mit Sprachen der vierten Generation als integriertes Informationssystem, ein erster Silberstreifen am Horizont gezeigt.