BMFT-Dokumentation streitet "negative Beschäftigungseffekte" ab:

Riesenhuber sieht Jobkilling durch DV nicht

17.07.1987

MÜNCHEN/BONN (ujf) - Die Sozialdemokraten im Bundestag sehen seit einiger Zeit die Auseinandersetzungen um die Frage "Neue Technologien und Arbeitsplätze" wieder härter werden und trauern der Technikfolgen-Enquête nach. Minister Riesenhuber blies nun zum Gegenangriff: Eine Dokumentation über "Mikroelektronik und Arbeitsplätze" soll solche Bedenken zerstreuen. Doch das Zahlenwerk hat Löcher.

Mit einer aktualisierten Analyse der "Beschäftigungseffekte moderner Informations- und Kommunikationstechnologien im Dienstleistungsbereich" hat sich zu Beginn der politischen Sommerpause Bundesforschungsminister Heinz Riesenhuber zu Wort gemeldet. Gestützt vor allem auf Erhebungen des Statistischen Bundesamtes und diverser Wirtschaftsforschungsinstitute kommt des Ministers Studie zu dem Schluß, die negativen Wirkungen moderner Technologien auf den Arbeitsmarkt würden "vielfach überschätzt" . Den Forderungen der Gewerkschaften und der SPD nach Wiedereinsetzung der Enquête-Kommission zur Technikfolgenabschätzung hält der Unionspolitiker entgegen, diesem Thema werde doch in seinem Hause "hohe Priorität eingeräumt".

Während die CDU/CSU-Fraktion dieses Aufgabengebiet offensichtlich bei ihrem Parteifreund Riesenhuber in guten Händen glaubt, sieht der Obmann der SPD-Bundestagsfraktion im Ausschuß für Forschung und Technologie, Josef Vosen, schon eine "Beerdigung dritter Klasse" für die Technikfolgenabschätzung vorher. Die bevorstehenden Auseinandersetzungen um Fragen wie "Neue Technologien und Arbeitsplätze" würden nur an Schärfe gewinnen, wenn versucht werde, sie aus dem Parlament herauszuhalten, schrieb Vosen im Tagesdienst seiner Fraktion.

Der Forschungsminister setzt in dieser Situation auf die Überzeugungskraft in Statistiken verpackter Zahlen 205000 zusätzliche Arbeitsplätze, so heißt es in dem 37 Seiten umfassenden Report, seien 1986 im Dienstleistungsgewerbe geschaffen worden, weitere 124000 Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe.

Die generelle Aussage: Die Branchen, die am meisten in moderne Technologien - vor allem Computer - investierten, hätten auch den größten Zuwachs an Arbeitsplätzen aufzuweisen. Umgekehrt seien Arbeitsplatzverluste in denjenigen Branchen zu beobachten, die "den Einsatz moderner Arbeitsmittel nur unterdurchschnittlich erhöht" hätten - etwa Handel und Verkehr. Beim Nachweis der These, daß die Beschäftigungslage vom Computer- oder Geräteeinsatz abhängt, tut sich das BMFT allerdings nicht leicht (siehe auch Kolumne, Seite 9).

So kommt der mit 70000 Stellen dickste Brocken bei den neuen Dienstleistungsjobs laut BMFT-Dokumentation nicht von einem Wirtschaftszweig, sondern vom öffentlichen Dienst. Von den "übrigen

Dienstleistungen" mit 46 000 neuen Arbeitsplätzen gehört wiederum das

Gesundheits- und Veterinärwesen zu den größten und expansivsten Branchen. Von 1980 bis 1986, so berechnete das BMFT aufgrund von Daten aus der Bundesanstalt für Arbeit, stieg die Zahl der in diesem Bereich beschäftigten sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer um 172000 (Stand vorher: 1 Million).

Für einen Vergleich 1985/1986 fehlt leider das Zahlenmaterial; geht man vom Durchschnittswachstum des Gesundheitssektors aus, so müssen hier 1986 an die 30000 neue Stellen entstanden sein. Zusammen mit den 70000 weiteren Planstellen im öffentlichen Dienst sind also die 100000 voll: Jeder zweite im vorigen Jahr geschaffene Arbeitsplatz im Dienstleistungsbereich ist nicht unmittelbar der Investitionstätigkeit von Unternehmen auf dem freien Markt zuzuschreiben.

Über dieses nur zwischen den Zeilen zu findende Eingeständnis hinaus geben die Autoren der Riesenhuber Dokumentation zu erkennen, daß sie Befürchtungen durchaus ernst nehmen, verstärkter DV-Einsatz könne zu Personaleinsparungen führen: "Die verstärkte Anwendung der Mikroelektronik im Dienstleistungsbereich (hat) Befürchtungen ausgelöst, daß nun auch hier eine Rationalisierungswelle eingesetzt hat, und insbesondere in den Branchen, die hier eine Vorreiterrolle übernommen haben, Arbeitsplatzverluste bereits zu beobachten beziehungsweise in der nächsten Zeit zu erwarten sind."

In der Zusammenfassung des Werks kommt das BMFT nichtsdestotrotz zu dem Schluß: "Die Analyseergebnisse sowohl für den Dienstleistungsbereich als auch für das verarbeitende Gewerbe lassen erkennen, daß die negativen Arbeitsmarktwirkungen moderner Technologien vielfach überschätzt werden... In der zielstrebigen Fortsetzung des eingeschlagenen Wegs der Modernisierung der deutschen Wirtschaft liegt eine wesentliche Voraussetzung für die Bewältigung der derzeitigen - überwiegend außenwirtschaftlich bedingten - Wirtschaftlichen Unsicherheiten und Risiken."