RISC-Flirt der AS/400-Mannen Dieter Eckbauer

13.05.1994

Das Anwendungs-System AS/400 heisst jetzt "Advanced Series", was immer das ausdruecken soll (siehe Thema der Woche, Seite 7: "AS/400 - Spagat zwischen blauer und offener Welt"). Die IBM-Marketiers fuerchten zu Recht, dass sie mit der von gewissen Presseorganen (wie der CW, Anmerkung des Kolumnisten) als proprietaer abgestempelten Midrange-Maschine in eine Sackgasse geraten koennten. Ein neues Etikett und das Bekenntnis zur Offenheit loesen das Problem nicht. Fuer die einen ist es Halbherzigkeit, fuer die anderen Verrat: Unix- Interessenten werden sich an IBMs RS/6000-Angebot halten, die Schraegstrich-Klientel muss der RISC-Flirt der AS/400-Mannen aus Rochester beunruhigen.

Niemand sollte verlangen, die IBM haette gefaelligst ihr Versprechen einzuhalten, die Investitionen der Schraegstrich-Anwender zu schuetzen. Big Blue kommt um eine Begradigung der Produktpalette nicht herum. Dass das nicht ohne Hobeln funktionieren kann, versteht sich von selbst. Es geht um mehr als um den Fortbestand einer Rechnerreihe, die beim Mainframe-Marktfuehrer seit jeher eine Zwitterstellung innehatte, beliebter bei den Kunden als bei der IBM selbst, die auf die 370 setzte.

Der Paradigmenwechsel weg von der Host-DV, hin zum Client-Server- Computing, fordert die ganze IBM. Dabei steht weniger der Wunsch der Anwender nach Interoperabilitaet und Portabilitaet im Vordergrund, so sehr die IBM um diesen Eindruck bemueht ist, als vielmehr die Notwendigkeit, in Zukunft unrentable Parallelentwicklungen zu vermeiden. Es rechnet sich fuer die IBM einfach nicht, konkurrierende Plattformen und Betriebssysteme zu unterstuetzen. Seit laengerem weiss man, dass die proprietaere AS/400- Umgebung ausgetrocknet werden muss.

Damit wird klar, wie das juengste AS/400-Announcement einzustufen ist: Die IBM will im Midrange-Bereich zweigleisig fahren, solange ihr endgueltiges Client-Server-Votum noch aussteht. Das CS-Konzept kann nicht aufgehen, wenn die AS/400 geschlossen bleibt. Teufelskreis: Ist sie erst einmal offen, dann gibt es fuer die Schraegstrich-Anwender keinen Grund, bei der Stange zu bleiben. Mehr noch trifft das auf die Softwarehaeuser zu, die ausschliesslich fuer die AS/400 entwickeln. Eine Schaukelpolitik kann verheerende Folgen fuer sie haben. Etwas davon ist bereits zu spueren im Kreis der AS/400-Softwarepartner der IBM.

Wenn Lcszlo Tarnai, Geschaeftsfuehrer der Muenchner R+S Software- Systems GmbH, orakelt, dass "die AS/400 jetzt wieder lebt", dann wird die Verunsicherung der auf die Schraegstrich-Plattform eingeschworenen Softwerker deutlich. Es darf weiter geraetselt werden, wie die IBM den RISC-Konflikt loesen will. Die RS/6000 kompliziert zu reden - nichts fuer Anwender, die auf Funktionalitaet und Benutzerfreundlichkeit Wert legen -, koennte sich als Bumerang erweisen. Die RS/6000 ist das modernere System. Dass sich der gewoehnliche IBM-Verkaeufer mit der offenen RISC-Maschine nur schwer anfreunden kann, spricht nicht gegen den AS/400-Konkurrenten. Die Anwender tun gut daran, sich auf einen Anpassungsprozess einzustellen, so unbequem das sein mag.