Rezession: An der EDV wird nicht gespart

19.09.1980

Meinungsforscher und Wirtschaftswissenschaftler sind sich einig: Unsere Volkswirtschaft schlittert erneut in eine Rezession. Für die Datenverarbeiter gibt es indessen keine Zweifel, daß der Kelch, sprich Rotstift, auch diesmal an Ihnen vorübergehen wird. DV/Org.-Chef Wolfgang Behrens erklärt dies vor allem durch die starke Verflechtung nahezu aller Betriebsbereiche mit der DV. Diese bewirke, daß eine Budgetkürzung in der Datenverarbeitung lediglich eine Verlagerung der Kosten und dadurch einen vermehrten manuellen Aufwand in den Fachabteilungen nach sich ziehe. Oberstes Gebot im Falle einer Rezession ist für Behrens, daß sein Bereich personell optimal besetzt ist. Er würde sogar zusätzlich Leute einstellen, wenn andere Unternehmen diese aus vorgeschobenen Ersparnisgründen entlassen würden.

Horst Ahlborn DV-Leiter, AWA Couvert GmbH, Alfeld (IBM/3-12)

In unserem Unternehmen unterscheiden wir generell zwischen großem und kleinem Sparen. Während "großes Sparen" ausschließlich langfristig gesehen wird, ist "kleines Sparen" mittel- und kurzfristig ausgelegt.

Das große Sparen beginnt bei uns mit der richtigen Systemauswahl. Dabei legen wir großen Wert auf:

1. Wachstumsmöglichkeit ohne Betriebssystemwechsel.

2. Verfügbare Anwendungssoftware zur schnellen Realisierung der Dialogverarbeitung.

3. Erhalt des bestehenden Programm- und Dateninvestments durch Kompatibilität.

4. Sorgfältige Personalschulung.

5. Kosten der angebotenen Hardware sowie kurzfristige Lieferzeiten.

6. Abwägen der Hard- oder Software-Kosten durch Miete, Leasing oder Kauf. Erwägung von Mixed-Hardware.

Im Falle einer Rezession würde bei uns das kleine Sparen in Betracht gezogen werden. Hier sollte man vorrangig auf die alten und überholten Zöpfe verzichten. Abläufe und Auswertungen, die niemand mehr nutzen, bedürfen einer Erneuerung.

Der Einsatz von Dialogbetrieb ermöglicht uns heute, wesentliche Arbeiten von den Fachabteilungen ausführen zu lassen. Eine weitere Form der Kostenreduzierung wäre die Vereinheitlichung von Abläufen (möglichst gleiche Formate von Formularen für die Datenträger-Nachbearbeitung) .

Im Falle einer Rezession sollte vor allem durch eine sinnvolle Ausnutzung der Datenverarbeitung (in allen Belangen des Betriebes) gespart werden. Absurd wäre es, an den Funktionen der EDV zu sparen, denn sie ist nach wie vor ein Instrument zur allgemeinen Kostensenkung und damit zur Verbesserung des Betriebsergebnisses.

Jürgen Amhoff DV-Leiter, Omnia Möbelwerke GmbH, Detmold (IBM /3-12)

Wir sind ein mittelständisches Unternehmen der Möbelindustrie. Zur Zeit haben wir 470 gewerbliche und 130 angestellte Mitarbeiter beschäftigt. In der EDV sind zur Zeit sieben Mitarbeiter angestellt: Ein EDV-Leiter, ein Programmierer eine Operatorin und drei Datentypistinnen (eine Ganztags- und zwei Halbtagskräfte).

In unserem Hause ist die EDV immer unter dem Gesichtspunkt minimaler Kosten bei maximaler Leistung eingesetzt worden. Im Falle einer Rezession würde ich als erstes prüfen, ob mit vermindertem Datenanfall bei der Datenerfassung die Einsparung einer Halbtagskraft zu vertreten wäre wobei diese Entscheidung im Hinblick auf die zur Verfügung stehenden externen Datenerfassungsbüros keine Nachteile für das Unternehmen zur Folge haben müßte. Bei eventuellen Engpässen in der Datenerfassung könnten diese durch Überstunden oder durch Vergabe von Arbeiten außer Haus abgedeckt werden. Als nächstes wäre zu prüfen, ob durch den geringeren Datenanfall Einsparungen am System gemacht werden könnten: Es müßten alle Stammdateien überprüft werden, ob die vorgesehene Reserve, und bei den Arbeitsdateien ob die Satzanzahl verringert werden kann. Nach Abschluß dieser Prüfung müßte eine neue Plattenbelegung vorgenommen werden, aus der man ersehen kann, ob man mit weniger angemieteter Plattenkapazität "fahren" kann. Bei weniger Output am Drucker sollte man auch hier kontrollieren inwiefern Arbeiten mit einem um eine Stufe kleineren Drucker zu schaffen wären.

Bei der Hauptspeichergröße konnte man die gleichen Kriterien zur Anwendung bringen (weniger Daten, kürzere Programmlaufzeiten) Hier ist allerdings zu bedenken, daß bei einem 32-K-Hauptspeicher, eine Umstufung bei einem großen Teil der Programme Auslagerungsphasen zur Folge hätte. Da Auslagerungsphasen je nach Anzahl die Programmlaufzeiten um mehr als hundert Prozent vergrößern können, sollte diese Entscheidung durch Testläufe ermittelt und beeinflußt werden.

In der Programmierung könnten bei der bei uns vorhandenen Kapazität keine Einsparungen gemacht werden. Durch Änderung und Pflege von zirka 600 Programmen und aufgrund des geplanten Einsatzes neuer Programme wäre dies absolut nicht möglich.

Wolfgang Behrens Leiter der Datenverarbeitung und DV-Organisation, co op Schleswig-Holstein eG, Kiel (IBM /370-115, DOS/VS)

Sicher ist die Frage, wo wir in einer Rezessions-Phase im DV-Bereich zuerst sparen würden, gerade für den EDV-Bereich brisant und für das Gesamtunternehmen von größter Wichtigkeit, wenn der Ernstfall tatsächlich eintreten sollte.

Der DV-Bereich stellt in einem Unternehmen in gewisser Weise das Nervenzentrum dar. Sollte hier eingegriffen werden, würden unter Umständen unheilbare Krankheiten folgen. Fast alle Fachabteilungen sind heute so stark mit der DV verbunden, daß eine Budgetkürzung in der DV-Abteilung nur eine Verlagerung der Kosten und dadurch einen vermehrten manuellen Aufwand in den Fachabteilungen nach sich zieht. Es würde wahrscheinlich dazu führen, daß Unterlagen zur Steuerung des Unternehmens nicht zeitig genug vorliegen, um gerade in einer Rezessions-Phase rechtzeitig am Markt reagieren zu können.

Die überzeugende Argumentation eines DV-Leiters muß meiner Meinung nach bei einem guten Management auf fruchtbaren Boden fallen, um eine Budgetkürzung im DV-Bereich aus Gründen des Überleben-Müssens und -Wollens nicht vorzunehmen.

Gerade in der Zeit einer Rezession ist es von eminenter Wichtigkeit, daß der DV-Bereich personell optimal besetzt ist, um zusätzliche Forderungen der Geschäftsleitung bewältigen zu können.

Sollte eine Budgetkürzung unvermeidlich werden, gibt es vier Kostenblöcke, bei denen der Rotstift angesetzt werden könnte. Es sind dies die Personal-, Hardware-, Software- sowie Materialkosten.

Die Marktsituation für DV-Personal ist heute zumindest im Raum Schleswig-Holstein so schlecht, daß gute Kräfte nicht zu bekommen sind. Systemprogrammierer sind heute gesuchter denn je. Würde gutes Fachpersonal entlassen und ginge die Rezessions-Phase vorüber, könnten neue Aufgaben nicht gelöst werden, weil das erforderliche Personal fehlt. Keine Unternehmensleitung und keine Fachabteilung würde dafür Verständnis aufbringen.

Außerdem bezweifle ich, daß durch Freisetzen des ohnehin schon sehr knappen DV-Personals ein Unternehmen überleben kann, wenn nicht in allen Abteilungen des Unternehmens die variablen Kosten drastisch verringert werden. Die Kunst des Überlebens besteht doch darin, mit dem geringsten Kostenaufwand den größtmöglichen Erfolg zu garantieren.

Gerade dies kann in einer Phase der Rezession durch den noch effektiveren Einsatz der DV erreicht werden.

Ich würde sogar zusätzlich gute Organisatoren und Programmierer einstellen, wenn andere Firmen diese freigeben, um allen zusätzlichen Anforderungen begegnen zu können.

Möglichkeiten bei der Hardware Einsparungen vorzunehmen, sind in verschiedener Hinsicht gegeben:

- Mietanlagen können gekauft oder geleast werden.

- Es kann Fremdperipherie installiert werden.

Es gibt heute genügend Software-Häuser, die preisgünstige und gute Software-Pakete liefern. Ich meine, daß diese Möglichkeit zur Zeit noch zu wenig genutzt wird.

Dieses und eine Rezession wäre die Chance für die Software-Häuser, in diesen Markt verstärkt einzusteigen. Durch die zur Verfügung stehende preisgünstige Hardware kommt der Software immer stärker die Aufgabe zu, die vorhandene Hardwareleistung optimal zu nutzen.

Die Kosten für Formulare und Endlospapiere sind in den DV-Abteilungen stark gestiegen, bedingt durch immer mehr vorgedruckte Formulare sowie durch selbstdurchschreibendes Endlospapier das heute immer noch wesentlich teurer ist als Endlospapier mit Kohlebogen. Hier könnten Kosten gesenkt werden, indem man vorgedruckte Formulare auf Endlospapier verlagert und wieder das günstigere Tabellierpapier benutzt.

Eine einschneidende Budgetkürzung im DV-Bereich verringert sicher die Überlebenschance eines Unternehmens und würde von der Unvernunft des Managements zeugen.

Otto Martin Stangl EDV-Leiter und Datenschutzbeauftragter der Hormon-Chemie München

GmbH

Sicherlich kann man für das Problem "wo sparen bei einer Rezession keine Einheitsdiagnose stellen. Nicht jeder ist in den Zeiten der Hochkonjunktur zu dick geworden und es wäre verfälscht, wenn man ganz einfach raten würde, den Gürtel enger zu schnallen.

Sparmaßnahmen wird man bei Personalkosten, Hard- und Software sowie allgemeinen Zubehörkosten vornehmen müssen. Voraussetzung für ein wirkungsvolles Handeln wäre ein perfekt und umfangreich erstelltes lang- mittel- und kurzfristiges Unternehmensziel Wenn jeder Mitarbeiter des Betriebes das Ziel kennt, das es zu verwirklichen gilt, wird die Qualität der Arbeit besser und die Quantität höher.

Es mag sein, daß es manchem zu lange dauert, bis ein Erfolg sichtbar wird. Daher wird man sicherlich Sofortmaßnahmen treffen wollen So erhöht sich dann der Kaffeepreis in der Kantine oder das Kohlepapier wird aus den Papierabfällen entnommen. Doch diese und ähnliche Managemententscheidungen reißen keinen vom Stuhl. Eine Möglichkeit, die Personalkosten zu senken ist die folgende Methode. Man soll junge Leute sehr gut ausbilden. Je mehr man investiert, um so mehr kann man später an Leistung zurückerwarten. Junge Leute liegen im Lohn ungleich günstiger, sie erlernen jede Arbeit von Grund auf, ihre Arbeitsleistung wird weder unter- noch überschätzt und das Betriebsklima wird von ihnen positiv beeinflußt.

Die Ausbildung der Mitarbeiter ist ein permanenter Vorgang und darf niemals eine einmalige Angelegenheit sein. Günstig kann es sich auf die Leistung und das Klima auswirken, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich gegenseitig dankbar sind: der eine hat einen preiswerten Mitarbeiter, der andere eine gute Ausbildung.

Als nächstes muß eine Anlayse zeigen, ob bei der Hard- oder Software Kosten einzusparen sind. Ich kenne EDV-Chefs, die beweisen können, daß der Hobel, den sie im Monat mit 30 Stunden belasten voll rentabel ist. Da könnte man sicherlich versuchen, noch wirtschaftlicher zu sein. Ob eine andere Anlage preiswerter ist, oder ob gemixt, geleast oder gekauft werden soll, können nur ganz genaue Analysen ergeben. Vor rasanten Entscheidungen sei hier jedoch gewarnt; Es nützt später bestenfalls den Softwarehäusern, wenn die neue Anlage zwar preiswerter ist, aber die Programme für teures Geld gekauft und später gewartet werden müssen.

Weiter ist zu überdenken, ob sich bei der Abnahme von Zubehör nicht Bestellgewohnheiten eingeschlichen haben. Man vergibt Aufträge, ohne zusätzlich Konkurrenzangebote einzuholen nur weil jener Hersteller vor zehn Jahren einmal am günstigsten war.