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Romeo sucht Julius im Internet - Homosexuelle sind stark vernetzt

19.02.2007
Internet-Datingforen haben das Leben vieler Schwuler mehr verändert als die so genannte Homo-Ehe.

Gerade für junge Schwule oder aber auf dem Land sind die Dating-Portale besonders hilfreich - hier kann man diskret Gleichorientierte finden. Ohne viel Aufhebens ist dann nach virtuellem Kennenlernen auch ein Treffen im Viertel oder etwa in der Firma möglich. Nach Schätzungen sind etwa fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung in Deutschland homosexuell - genaue Zahlen gibt es nicht, da viele nach wie vor lieber "ungeoutet" leben.

"Online-Dating spielt auch bei Lesben eine Rolle, gerade bei Jüngeren. Nach meinem Eindruck geht es aber dabei im Gegensatz zu dem Verhalten vieler - nicht aller - Schwuler weniger eindeutig um schnellen Sex", sagt die Redakteurin des Lesben-Magazins "L-Mag" in Berlin, Gudrun Fertig. Die beliebteste Lesben-Dating-Homepage heiße lesarion.de.

Als männliche Homosexualität in Deutschland noch strafbar war, gab es nur heimliche Treffpunkte wie Parks oder Saunen. Inzwischen ist längst eine schwule Szene mit Bars, Restaurants, Buchläden und vielem mehr entstanden. Sie wird zwar nicht von allen Homosexuellen genutzt, macht aber schwulen Lebensstil vor allem in Großstädten sichtbar. Das Internet ist ein weiterer Entwicklungsschub bei der Emanzipation der Homosexuellen, für manchen aber auch ein Rückschritt, da das Internet das Auftreten in der Öffentlichkeit überflüssig machen könnte. "Das Internet bietet neue Treff-Chancen für Schwule. Spezielle Bars und andere Institutionen der Schwulen-Szene leiden aber ein bisschen an Auszehrung durch die überdurchschnittliche Nutzung der Homosexuellen von solchen Portalen", sagt der emeritierte Bremer Soziologe und "Schwulenforscher" Rüdiger Lautmann.

Beliebte Schwulen-Portale heißen etwa "Gaychat", "Gayroyal" oder "Gaydar" - das Wortspiel aus dem englischen Wort für schwul und Radar beschreibt den speziellen Blick, mit dem sich Schwule im heterosexuellen Mehrheitsdschungel erkennen. Der Marktführer "Gayromeo" wird in der Szene sogar scherzhaft "schwules Einwohnermeldeamt" genannt. Dort sind weltweit mehr als 420.000 Profile (kleine Homepages mit Bildern und Selbstbeschreibungen) registriert, davon allein in Deutschland etwa 260.000. Jeden Abend sind mehrere zehntausend Männer online. Die "taz" schrieb bissig über die schwulen Dating-Foren: "Die Rosa Listen sind wieder da." Sie seien zwar freiwillig und selbst angelegt, aber dafür auch detaillierter als einst bei den Nazis, hieß es bei der Tageszeitung.

Als der Berliner Jens Schmidt sich vor mehr als vier Jahren entschloss, ein Internet-Forum für Schwule zu gründen, wählte auch er mit "Gayromeo" ein Wortspiel als Namen: Romeos suchen sozusagen ihren Julius bei ihm. Mit Schmidts Portal ist Deutschlands schwule Internet-Gemeinde besonders verbandelt. Es ist zu einer Art Synonym für Schwule im Netz geworden. Die Beliebtheit rührt wohl auch daher, weil es größtenteils kostenlos ist und besonders viele Möglichkeiten bietet. In der virtuellen Parallel-Welt geht es nicht nur um Sex. In speziellen Online-Clubs finden sich etwa auch schwule Loriot-Fans zusammen oder schwule Feuerwehrmänner.

Umstritten ist, dass bei manchem schwulen Portal, wenn es um Sex geht, jeder in seinem Profil als Standpunkt zum Thema "Safer Sex" auch "Niemals" anklicken kann. Dadurch werde dieses Verhalten mancher Schwuler jedoch wenigstens sichtbar, sagen die Betreiber von "Gayromeo", die an anderer Stelle ausführlich über Risiken wie Aids aufklären.

Der schwule Berliner Autor und Schauspieler Frank Sandmann hat ein Theaterstück und einen Liederabend über das Leben, aber auch die Probleme mit Dating-Portalen geschrieben ("Gayromeo ist schuld"). Darin erzählt er vom Suchtpotenzial, das die Internet-Seiten bergen, und wie langweilig es eigentlich sei, sich "maßgeschneiderten Sex" im Netz zu suchen. Dass das nur ein schwules Thema sei, glaubt er nicht. "Heteros reden nur nicht so offen darüber." (dpa/tc)