Verordnung zum Elektronikschrott wird überarbeitet

Rot-Grün will IT-Hersteller mehr in die Pflicht nehmen

25.11.1998
Von Stephan Eder* Jahrelang bemühte sich die Herstellervereinigung AG Cycle um eine Informationstechnikgeräteverordnung (ITVO). Doch der neuen Bundesregierung reicht diese Regelung nicht aus. Sie will die Hersteller stärker in die Pflicht nehmen, Kommunen und Verbraucher dagegen entlasten. Und auch in der EU kursiert ein Entwurf, der mittelfristig den Verzicht auf einige in Computern übliche Materialien vorsieht.

Theoretisch hätte die von Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU) vorgelegte ITVO noch in der letzten Legislaturperiode vom Bundesrat verabschiedet werden können. Doch einige SPD-regierte Länder schossen quer. So forderte das Land Nordrhein-Westfalen (NRW) in einem Bundesratsantrag kurz: "Der Verordnung wird nicht zugestimmt." Entscheidender Satz darin: "Das als Begründung für die vorgesehene Kostenverteilung zwischen Hersteller und Kommunen herangezogene Modell einer geteilten Produktverantwortung steht der Durchsetzung eines stringenten Verursacherprinzipes entgegen." Und letzteres fordert das Kreislaufwirtschaftsgesetz.

In Nordrhein-Westfalen reibt man sich auch an der mühsam ausgearbeiteten Konstruktion, IT-Hersteller, Kommunen und Verbraucher gleichermaßen in die Pflicht zu nehmen. Dies wirft die IT-Branche auf den Beginn ihrer Bemühungen zurück, weil wohl die anderen SPD-Länder sich der Kritik anschließen werden und auch die neue Bundesregierung im gleichen Fahrwasser schwimmt. Im Koalitionsvertrag heißt es knapp: "Die neue Bundesregierung wird mit der Kreislaufwirtschaft ernst machen. (...) Dies umfaßt (...) den gesamten Bereich des Elektronikschrotts."

Dies klingt zwar sehr allgemein; fest steht damit aber, daß die ITVO in der geplanten alten Form nicht in Kraft treten wird. Rot-Grün will den Umgang mit allem Elektronikschrott regeln und nicht nur mit ausgemusterten IT-Geräten. Damit das Thema nicht noch einmal auf Jahre hinaus unerledigt bleibt, wird die Merkelsche ITVO im Bundesrat durch Änderungsanträge so umgestrickt werden, daß sie ins rot-grüne Konzept paßt. Dies bestätigt Peter Knitsch, Bundesratsreferent des Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft NRW (MURL). "Es gibt eine Verständigung unter den A-Ländern (von der SPD regierte Bundesländer, Anm. d. Red.), den vorliegenden Gesetzesentwurf durch Änderungsanträge im Bundesrat so zu modifizieren, daß eine sinnvolle Einbeziehung aller relevanten Bereiche des Elektro- und Elektronikschrotts gewährleistet ist."

Unter anderem das MURL arbeite zur Zeit in einer Länder-Arbeitsgruppe an entsprechenden Vorschlägen mit. Die geänderte Verordnung würde dann in den Bundestag zur nochmaligen Abstimmung zurückverwiesen.

Der Vorzug dieses Vorgehens: Ohne ein noch einmal ganz von vorn beginnendes, zeitraubendes Gesetzgebungsverfahren käme die IT-Branche zu einer verbindlichen Regelung für den Elektronikschrottberg. Auch wenn sie ihr inhaltlich nicht schmecken sollte, bestünde doch bis auf weiteres endlich die geforderte Planungssicherheit. Und die Zeit drängt. Aus der Generaldirektion XI (DG XI) der EU-Kommission kam im Spätsommer schon ein zweites Arbeitspapier für eine EU-Richtlinie zum Elektronikschrott (siehe Kasten "EU-Richtlinie"). Sollte die EU-Kommission im Frühjahr einen ersten, zwischen den Generaldirektionen abgestimmten Entwurf vorlegen, wären erst einmal auf Monate, wenn nicht Jahre deutsche Sonderwege blockiert.

Auch die Brüsseler Umweltschützer setzen auf das Verursacherprinzip und wollen vom Fön bis zum Hochleistungsrechner alles erfassen. Brisant und neu, weil bislang im Rahmen einer Elektronikschrottverordnung noch nicht festgeschrieben, ist eine Passage zur Verbesserung der Recyclingfähigkeit der Geräte. Sie beinhaltet nicht weniger als ein mittelfristiges Verbot gewisser Problemstoffe wie Schwermetalle und halogenhaltige Flammschutzmittel. Zur Zeit ist kein informationstechnisches Gerät auf dem Markt, das ohne diese Stoffe auskommt. Die DG XI sieht deswegen auch einen Übergangszeitraum bis 2004 vor. Zwar enthält das EU-Papier eine Reihe von Ausnahmen, aber Blei als gängiges Lötmaterial zählt zum Beispiel nicht dazu. Bei den halogenhaltigen Flammhemmern, die in jeder Platine und vielen Gehäusekunststoffen existieren, sind Ausnahmen nur dann erlaubt, wenn keine adäquaten Ersatzmaterialien vorhanden sind. Diese gibt es allerdings schon für breite Einsatzbereiche.

Die IT-Industrie zieht derweil auf europäischer Ebene hinter den Kulissen alle Register, um vermeintliches Unheil abzuwenden. Interessanterweise spricht sich der europäische IT-Fachverband Eurobit in einer Stellungnahme gar nicht strikt gegen die Stoffverbote aus, nur sollten diese statt in einer Elektronikschrottverordnung im Chemikaliengesetz für alle Industriebranchen gelten. Außerdem paßt es den Computerherstellern nicht, für alle Altgeräte verantwortlich zu sein. Die bisher geplante deutsche ITVO hätte vorgesehen, nur die Geräte in die Verordnung einzubeziehen, die von einem festen Stichtag nach Inkrafttreten der Verordnung an in Verkehr gebracht werden. Die Industrie wäre also für die bestehenden Schrottberge nicht in der Pflicht. Dies genau will aber die DG XI.

Doch die Vorschläge der EU-Umwelt-Experten scheinen nicht so exotisch zu sein, wie sie anmuten. "Mit großer Sicherheit", so Peter Knitsch vom MURL, würde auch über die im Entwurf der DG XI vorgeschlagenen Stoffverbote diskutiert werden. Der Grund: "Es muß sichergestellt werden, daß der größte Teil des anfallenden Elektronikschrotts schadlos wiederverwertet werden kann." Daß man zum Schluß komme, dies sei nur durch mittelfristige Verbote bestimmter Stoffe oder Stoffgruppen zu garantieren, hält Knitsch "nicht für ausgeschlossen".

*Stephan Eder ist freier Journalist in Bonn.