RFID: Noch fehlen Business-Konzepte

08.12.2005
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.

Weit mehr als ein Ersatz für die Barcode-Kennzeichnung

IBM-Manager Rindle definierte eine Art Evolution der RFID-Vorteile: Die Kostenersparnis sei nur der erste Schritt, im zweiten kämen Qualitätsverbesserungen hinzu, auf der dritten Stufe entständen neue, RFID-basierende Dienstleistungen. Damit diese Vision Realität werden könne, müssten die Anwender jedoch umdenken. Für sie sei RFID heute oft nicht mehr als "Tag" und Lesegerät. Doch ganz abgesehen von der zur Datenauswertung notwendigen Middleware - wie sie beispielsweise die IBM anbietet - erfordere ein erfolgreicher Einsatz der RFID-Technik auch Management-Entscheidungen, beispielsweise die, wie mit geringfügigen Abweichungen umzugehen sei.

Tony Taylor, europäischer Direktor des Standardisierungsgremiums EPC Global , legte ebenfalls den Finger in die Business-Wunde: Die vermeintlichen technischen Hindernisse entpuppten sich oft als Unfähigkeit, die Prozesse zu ändern. RFID sei eben weit mehr als nur ein Ersatz für die Barcode-Technik, bestätigte der ehemalige Wal-Mart-Manager seine Vorredner. Langfristig gelte es deshalb, neue Business-Modelle zu entwickeln, mit denen sich die Vorteile der kontinuierlichen und berührungslosen Überwachung ausschöpfen ließen. Fehlende Technik und hohe Preise hätten als Entschuldigung für das Abwarten ausgedient. Auf der anderen Seite gebe es aber immer noch keine Plug-and-Play-Kompatibilität.

Bestandteil eines größeren Zusammenhangs

Das beklagt auch Claus Heinrich, Vorstandsmitglied der SAP AG, die in Düsseldorf ebenfalls die Chance zur Darstellung ihrer RFID-Strategie erhielt. "Die Probleme sind immer noch technischer Art", widersprach Heinrich der vorherrschenden Meinung.

Das Ziel ist ein geschlossener Rückmeldungskreislauf, sagt SAP-Vorstand Claus Heinrich.
Das Ziel ist ein geschlossener Rückmeldungskreislauf, sagt SAP-Vorstand Claus Heinrich.
Foto: Informationsforum RFID

In seinem Buch "RFID and beyond" vertritt der SAP-Vorstand ohnehin die Ansicht, Funkfrequenzerkennung müsse als Bestandteil eines größeren Zusammenhangs gesehen werden. Das eigentliche Thema sei der geschlossene "Feedback-Loop". Dazu gelte es, die größtenteils schon vorhandenen Kontrolleinheiten und Sensoren im Rahmen einer unternehmensweiten Servicearchitektur zu integrieren, wie sie SAP unter dem Kürzel ESA propagiert. In einer "gestuften Systemlandschaft" lasse sich das verwirklichen, was Heinrich "Ausnahmen-gesteuertes Management" nennt: Jede Einheit ermittelt ihre Daten autark und leitet sie nur auf die nächsthöhere Ebene weiter, wenn die Werte vom Normalfall abweichen.

Anwendungsbeispiel aus dem fernen Osten

Wenn RFID-Erfolgsgeschichten gefragt sind, werden im Prinzip immer dieselben Beispiele herumgereicht. Deshalb scheuten die Veranstalter des Düsseldorfer Kongresses weder Kosten noch Mühen, um ein unverbrauchtes Anwendungsbeispiel präsentieren zu können, Eigens eingeflogen - und simultan übersetzt - wurde Masakazu Nishida, Manager des Tokioter Kaufhauses Nihonbashi Mitsukoshi.

Der Konsumtempel erzielt einen für deutsche Verhältnisse unvorstellbaren Jahresumsatz von umgerechnet 2,5 Milliarden US-Dollar, davon etwa 300 Millionen allein mit Schuhen. Laut Nishida lassen sich in diesem Bereich etwa 15 Prozent der möglichen Verkäufe nicht abschließen, weil der gewünschte Schuh nicht in der richtigen Größe und Farbe vorrätig ist. Um das zu ändern - oder zumindet der Kundschaft nicht die Zeit zu stehlen - hat das Kaufhaus mit zunächst zehn Herstellern von Damenschuhen eine RFID-Lösung aufgebaut.

Die Ware wird beim Großhändler mit den Tags bestückt und im Warenwirtschaftssystem des Zentralcomputers von Mitsukoshi erfasst. Jeder Bezahlvorgang aktualisiert automatisch die Bestandsangaben. Die Verkäuferinnen sind mit PDAs ausgerüstet, die den Lagerstand in Echtzeit anzeigen und mit denen sie Nachschub beim Großhändler ordern können. Zudem ermöglichen "Self-Check-Inven- tory-Terminals" den Kunden, selbst zu prüfen, ob das Modell ihrer Wahl auf Lager ist. Wie Nishida berichtet, halbierte sich dadurch die Wartezeit für den potenziellen Käufer von 13 auf sechs Minuten. Zudem sei der Umsatz mit den RFID-gekennzeichneten Artikeln um zehn Prozent gestiegen.