Funkchip in der Brust

RFID in der Brust: Funksensor warnt vor Herzkollaps

01.04.2008
Von Handelsblatt 
Herz-Kreislauferkrankungen gehören zu den häufigsten Todesursachen. Vor allem arterieller Bluthochdruck ist ein zentrales Problem für die Medizin. Ein neues RFID-System überwacht den Blutdruck permanent im Lungenkreislauf und erleichtert so die Therapie.

Nur jede vierte Patient mit Bluthochdruck ist in Deutschland medikamentös richtig eingestellt ist, um die Hypertonie in Schach zu halten. Dabei gilt: Je genauer der Blutdruck erfasst wird, desto besser ist die Behandlung. Gängige Blutdruckmessmethoden sind nicht nur kompliziert, sie ermöglichen auch keine kontinuierliche Überwachung. Neue mikromedizinische Überwachungssysteme sollen das ändern. Eines dieser Mikrosysteme ist der 15 mal 3,4 Millimeter große Sensor der US-Firma CardioMems. Das minimal-invasiv eingesetzte Implantat misst den Blutdruck in dem Teil des Blutkreislaufs, der das Blut vom Herzen zur Lunge bringt und wieder zurück führt. Es sendet die Daten an ein externes Lesegerät, einen kleinen Rechner mit Empfangsantenne. Von da bezieht der Sensor zudem drahtlos seinen Strom, womit eine Batterie entfällt - was ein Novum ist. Das Besondere an der Lösung ist, dass der Patient bequem zu Hause seinen Blutdruck messen kann.

Anhand der Pulmonal-Blutdruckwerte kann der Arzt schon Tage oder Wochen vor einem akuten Problemfall Verschlechterungen der Herzleistung oder lebensbedrohliche Erscheinungen wie Lungenödeme erkennen. Gegenwärtig ist eine Messung dieser Werte fast nur durch einen Eingriff mit einem Pulmonalarterienkatheter möglich, was aufwändig ist und nur in der Klinik erfolgen kann und daher keine kontinuierlichen Werte liefert. "In sofern ist die Lösung von CardioMems ein echter Fortschritt", sagt Horst Sievert, Kardiologe und Angiologe im CardioVasculären Centrum am Frankfurter Sankt-Katharinen Krankenhaus.

Der Kardiologe hat den Sensor bereits sieben Patienten mit einem Herzfehler im Rahmen einer klinischen Studie eingesetzt mit Hilfe eines Katheters über die Beinvene. Der erste war ein 80-jähriger Mann aus Frankfurt, bei dem der Eingriff eine knappe Stunde dauerte. "Dieser Patient hat jetzt ein eingebautes Frühwarnsystem, wodurch er seltener ins Krankenhaus muss", sagt Sievert. Die Ärzte können anhand der regelmäßigen Messwerte die Behandlung der Patienten verbessern, was deren Lebensqualität und -erwartung erhöht. "Die Ergebnisse der Studie erfüllen bisher unsere Erwartungen, die Überwachung der Patienten zu Hause funktioniert hervorragend. Neben dem Patienten profitiert auch das Gesundheitswesen von der neuen Technik, weil die Behandlungskosten gesenkt werden", zieht Sievert positive Zwischenbilanz.

Bei dem ersten Eingriff wurde der deutsche Arzt von dem Kardiologen Jay Yadav aus Atlanta unterstützt, der den Sensor entwickelt hat und Mitbegründer von CardioMems ist. Kern des Systems ist ein RFID-Funkchip, der seine Daten über ein Handymodem an eine Datenbank im Internet sendet, über die der behandelnde Arzt jederzeit die Werte abrufen kann. "Vor uns hat noch niemand Informationen aus dem menschlichen Körper mittels Radiofrequenzen gewonnen", sagt Yadav. Er hält die Technik für jeden Patienten mit einer Herzschwäche geeignet.

CardioMems hat in den USA und Südamerika zudem bereits 1.000 Sensoren zur Überwachung von sogenannten Stent-Graft-Leckagen bei Aneurysmen der Aorta - einer gefährlich geweiteten Hauptschlagader - eingesetzt. Für die Anwendung bei Herz-Patienten ist im vergangenen Jahr eine große klinische Studie mit dem Ziel der Zulassung durch die FDA gestartet worden. "Die Zulassung des Produkts für den europäischen Markt ist für Ende des Jahres geplant.

Danach sollen in den einzelnen EU-Staaten pharmaökonomische Studien durchgeführt werden, um Krankenkassen dazu zu bewegen, die Kosten für das Produkt zu erstatten", erläutert Stephen Ralph, Vice President von CardioMems. Bislang gebe es in der EU kein einheitliches System der Kostenrückerstattung, was die Einführung von neuen Techniken erschwere, so Ralph. Die Firma hat darüber hinaus weitere Anwendungen für ihr Mikrosystem im Blick, so etwa die Messung des Drucks im Gehirn bei Patienten mit Wasserkopf oder die Überwachung von arteriellem Bluthochdruck.

Die Vielzahl der Möglichkeiten wie auch die Aussicht, die Anzahl der Klinikeinweisungen durch ein lückenloses Monitoring zu verringern, beflügelt Medizintechnik-Hersteller weltweit. Einen ähnlichen Ansatz wie CardioMems verfolgt die US-Firma Remon Medical Technologies. Auch Medtronic entwickelt ein implantierbares Gerät, das jedoch batteriebetrieben ist.

In Deutschland arbeiten an vergleichbaren transponderbasierten implantierbaren Mikrosystemen laut VDI/VDE/IT vor allem kleinere Technologiefirmen wie Issys, Sensocor, Mesotec und Campus Micro Technologies. Kernfragen, die noch zu klären sind, kreisen laut den Experten des Verbandes um die Datenübertragung und -auswertung, die Langzeitstabilität, die Energieversorgung sowie die Verträglichkeit solcher Systeme. Bis die Sensortechnik breit eingesetzt werden kann, werde es noch einige Jahre dauern.