Reiseveranstalter optimiert Online-Reporting Dem Data-Warehouse einen Riesenschritt naehergekommen

03.02.1995

Anwender klagen immer wieder darueber, dass sie zu lange auf ihre Mainframe-Listen warten muessen. ITS, ein europaeischer Reiseveranstalter hat daraus Konsequenzen gezogen, indem er ein Management-Informationssystem (MIS) auf Client-Server-Basis einfuehrte. Helmut Achatz* schildert den Weg vom rein Mainframe- zum Client-Server-orientierten Reporting.

Client-Server-Computing ist bei allen Grossanwendern ein Thema, weiss Helmuth Guembel, Client-Server-Experte und Berater bei der Gartner Group. Gleichzeitig warnt er vor ueberzogenen Erwartungen: Der Umstieg werde sich langsamer vollziehen als von vielen angenommen. Dies gelte vor allem, wenn man Client-Server- Definition der Gartner-Group zugrunde lege, bei der die Verteilung der Applikation im Vordergrund steht und nicht nur die Auslagerung der Praesentationsschicht auf den PC.

Angesichts dieser Situation richtet sich der Blick auf die Client- Server-Avantgarde, zu der die Touristik-Tochter ITS des Kaufhof- Konzerns gehoert, die den Paradigmenwechsel bereits vollzogen hat. Ausloeser fuer den Umstieg von der reinen Mainframe-DV zum Client- Server-Computing war die wachsende Frustration der Anwender durch das starre Reporting-System.

ITS-Abteilungsleiter Information Center Joerg Seidl schaetzt, dass vor der MIS-Einfuehrung etwa "80 Prozent der Informationsbeduerfnisse des Managements durch gedruckte Listen vom IBM-Mainframe" befriedigt werden mussten. Vor allem sei das System zu inflexibel gewesen. Von Uebersichtlichkeit konnte aufgrund des Umfangs mancher Berichte gleichfalls keine Rede sein. "Die Reports ueber alle 5000 Hotels, mit denen ITS weltweit zusammenarbeitet, haetten leicht einen ein Meter hohen Papierstapel ergeben", konkretisiert Seidl.

Hinzu kam, dass die unterschiedlichen Informationsdimensionen nicht verbunden wurden, sprich: Informationen ueber Reisebuero, Abflug- und Zielflughafen sowie Hotel liessen sich nicht verknuepfen. "Notwendige Ad-hoc-Abfragen mussten individuell programmiert werden", erinnert sich Seidl. Das nahm in der Regel mehrere Wochen in Anspruch.

Mainframe-orientiertes Reporting als Bremsklotz

Das Hauptrisiko eines Reiseveranstalters sind die nicht verkauften Kapazitaeten. ITS operiert in einem dynamischen Markt mit stark saisonalen Schwankungen, der eine grosse Flexibilitaet verlangt. Das bisherige, rein Mainframe-orientierte Reporting-System erwies sich hier als Bremsklotz.

Frei definierte Ad-hoc-Abfragen sind nach Ansicht von Seidl ein wesentlicher Wettbewerbsfaktor in diesem Geschaeft, das auch von politischen und wirtschaftlichen Ereignissen tangiert wird. Erinnert sei nur an die Ueberfaelle auf Touristen in Florida oder die Anschlaege in der Tuerkei, die die Nachfrage nach Reisen in diese Laender drueckten.

Ein Anbieter von Pauschalreisen verkauft leicht verderbliche Ware: Hohes Risiko verbindet sich mit geringen Gewinnmargen. Ein Plus laesst sich nur ueber hohes Volumen erzielen, das heisst, moeglichst viele Reisen zu verkaufen. Insofern ist leichter Zugang zu verlaesslicher, aktueller und aussagekraeftiger Information ein Muss.

Das IT-Management der Kaufhof-Tochter entschloss sich deshalb fruehzeitig, auf ein flexibles Management-Informationssystem in Client-Server-Architektur umzusteigen, das vom Arbeitsplatz aus ueber eine mausgesteuerte, grafische Oberflaeche zu bedienen sein sollte.

Die Koelner entschieden sich fuer die Einfuehrung des SAS Systems von SAS Institute, um damit ein MIS zu entwickeln, das den Beduerfnissen der Anwender gerecht werden sollte. Das System ist als verteilte Applikation konzipiert und entspricht damit auch der Client-Server-Definition von Gartner. Anfang 1993 begann das IT- Management mit der Umstellung, seit Mai letzten Jahres laeuft das MIS im gesamten Unternehmen.

Axel Brand, ITS-Bereichsleiter EDV und Buerokommunikation, beziffert die Zahl der MIS-Anwender auf gegenwaertig 50 Personen, ab August wird sie sich auf rund 150 erhoehen. "Die Nutzer sind heute in der Lage, einen Grossteil der Ad-hoc-Abfragen selbst zu definieren und an ihrem PC abzurufen." Selbst komplexe Abfragen, beispielsweise wie viele Kunden bei Agentur A gebucht, von Flughafen B nach Zielort C geflogen und in Hotel D zu einem bestimmten Datum gewohnt haben, lassen sich damit beantworten.

Produkt-Manager und Abteilungsleiter stillen dank dieses Systems etwa 50 Prozent ihres Informationsbedarfs. Der Anteil an Standard- Listings ist gegen Null gegangen, seit das Touristikunternehmen ein modifiziertes Informationssystem eingefuehrt und optimiert hat. Das bisherige MIS hat sich zum umfassenden Informationssystem (IS) gewandelt.

Das Fenster zum MIS, der Client, ist ein PC mit 486-Prozessor, der unter Windows arbeitet. Als Server fungiert ein Unix-Rechner HP9000/H50 mit 128 MB Hauptspeicher und 9,4 GB Harddisk. Die Abfragen werden zwar am PC zusammengestellt, das Abarbeiten uebernimmt indes der Server, auf dem auch die notwendigen Daten liegen.

Client und Server arbeiten ueber ein Kommunikationsmodul, das im Entwicklungswerkzeug von SAS integriert ist, eng zusammen. Auf dem PC residiert der Teil der Applikation, der notwendig ist fuer das Zusammenstellen von Abfragen, das Praesentieren von Ergebnissen und den DDE-Export in andere Programme zur Weiterverarbeitung.

Auf dem Server liegt der Teil der Applikation, der fuer das gesamte Daten-Management zustaendig ist und damit die Hauptlast in bezug auf CPU-Leistung sowie In- und Output-Operationen traegt. Alle Daten und Buchungsinformationen werden auf dem Server gehalten.

Nur einige zur Steuerung benoetigte Daten wie Informationen ueber Ankunftsorte in einzelnen Laendern und Ausgangsflughaefen, die das Geruest fuer die Abfragen bilden, sind lokal gespeichert.

Der Unix-Server steht zwar in Koeln, er versorgt allerdings auch Clients in Berlin. Fuer die Client-Server-Architektur der ITS- Loesung spricht, dass es fuer Nutzer in Koeln und Berlin kaum wahrnehmbare Performance-Unterschiede gibt, das zumindest versichert Seidl. "Die Differenz liegt ausschliesslich in der laengeren Uebertragungszeit (zwischen Koeln und Berlin), macht aber im Abfrage-Durchschnitt lediglich 0,3 Sekunden aus." Dieser Wert sei so niedrig, weil nur die Abfragen und die Ergebnisse uebertragen werden muessen.

Die Einbindung von Notebooks ist geplant

Alle Berechnungen, auch die von Zwischensummen, finden ausschliesslich auf dem Server statt. Damit sei die ueber 64-Kb- Leitungen zu uebertragende Datenmenge vergleichsweise gering, argumentiert der MIS-Manager. Diese Erkenntnis war vor allem deswegen wichtig, weil das Touristikunternehmen kuenftig auch die dezentralen Vertriebsleitungen an das Informationssystem anbinden will.

ITS denkt auch an die Anbindung der haeufig reisenden Fuehrungskraefte ueber deren Notebooks. Via ISDN-Telefonleitung koenne sich dann ein Manager in Koeln einwaehlen und das Informationssystem mit dem gleichen Komfort wie im eigenen Buero nutzen. Ohne die jetzt geschaffene Client-Server-Architektur waere diese Loesung nicht denkbar, betont Seidl.

Der Bestand operativer Daten waechst bei ITS pro Jahr um rund 500000 Buchungssaetze, die das Geschaeft mit 1,2 Millionen Gaesten generiert. Zur Zeit summiert sich das auf 600 MB Daten in der voraggregierten SAS-Datenbank, die fuer den MIS-Gebrauch aus den Transaktionsdaten herausgefiltert werden. Aber selbst derart grosse Datenmengen sind fuer das System kein Problem.

Seidl beschreibt das Abfrageverfahren: "Neben der Basisdatenbank mit allen Buchungssaetzen existieren diverse verdichtete Datenbestaende. Das System bestimmt aufgrund der Abfrage und einer Steuerdatei die Datenbank, mit der die Abfrage voraussichtlich am schnellsten berechnet werden kann. Die System-Performance kann also verbessert werden, indem wir die Regeln in der Steuerdatei optimieren." Das Informationssystem zeige auch dann noch akzeptable Antwortzeiten, wenn der Grunddatenbestand als groesste Einzeldatenbank ausgewertet werden muss, da in diesem Fall sehr effektiv Indizes genutzt werden koennen.

Historische Informationen neben operationellen Daten

Die Erfahrungen mit der Performance des bisherigen MIS haben ITS dazu ermutigt, das gesamte interne Berichtswesen ueber das erweiterte IS in Client-Server-Architektur abzuwickeln. "Das alte Reservierungssystem und das damit verbundene Berichtswesen auf dem IBM-Rechner haben wir eingestellt", konstatiert Seidl. An seiner Stelle arbeitet jetzt das Reservierungssystem International Tours Operating System (Itos), das auf DEC-Rechnern laeuft. Itos liefert dann auch die operativen Basisdaten fuer den IS-Server, die bisher vom IBM-Mainframe kamen.

Das Volumen der IS-Datenbank erhoeht sich damit von 600 MB auf 2 bis 3 GB, weil "die neue erweiterte Datenbank historische Informationen ueber jede Buchung enthalten wird, wodurch wir die Entwicklung der Buchungen ueber einen bestimmten Zeitraum untersuchen koennen", beschreibt Seidl die Modifikation. Damit gewinne der IS-Anwender mehr Sichten auf die Buchungsdaten.

Die alte Datenbank enthielt nur den letzten Stand jedes Buchungssatzes. Diese Veraenderung sowie die Abdeckung zusaetzlicher Informationsbereiche und -komplexe bringe die enorme Vergroesserung des IS-Datenbestandes mit sich. "Aber wir sind sicher, dass das System damit zurechtkommt und die Antwortzeiten fuer die verteilte Verarbeitung akzeptabel bleiben", betont Seidl.

Die Einfuehrung des Informationssystems verbessert nach Ansicht des MIS-Managers das Online-Reporting bei ITS spuerbar. Es sei vergleichsweise einfach, die benoetigten Schnittstellen und Prozeduren zur Sicherstellung der Datenkonsistenz ueber verschiedene Datenbanken hinweg zu schreiben.

Nach dem Hauptvorteil des neuen Informationssystems gefragt, meint Seidl, dass "sich durch besser fundierte und schneller verfuegbare Informationen hoehere Umsaetze bei geringerem Risiko erzielen lassen".

Reiseveranstalter ITS

Die hundertprozentige Touristiktochter des Kaufhof-Konzerns setzte im Geschaeftsjahr 1992/93 mit insgesamt ueber 1300 Beschaeftigten knapp drei Milliarden Mark um, davon allein 1,3 Milliarden in Deutschland. ITS kauft Flug- und Hotelkapazitaeten sowie Freizeitarrangements ein und kombiniert sie zu Pauschalangeboten.