Big Blue sichert sich weitere Schlüsselpositionen im DDR-Markt

Robotron will mit Siemens, SAP und IBM kooperieren

23.03.1990

MÜNCHEN - (vwd/gs) - Robotrons Buchungsmaschinenwerk in Karl-Marx-Stadt und der Berliner Robotron-Vertrieb wollen künftig mit IBM zusammenarbeiten; parallel dazu wird das "Projekt Dresden", so die Bezeichnung für das Softwarehaus des Kombinats, zusammen mit Siemens und SAP ein gemeinsames Software- und Systemhaus gründen.

Das Ziel der westlichen Computerbauer ist in beiden Fällen dasselbe: die im Ostblock installierte Robotron-Hardware durch eigene Produkte abzulösen. Dabei hat IBM aufgrund des 360- beziehungsweise 370- kompatiblen Eser-(Einheitliches System der elektronischen Rechentechnik-)Standards im Ostblock von vornherein die deutlich bessere Ausgangslage. Mit der Vertriebsorganisation des Kombinats konnte Big Blue sich jetzt zusätzlich - nach der Kooperationsvereinbarung mit sieben großen Rechenzentren bereits eine zweite Schlüsselposition auf dem DDR-Markt sichern.

Den Stuttgartern liegt bei der Zusammenarbeit, so Alfred E. Esslinger, Geschäftsführer der IBM Deutschland, vor allem an den "hervorragenden Branchen- und Software-Erfahrungen" der DDR-Partner. Diese hoffen auf Kontinuität in der Kundenbetreuung sowie auf bessere Effektivität und Auslastung ihrer Kapazitäten.

Für den Anfang soll die IBM-Robotron-Kooperation sich, wie es heißt, auf die Bestandspflege und die Wartung von Eser-Rechnern der mittleren Leistungsklasse in der DDR und in den übrigen RGW-Staaten erstrecken. Nachdem darunter auch zu verstehen sei, daß man Unternehmen berät und gegebenenfalls prüft, inwieweit die vorhandene DV-Ausstattung noch zeitgemäß ist, sei gleichzeitig auch der Vertrieb von IBM-Produkten und -Dienstleistungen in der DDR geplant. Darüber hinaus wollen die Beteiligten auch bei der Kunden- und Mitarbeiterschulung sowie bei der Software-Entwicklung in der DDR kooperieren.

Eine gemeinsame Arbeitsgruppe wird in den nächsten Wochen die Details der Zusammenarbeit klären. Weitere Gespräche sollen über die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens entscheiden, das dann eventuell Robotrons DV-relevante Teile übernehmen wird.

Angesichts der bereits jetzt übermächtig scheinenden Position von Big Blue auf dem DDR-Markt setzt Siemens auf Software. Mit Hilfe der SAP-Software (das Walldorfer Unternehmen ist mit 370 Millionen Mark Umsatz und weltweit 1400 Mitarbeitern das größte bundesdeutsche Softwarehaus) hofft man, den ostdeutschen Eser-Anwendern einen Umstieg auf BS2000-Systeme schmackhaft machen zu können. Die Mitarbeiter des geplanten Gemeinschaftsunternehmens sollen von Robotrons "Projekt Dresden" kommen. Das Softwarehaus des Kombinats erzielte im letzten Jahr mit zirka 1000 Mitarbeitern einen Umsatz von über 200 Millionen Mark.

Im einzelnen soll das noch namenlose Unternehmen von Dresden aus Standardsoftware-Lösungen vertreiben und anpassen, kundenspezifische Software entwickeln und allgemein Dienstleistungen im EDV-Bereich anbieten. Ein Einstiegsmarkt ist, wie Siemens-Sprecher Jan Buchmann hervorhebt, jetzt schon vorhanden: Immerhin seien 100 der schätzungsweise 600 größeren DV-Installationen in der DDR Siemens-Systeme.

Ein Termin für die Unternehmensgründung wurde nicht genannt, sie solle jedoch so bald wie möglich erfolgen. Noch fehlten jedoch gewisse gesetzliche und handelsrechtliche Voraussetzungen in der DDR. Auch auf westlicher Seite gebe es Stichwort Cocom-Liste - noch Probleme.