Reicht der Datenschutz?

09.05.1975

WIESBADEN - Der hessische Datenschutz-Beauftragte Willi Birkelbach hat dem hessischen Landtag seinen IV. Tätigkeitsbericht vorgelegt, - wichtigste Erkenntnis: die Gefahr eines Mißbrauchs der Individualrechte des Bürgers beim Einsatz der EDV ist noch immer nicht gebannt.

Obwohl bei den Öffentlichen Behörden das Datenschutz-Bewußtsein dem Bericht zufolge zugenommen hat, sind dem Datenschutzbeauftragten immer wieder Fälle bekanntgeworden, in denen einzelnen Behörden jegliches Bewußtsein für die Notwendigkeit von Datenschutz-Maßnahmen fehlte. Personenbezogene Daten mit Namensangaben und Informationen über den sozialen Status des Einzelnen würden an Privatfirmen weitergegeben. Bei Testläufen wurden personenbezogene Originaldaten verwendet. Immer wieder wurde der Datenschutz-Beauftragte auch davon unterrichtet, daß Öffentliche Behörden Daten für gewerbliche Zwecke weiterreichten.

Der vom Landtag gewählte unabhängige hessische Datenschutzbeauftragte, sein Amt ist die einzige derartige Institution in der Bundesrepublik, richtet vier Forderungen an die Öffentliche Verwaltung, indem er vorschlägt, vier Änderungen in das hessische Datenschutz-Gesetz von 1970 aufzunehmen:

1. Die Behörden sollen bekanntgeben, welche Daten für welche Aufgaben gesammelt werden.

2. Die Verwaltung soll dem Bürger Auskunft über den Inhalt der über ihn gespeicherten Daten geben, soweit dies nicht gesetzlich ausgeschlossen ist (Polizei, Nachrichtendienste). Dazu wird ein Datenbank-Register gefordert, das für jeden zur Einsicht ausliegen soll.

3. Bei der Erhebung von Daten soll die Verwaltung dem Befragten die Rechtsgrundlage nennen, nach der er zur Auskunft verpflichtet ist. Falls keine Auskunftspflicht vorliegt, soll die Verwaltung ihn über sein Recht der Auskunftverweigerung belehren.

4. Für den Erhebungszweck nicht mehr erforderliche Daten sind zu löschen.

Verletzte Intimsphäre

Birkelbach betonte, daß ein allgemeines Datenschutz-Gesetz nicht genüge, vielmehr bedürfe es der Ergänzung durch spezielle ressort- oder aufgabenbezogene Rechtsnormen in Spezial-Gesetzen.

Insbesondere rügt Birkelbach, daß im Bereich der Schulverwaltung die Intimsphäre der Bürger immer wieder verletzt würde. Als einen besonders krassen Fall zitiert der Datenschutz-Beauftragte, daß Leistungsdaten von Schülern zusammen mit den Angaben über die soziale Herkunft und Ausbildung der Eltern, deren Beruf über Familienverhältnisse politische Einstellungen, religiöse Bekenntnisse erfaßt oder nach "polizeilich unentdeckten Straftaten" gefragt wurde. Eine Zustimmung von Elternbeiräten genüge nicht, denn das Einverständnis des Betroffenen kann nicht durch ein Repräsentativorgan ersetzt werden.

Drohende Informationsmonopole

In einer Schlußbemerkung warnt Birkelbach vor kommenden Informations-Monopolen und nennt als Beispiel die New York Times-Informationsbank. Dieses System mit computer-gestütztem Zugriff auf alle Artikel der New York Times seit Gründung vor mehr als 100 Jahren und neuerdings auf Meldungen zusätzlicher Zeitungen, Magazine und Spezialschriften für alle Bereiche und Branchen mit Ausgabe von "Abstracts" für jedwede Recherche, sei angesichts der enormen Ausgaben im freien Wettbewerb kaum zu kopieren. "Die Entwicklung wird mit großer Wahrscheinlichkeit dahin führen, daß sich Zeitungen und Zeitschriften, Funk- und Fernsehgesellschaften, wissenschaftliche Bibliotheken und Dokumentationszentren oder die Hauptverwaltungen von Wirtschaftsunternehmen qroße Verbände und die oberen Etagen den Behörden in Zukunft jeweils dieselben grundlegenden Informationen verschaffen. Was das für die Vorstrukturierung der Öffentlichen Meinung bedeutet ist kaum absehbar.

Birkelbach spricht nicht von der Zukunft: Die Central Intelligence Agency und die illustrierte Stern sind bereits Abonnenten.