Rohrkrepierer

13.11.1987

Ein Hersteller, der über den Preis verkauft, ist - wie jeder Händler weiß - von seinen Produkten nicht überzeugt, oder er will, koste es, was es wolle, Marktanteile gewinnen. Seltsamerweise bat jüngst IBMs Oberboß John F. Akers eine erlauchte Schar von nicht weniger als 150 Personen in Mama Blues Großfirmen-Erziehungszentrum (Corporate Education Center - über die Übersetzung lassen wir mit uns reden), um eben diese altbekannte Irrlehre vom Schleuderpreis-Marketing zur Konzerndoktrin zu erheben: " Wir machen's billiger."

Was trieb den wackeren Topmanager um? Da kaum anzunehmen ist, daß sich Akers dem Verdacht aussetzen wollte, entweder halte er nichts von IBM-Rechnern oder er habe es nötig, den Anwendern nachzulaufen, bleibt nur eine Erklärung: Der Gute war in Panik. Kein Wunder, waren doch die ins Schulungslager Bestellten die einzigen Menschen, vor denen sich selbst ein blaugestreifter Halbgott vom Armonker Olymp ein ganz klein wenig fürchtet: Opinion Leaders aus der New Yorker Börsenszene.

Die Wall-Street-Crasheria erheischte Antwort auf die peinliche Frage: "Wann bringt Big Blue die Umsatzrendite wieder nach oben?" Als eine der 30" Blue-Chip-Companies" (die gab's schon, als IBM noch keine Halbleiter produzierte) steht die Mainframeschmiede dummerweise mitten im Rampenlicht der (finanzinteressierten) Öffentlichkeit.

Angriff, so entsann sich Brother John, ist noch allemal die beste Verteidigung. Und gebärdete sich entsprechend furchterregend, um bei den Auguren Eindruck zu schinden. Der Schuß ging nach hinten los. Zwar mag sich der eine oder andere Konkurrent, der nicht auf die Qualität seiner Produkte vertraut, sondern auf die Dummheit seiner Kunden, jetzt angsterfüllt den Schweiß von der Stirn wischen. Aber mit seinem Bekenntnis zum Preiskrieg legte Akers auch Zeugnis ab von den vielen Wunden des blauen Riesen. Ausgerechnet im Midrange-Bereich, in dem IBM mit dem "VAX-Killer" 9370 Terrain gutmachen wollte, sind die Resultate "flat", und zwar als "Auswirkung der Umstellung a u f die 9370".

Die Mikro-/PC-Umsätze steigen, sagt President John F. (Akers). Richtig. Verglichen mit dem mageren Ergebnis von 1986, dem Jahr der Ausverkäufe gleich mehrerer zu teurer PC-Ladenhüter. Gewinne fielen dabei für den Koloß kaum ab. Der Riese braucht die großen Rechner für die großen Profite. Sagt ja auch Kassenwart Frank Metz.

Nach lautem Säbelrasseln in Richtung PCM, Leasing-Branche, TPM, Softwarehäuser, Clone-Hersteller wird Akers kleinlaut, wenn's um die Wachstumsprognosen geht. Mit vier Prozent im Jahr wäre er wohl zufrieden. Als er noch John Opel als Chairman of the Board vor der Nase hatte, glaubte er (offiziell) noch an 15 Hundertstel Plus per annum bis zum Jahr 1990. Lohnt dafür der (Show-)Aufwand vor den Börsengurus? Sagt der alte Kaufmann: "Es gibt Geschäfte, da legen wir zu; da muß es dann die Masse bringen!" Mit immer noch fast vier Milliarden Dollar Jahresüberschuß - das ist als seriöse Schätzung für 1987 erlaubt - kann sich

Big Blue das offenbar noch leisten.