Deutsches Forschungsnetz soll Vorreiterrolle in Europa spielen

Riesenhuber: Mit Fakten Normung beeinflussen

06.04.1984

ST. AUGUSTIN/BONN (bi) - Vor einer hochkarätigen Teilnehmerschar aus Forschung, Industrie und Politik feierte Bundesforschungsminister Heinz Riesenhuber jetzt die Gründung des Vereins zur Förderung eines deutschen Forschungsnetzes (DFN). 21 Mitglieder aus Großforschung, Universitäten und Industrie haben sich am 12. Januar 1984 zum DFN-Verein zusammengeschlossen, dessen Ziel zunächst die Bildung eines offenen Verbundsystems über Datex-P von Hochschul- und anderen Forschungsrechenzentren ist. Mit von der Partie sind DEC, IBM, Nixdorf, Philips und Siemens.

Riesenhuber sagte, dieser. "Bund der Verbündeten" solle "zu einer einzigen integrierten Arbeitsgemeinschaft zusammenwachsen". Erfolgreich werde das Projekt jedoch erst dann, wenn die Mitwirkung des Staates überflüssig geworden sei. In der Aufbauphase investiert das Bundesministerium für Forschung und Technologie (BMFT) 60 Millionen Mark für die sich beteiligenden öffentlichen Einrichtungen, wie zum Beispiel die Fraunhofer-Gesellschaft, das Hahn-Meitner-Institut, die Max-Planck-Gesellschaft etc.

Der DFN-Verein verfolgt mit dem Aufbau des Forschungsnetzes mehrere Absichten, im wesentlichen wettbewerbspolitische, wissenschaftliche und finanzielle. Wettbewerbspolitisch soll die Schaffung von Tatsachen beziehungsweise von praktizierten Beispielen in die Normierung der höheren Schichten des ISO-Referenzmodells, 4 bis, einwirken. Man wolle sich jedoch, was bereits festgelegte Normen betreffe, strikt an ISO und CCITT halten und mit diesen Gremien eng zusammenarbeiten. Einerseits soll der Verein - nach den Worten Minister Riesenhubers - ein Sprachrohr sein, das den europäischen Partnerländern gegenüber die "nationale Position" vertreten kann, andererseits wolle man aber durchaus "keine Nationalisierung der Wissenschaft". Hoffnungsvoll bezeichnete der BMFT das ehrgeizige Projekt auch als "Beginn zu einem europäischen Verbund, der jedoch kein geschlossener Club" werden sollte.

Für den gesamten wissenschaftlichen Sektor versprechen sich die Vereinsgründer gravierende Verbesserungen. Der Verbund von Rechner- und Datenbank-Leistung könnte die "kritische Masse" schaffen, die schließlich aus dem vielbeklagten Nachhinken der Bundesrepublik in der technologischen Entwicklung wieder Spitzenpositionen machen könnte. Angesprochen wurden hier speziell die Bereiche VLSI-Entwurf, CAD/CAM/CAE, Hochenergie- und Plasmaphysik, Robomation, Mustererkennung und die gemeinsame Nutzung verteilter Datenbanken.

Den finanziellen Vorteil sehen die Initiatoren in erster Linie in eben dieser gemeinsamen Nutzung nationaler und internationaler Rechner- und DB-Ressourcen für ihre "industrienahe Forschung" beziehungsweise Produktentwicklung.

Das Deutsche Forschungsnetz will durch entsprechende Softwareentwicklungen folgende Leistungen anbieten:

Wahlfreier und ungehinderter Zugriff der bei den beteiligten Institutionen installierten Dialoggeräte auf alle DV-Dienste im gesamten Netz (Dialogverbund);

Übertragung von Datenbeständen zwischen beteiligten Institutionen (Datenverbund);

Nutzung verteilter Ressourcen durch Rechner-Rechner-Kommunikation (Programmverbund);

Austausch von Texten und Nachrichten zwischen den beteiligten Institutionen (Nachrichtenverbund).

Seitenhieb

Im Rahmen der Festveranstaltung zur Gründung des DFN-Vereins legte es Professor Dr. Karl Zander vom Hahn-Meitner-Institut, Berlin, und im Vorstand des neuen Vereins, Minister Riesenhuber ans Herz, sich beim Ministerkollegen Christian Schwarz-Schilling für "gebührliche Gebühren" einzusetzen. Auf diesen "keuschen Hinweis" ging der BMFT überraschenderweise ausführlich ein. Kernsatz seiner Stellungnahme zur offenen Gebührenfrage: "Die Einstiegsdroge muß billig sein!"