Freelancer in Sorge um ihr Geld

Reutax ist insolvent

27.03.2013
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Joachim Hackmann ist Principal Consultant bei PAC – a teknowlogy Group company in München. Vorher war er viele Jahre lang als leitender Redakteur und Chefreporter bei der COMPUTERWOCHE tätig.
Der Personaldienstleister Reutax hat beim Amtsgericht Heidelberg einen Insolvenzantrag gestellt. Die betroffenen Freelancer sind erschüttert. Sie fürchten um ihr Geld.
Foto: reutax

Wichtige Teile der Reutax-Gruppe sind zahlungsunfähig. Das Unternehmen, das Konzerne wie die Deutsche Telekom, T-Systems und die Deutsche Bahn mit IT-Experten versorgt, hat am Amtsgericht Heidelberg Insolvenzantrag eingereicht. Betroffen sind drei von vier Firmen der Reutax Holding, und zwar die

  • Reutax AG zu deren Insolvenzverwalter Rechtsanwalt Tobias Wahl, anchor Rechtsanwälte, Mannheim, bestellt wurde,

  • Lenroxx GmbH (Insolvenzverwalter: Rechtsanwalt Karl- Heinrich Lorenz, Pabst Lorenz und Partner , Mannheim) sowie die

  • Reutax Temp GmbH (Insolvenzenzverwalter: Rechtsanwalt Alexander Reus, anchor Rechtsanwälte, München).

Alle Unternehmen wurden bislang von der Reutax Holding mit Sitz in Zürich gesteuert. Zur Gruppe gehört auch die Ploin GmbH, die offenbar von der Pleite verschont wurde.

Insolvenzverwalter mahnt Kontinuität an

Reutax-Gründer Soheyl Ghaemian hat das Unternehmen zügig zu einer bedeutenden Personalagentur in Deutschland aufgebaut. Jetzt haben Insolvenzverwalter vorerst das Sagen.
Reutax-Gründer Soheyl Ghaemian hat das Unternehmen zügig zu einer bedeutenden Personalagentur in Deutschland aufgebaut. Jetzt haben Insolvenzverwalter vorerst das Sagen.
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Die Hintergründe der finanziellen Schwierigkeiten sind unklar, bislang wurden noch keine Details veröffentlicht. Die Insolvenzverwalter bemühen sich vorerst intensiv darum, dass der Betrieb weiter geht. Dazu müssen sie vor allem die verunsicherten Freiberufler ins Boot holen, damit die Kundenprojekte weiterlaufen. In einem der COMPUTERWOCHE vorliegenden Schreiben an die Freelancer räumen sie ein, dass das Insolvenzverfahren aufgrund einer Liquiditätslücke zwingend eröffnet werden musste. Grundsätzlich erachten sie das Geschäftsmodell der Reutax aber als tragfähig. Daher lohne es sich, um den Erhalt der Arbeitsplätze und der Beschäftigung der freien Mitarbeiter zu kämpfen, betonen die Anwälte. "Dringendste und wichtigste Aufgabe ist es nun, das Geschäft aufrecht zu erhalten, um Rettungs- oder Sanierungschancen ausmachen und umsetzen zu können. Das ist nur dann Erfolg versprechend, wenn Sie als Berater auch jetzt, in dieser für das Unternehmen schwierigen Situation, weiter an Bord bleiben", appellieren die Insolvenzverwalter an die Freelancer.

Freelancer suchen nach Auswegen

Die betroffenen Freelancer sehen das etwas differenzierter. Zum Teil haben sie offenen Forderungen gegenüber Reutax. Sie können es sich kaum leisten, weiter für den insolventen Vermittler zu arbeiten, ohne die Gewissheit zu haben, für ihre Leistungen entlohnt zu werden. IT-Experten, die von Reutax an die Telekom und T-Systems vermittelt wurden, suchen einen gemeinsamen Weg aus dem Schlamassel. Sie organisieren sich auf der Business-Plattform Xing im Forum 4freelance.

Reutax-Insolvenz - was jetzt zu tun ist

Wichtige und aktuelle Fragen zur Reutax-Insolvenz beantworten die Rechtsanwälte Michael Rath und Reinhard Willemsen von der Luther Rechtsanwaltgesellschaft mbH in Köln.

1) Stellung des Insolvenzverwalters

In dem vorläufigen Insolvenzverfahren gegen die Reutax AG und Reutax Temp GmbH ist ein vorläufiger Insolvenzverwalter eingesetzt worden, der keine Verfügungsbefugnis hat. Vertragspartner des Freiberuflers bleibt daher weiter die Geschäftsführung der jeweiligen Gesellschaft. Die Gesellschaft kann jedoch nur mit Zustimmung des Verwalters Verfügungen vornehmen wirksam. Der Freiberufler sollte deshalb bei allen Rechtshandlungen sowohl die jeweilige Gesellschaft, als auch den jeweiligen Gesellschafter in Kenntnis setzen.

2) Kündigung des Dienstvertrags

Befindet sich der Freiberufler zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Vorsicht: noch ist das Insolvenzverfahren nicht eröffnet!) in einem laufenden Auftrag, können sowohl der Freiberufler als auch der Insolvenzverwalter den bestehenden Dienstvertrag gemäß § 113 InsO (Insolvenzordnung) vorzeitig mit einer maximalen Kündigungsfrist von drei Monaten kündigen. Soweit sich aus dem Vertrag oder dem Gesetz eine geringere Kündigungsfrist ergibt, ist diese maßgeblich. Sofern das Dienstverhältnis durch den Insolvenzverwalter vorzeitig gekündigt wurde, kann der Freiberufler in Betracht ziehen, den Auftraggeber auf Schadenersatz in Anspruch zu nehmen. Der Schaden bestünde in der Vergütung, die dem Freiberufler entgangen ist, weil der Dienstvertrag vorzeitig beendet wurde. Von der Vergütung muss der Freiberufler jedoch dasjenige abziehen, was er in der Zeit anderweitig erworben hat oder schuldhaft unterlassen hat, anderweitig zu erwerben, indem er beispielsweise in dem Zeitraum keine anderen Aufträge annimmt. Ersparte Aufwendungen wie Fahrtkosten reduzieren ebenfalls die Höhe der Schadensersatzforderung.

3) Offene Forderungen und Anmelden der Forderungen zur Insolvenzmasse

Der Freiberufler sollte prüfen, inwieweit noch offene Forderungen gegen den Auftraggeber bestehen. Dies können vor allem Forderungen auf noch nicht bezahlte Vergütung oder zu erstattende Aufwendungen wie Reisekosten sein. Bestehen noch offene Forderungen sollte der Freiberufler diese zur Insolvenzmasse anmelden. Das gleiche gilt für etwaige Schadenersatzforderungen. In der Regel werden diese Forderungen nicht vollständig sondern lediglich mit einer Quote beglichen. Der Freiberufler wird also lediglich einen Bruchteil der ursprünglichen Forderung herausverlangen können.

4) Ersatzansprüche gegenüber Dritten

Insolvenzausfallgeld werden die Freiberufler regelmäßig nicht verlangen können, da dieses nur Arbeitnehmer zusteht. Freelancer sollten jedoch prüfen, inwieweit Dritte, zum Beispiel Versicherungen, für Verluste aufkommen müssen. Sie sollten versuchen, mit dem Insolvenzverwalter die Einrichtung eines Treuhandkontos zu vereinbaren, auf die die Gelder der Auftraggeber eingezahlt werden, da der Verwalter keine Masseverbindlichkeiten begründen kann.

5) Auftraggeber von Reutax

Unternehmen, die Reutax einen Auftrag erteilt haben, der zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht abgeschlossen ist, sollten prüfen, ob sie den Vertrag kündigen können. Hier ist jedoch Vorsicht geboten, denn der Bundesgerichtshof hat kürzlich geurteilt, dass Klauseln unwirksam sind, die eine außerordentliche Kündigung für den Insolvenzfall vorsehen. Dies hat zur Folge, dass auch eine darauf gestützte Kündigung unwirksam wäre. Sofern der Vertrag noch nicht erfüllt wurde, kann der Insolvenzverwalter grundsätzlich gemäß § 103 InsO aufgefordert werden, sich dahingehend zu äußern, ob er an dem Vertrag festhalten möchte oder nicht. Dadurch können die Auftraggeber Sicherheit über den Stand ihres Projektes erlangen.

Das Forum ist derzeit auch ein bevorzugter Anlaufpunkt der Reutax-Konkurrenten. Erste Personaldienstleister werben offen um die verärgerten Freelancer. Aber auch betroffene Anwender, die Projekte mit von Reutax vermittelten Freelancern betreiben, suchen dort Rat. Die Telekom ist einer der Kunden der Reutax-Tochter Lenroxx, dazu Telekom-Sprecher Harald Lindlar: "T-Systems beschäftigt Freelancer der Firma Lenroxx und ist an einer schnellen, unbürokratischen Lösung interessiert. Unser Ziel ist es, die Stabilität unserer Projekte, Kundenprojekte und Eigenproduktentwicklungen zu gewährleisten und in der Mehrheit genau die gleichen Freelancer zu halten. Die dafür notwendigen Verhandlungen mit Lenroxx haben wir schon aufgenommen. Über das Ergebnis werden die Betroffenen in Kürze informiert. "

Geschäftsmodell der Vermittler in der Kritik

Im Zuge der Insolvenz-Diskussionen gerät auch das Geschäftsmodell der Vermittlungsagenturen in den Fokus. Zwar war die Reutax schon vor dem Gang zum Insolvenzgericht kein unbeschriebenes Blatt - Freiberufler beklagen etwa ungewöhnliche Forderungen in Bezug auf vertraglich vereinbarte Konventionalstrafen - doch der Ärger der Freelancer ergießt sich über die gesamte Branche der Personalvermittler. Man habe die Unternehmen schon immer als "notwendiges Übel" erachtet, schimpft ein Xing-Mitglied. Andere beklagen, dass mit den Vermittlern die oft bewusst gewählte Selbstständigkeit verloren gehe.

Auch aus Kundensicht werden die Grenzen des Geschäftsmodells kritisch unter die Lupe genommen. Bedenklich sei insbesondere die, dass direkte Beziehungen zwischen Auftraggeber und Freiberufler aufgelöst werden. Zudem blähe die Vermittlungsgebühr der Agenturen die Projektkosten übermäßig auf.

Anwender bevorzugen Agenturen statt Einzelverträge

Allerdings vertrauen vor allem große Anwender auf Vermittlungsagenturen wie Hays, Götzfried und Gulp, Vereinbarungen mit Einzelkämpfern meiden sie zunehmend. Sie versprechen sich dadurch mehr Flexibilität, günstigere Einkaufskonditionen und vor allem einfacherer Vertragsbeziehungen und Abrechnungsmodelle. Vielen Freiberuflern bleibt damit nichts anderes übrig, als sich an die Agenturen zu binden, die wiederum ihren Freelancern nicht nur Zugang zu Projekte gewähren, sondern- in der Regel zumindest - auch verlässliche Zahlungseigänge garantieren können .

Sie garantieren ihren Freiberufler kurze Zahlungsziele, während die großen Anwenderunternehmen erst nach 60 bis zum Teil 120 Tagen die Rechnungen begleichen. Teil des Geschäftsmodells ist somit unter anderem die Zwischenfinanzierung dieser Lücken. Möglicherweise liegen hier auch die Ursachen für die Probleme, die Reutax in die Insolvenz getrieben haben. Denn eigentlich werden die Leistungen der Agenturen von Kunden goutiert, weil die Firmen in wirtschaftlich unsichere Zeiten bevorzugt temporäre Kräfte beschäftigten. Mangelnde Nachfrage dürfte kein Grund für die Schwierigkeiten sein.