Risikofaktoren bei eCRM-Projekten

15.05.2001
Von r gammel
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die Einführung eines elektronischen Customer-Relationship-Management-Systems ist eine komplexe Aufgabe. Projekte, die nicht gleichzeitig eingefahrene Geschäftsprozesse in Frage stellen, sind in der Regel zum Scheitern verurteilt. Daneben gilt es, entscheidende Weichen bereits vor Projektbeginn zu stellen.

Wer kennt sie nicht, die Berge von Werbepost, die zuerst unangefordert im eigenen Briefkasten und anschließend ungelesen im Altpapierkontainer landen.
Dabei sind die lieblos behandelten Schreiben nicht ausschließlich Massenwurfsendungen des Drogeriemarktes von nebenan.

Etliche Prospekte und Angebote kommen von Unternehmen, deren Dienstleistungen und Produkte wir regelmäßig in Anspruch nehmen und die unsere individuellen Bedürfnisse wahrscheinlich ziemlich gut kennen.

Doch dieses Wissen setzen bislang nur wenige Firmen gezielt zur bestmöglichen Vermarktung ihrer Angebote ein. Banken, Versicherungen oder Mobilfunk-Provider, sogar der lokale Fitness-Club könnten sich durch ein gut durchdachtes Customer-Relationship-Management (CRM) im hartumkämpften Markt jede Menge Wettbewerbsvorteile sichern.



Bei CRM zählt nicht nur die Gewinnmaximierung

Gerade in einer Zeit der zunehmenden Vernetzung, wo der Kunde immer öfter Mausklick-Reaktionszeiten auf seine Anfragen erwartet, sollte die Realisierung von E-Business-Projekten - wie beispielsweise auch der elektronischen CRM-Lösungen (eCRM) - sorgfältig geplant sein. Denn dem Kunden nützt es nichts, mit halb durchdachten Maßnahmen abgefertigt zu werden.

Daher ist bereits vor der Implementierung einer - wie auch immer gearteten - CRM-Lösung eine Reihe von Faktoren zu beachten:

- Schon vor Projektbeginn muss der weit gefächerte Begriff Customer-Relationship-Management genauer definiert werden.
Im Allgemeinen versteht man darunter eine Geschäftsstrategie zur Steigerung des Unternehmenserfolges durch Erhaltung, Ausdehnung und Verbesserung der Beziehungen zwischen den Unternehmen auf der einen sowie existierenden und potenziellen Kunden auf der anderen Seite.
Diese Strategie lässt sich allerdings vielfältig interpretieren: Während beispielsweise das britische Marktforschungsinstitut Ovum den Begriff eng auslegt und CRM als ein Konzept beschreibt, in dem profitable Kunden gebunden, Kosten reduziert und der Umsatz gesteigert werden, erstreckt sich das ganzheitliche Management der Kundenbeziehungen erfahrungsgemäß noch viel weiter.
Denn in der Definition von Ovum taucht beispielsweise die Gruppe der Interessenten gar nicht auf.
Doch bei der Realisierung einer CRM-Strategie sollten Unternehmen nicht allein die existierende Klientel und die Gewinnmaximierung im Auge behalten.
Die gesamte Beziehungskette - von der Erstanfrage des Interessenten bis zur Schaffung einer dauerhaften Bindung des Kunden an das Unternehmen - ist im CRM-Konzept zu berücksichtigen.
Dies bedeutet: Bei der Definition der CRM-Strategie muss unbedingt das Top-Management mit im Boot sein.

- Schließlich gilt es, eine ganze Reihe strategischer Entscheidungen zu treffen, bevor der tatsächliche Umfang des Projektes definiert werden kann:
Welche Kunden sollen erreicht werden? Wie lassen sich die Legacy-Systeme, also ältere Software, des Unternehmens in die neue Lösung integrieren? Sollen nur einzelne Bereiche in das Konzept eingebunden oder eine ganzheitliche CRM-Lösung implementiert werden?

- Sobald der Umfang der anvisierten Kundenbindungsmaßnahmen festgelegt ist, gilt es, diese Definition allen Beteiligten zu vermitteln. Nur so kann gewährleistet werden, dass sich sämtliche Projektmitarbeiter der Umsetzung der CRM-Strategie mit denselben Erwartungen und Zielen widmen.

Vom Testballon zur komplexen CRM-Lösung

Dabei wird die Komplexität von CRM-Projekten häufig unterschätzt. Nicht zuletzt deshalb ist auch die klare Zielsetzung der neuen Strategie so wichtig.

Die notwendigen Veränderungen und Anpassungen der Geschäftsprozesse bei der Implementierung von CRM-Lösungen bereiten erfahrungsgemäß die größten Schwierigkeiten.
Auch die sinnvolle Einbindung gewachsener Datenbestände ist technisch nicht trivial. Denn in der Regel greifen innerhalb eines Unternehmens die unterschiedlichsten Abteilungen wie Rechnungswesen, Logistik, Vertrieb oder Einkauf zwar auf dieselben Kundendaten zu, fokussieren ihre Sicht jedoch auf die für sie relevanten Fakten und vernachlässigen die "am Rande".

So wird beispielsweise ein Mitarbeiter des Rechnungswesens keine Einsicht in die mit dem Kunden vereinbarten Lieferbedingungen haben, in der Logistik werden keine Daten über die vereinbarten Konditionen vorgehalten.
Der Forderung nach einem individuellen Service in allen Bereichen kann nur mit einer unternehmensweit einheitlichen Sicht auf die Kundendaten entsprochen werden.

Systeme, die solche Prozesse intelligent steuern, sind in Zeiten des sich verschärfenden Wettbewerbs von strategischer Bedeutung. Doch es liegen zahlreiche Steine auf dem Weg der Realisierung: Allein der Anspruch, eine einheitliche, kundenbezogene Sichtweise der Daten herzustellen, kann bereits ein extrem kostenintensives Unterfangen sein.

Zudem muss nicht nur die Vereinheitlichung der Daten gewährleistet werden, auch die Datenqualität ist ein kritischer Erfolgsfaktor. Schließlich kann das Ergebnis einer mit CRMTools unterstützten Kampagne nur so gut sein wie das Datenmaterial, das zur Verfügung steht.

Um die CRM-Strategie nicht von vornherein zum Scheitern zu verurteilen, sollten derartige Projekte daher grundsätzlich nach dem Motto "Think big, start small" durchgeführt werden.
Erfahrungsgemäß sind die Erfolgsaussichten im Customer-Relationship-Management umso besser, je schneller die Implementierung gelingt. Schließlich kann bereits mit kleinen Services eine starke Kundenbindung erzielt werden.

   Die Integration eines CRM-Systems in das Back-Office ist technisch äußerst komplex.Dieser Aufwand lohnt sich aber nur, wenn die richtigen Ziele gesteckt und Geschäftsprozesse entsprechend angepasst werden.  
   Die Integration eines CRM-Systems in das Back-Office ist technisch äußerst komplex.Dieser Aufwand lohnt sich aber nur, wenn die richtigen Ziele gesteckt und Geschäftsprozesse entsprechend angepasst werden.  

Ein Beispiel: Während der Vertrieb hochkomplexer Maschinen über das Internet nach wie vor extrem kostenaufwändig und schwierig ist, lassen sich die für das Gerät erforderlichen Schmierstoffe über einen E-Shop relativ problemlos via Internet vertreiben.

Wenn der Maschinenhersteller seinen Kunden gut kennt, wird er ihn zum richtigen Zeitpunkt daran erinnern, dass die Schmierstoffe in der Maschine wieder gewechselt werden müssen, und ihm ein Angebot über die Lieferung der Produkte machen.
Dieser Service erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass der Kunde auch in Zukunft sein Zubehör beim Hersteller bestellt. Schritt für Schritt können - nach der erfolgreichen Implementierung eines derartigen "Testballons" - anschließend auch komplexere CRM-Lösungen realisiert werden.

Kriterien eines erfolgreichen CRM-Ansatzes

Ein erfolgreicher CRM-Ansatz besteht also aus folgenden, aufeinander aufbauenden, Elementen:
Der Entwicklung einer Kundenstrategie, der weiterführenden Analyse von Kundenzufriedenheit und -loyalität, dem Aufbau und dem Management von Kundenloyalitätsprogrammen, der Initiierung eines One-to-One-Marketing-Dialogs und dem kontinuierlichen Lernen aus der Kundenbeziehung.

Voraussetzung für ein effektives Management der Kundenbeziehungen ist die Existenz einer kundenorientierten Unternehmenskultur und das Vorhandensein einer geeigneten IT-Infrastruktur zur Speicherung, Auswertung, Bereitstellung und Nutzung der im Kundenkontakt anfallenden Daten.

Setzt doch die kundenindividuelle Beratung und Betreuung neben entsprechend ausgebildeten Mitarbeitern auch den Einsatz leistungsfähiger Anwendungslösungen voraus, die das Personal optimal unterstützen.
Anwenderfreundliche Toolsets für das Kampagnen- und Event-Management, die Einrichtung eines Call-Centers oder der Aufbau eines Data Warehouse sind nur einige Beispiele dafür, wie ein Unternehmen durch den Einsatz technischer Lösungen die Beziehung zu seinen Kunden verbessern kann.

Der Erfolg eines CRM-Projektes hängt zudem wesentlich von der Bereitschaft des Managements und der Mitarbeiter ab, die Unternehmens- und Vertriebskultur zu modernisieren.
Projekte, in denen etwa das Vertriebs-Controlling statt der Vertriebsunterstützung im Vordergrund steht, sind von vornherein zum Scheitern verurteilt. Hier muss die Wirtschaft umdenken: Während in der Vergangenheit in der Regel das Angebot die Nachfrage bestimmte, zählt nun zunehmend der Kundenwunsch.

Der Kunde wird König

Die produktfokussierenden Unternehmensstrategien weichen mehr und mehr dem Service-Prinzip. Kundenbindung entsteht heute vorrangig dadurch, dass sich Unternehmen immer schneller an sich ändernde Markterfordernisse anpassen und so ihren Kunden maßgeschneiderte Produkte und Dienstleistungen anbieten.
Allerdings beschränkt sich richtig eingesetztes CRM nicht nur auf die Vermarktung neuer Produkte und Dienstleistungen an bestehende Kunden. Vielmehr gilt es auch, deren Wunsch nach einem festen Ansprechpartner (One-face-to-the-customer) zu berücksichtigen.

Standen bisher DV-gestützte Effizienzsteigerungen im Fokus der Unternehmen, reicht es heute nicht mehr aus, nur die internen Prozesse zu verbessern.
Die neue Herausforderung besteht darin, bestehende Prozesse zu verändern und gleichzeitig die Kunden- und Lieferantenbeziehungen mit einzubeziehen.

Um im harten Wettbewerb die Kunden auch dauerhaft an das eigene Unternehmen zu binden, bedarf es weit mehr als der Aufrechterhaltung des mehr oder weniger regelmäßigen Kundenkontaktes. Denn eins ist klar: Im Markt der Zukunft ist der Kunde tatsächlich König.