Regierungskommission Fernmeldewesen immer noch unter Beschuß:Online-Kongreß: Konsens beim kleinsten Nenner

19.02.1988

HAMBURG (CW) - Erwartungsgemäß standen die von der Regierungskommission Fernmeldewesen erarbeiteten Empfehlungen wieder ganz oben auf der Prioritätenliste des diesjährigen Online-Kongresses in Hamburg. "Klar Schiff machen" kann man mit den neuen Richtlinien aber ganz offensichtlich nicht. Wunde Punkte stellten besonders die Tarifgestaltung, von der das Wohl und Wehe der Mehrwertdienste abhängt, und die Daten- und Sprachübertragung im ISDN-Zeitalter dar.

Breiten Raum nahm bei den in der Hansestadt versammelten Referenten zunächst die bloße Schilderung der im September des vergangenen Jahres vorgeschlagenen Richtlinien ein. Ziemlich einmütig wurden in diesem Zusammenhang die vielen bereits bekannten Forderungen nach Beibehaltung des Netzmonopols, nach Abschaffung des sogenannten Endgerätemonopols und der organisatorischen Trennung von "Hoheitsfunktionen" und "Unternehmensfunktionen" genannt. Die darauf aufsetzenden Ausführungen zeigten jedoch, daß weder hinsichtlich der grundsätzlichen Dinge noch der Details Konsens herrschte. Unter Vorbehalten kam jedoch ein Teil der Telecom-Experten zu dem Ergebnis, mit den Empfehlungen der Regierungskommission sei ein kleinster gemeinsamer Nenner gefunden worden. Erwähnt wurde in diesem Zusammenhang auch das EG-Grünbuch, welches ja von den gleichen Prämissen ausgeht wie die Regierungskommission Fernmeldewesen. Franz Arnold, Mitglied der SCS-Geschäftsleitung und Moderator des Kongresses "Neuregelung des Fernmeldewesens in Europa": "Die Empfehlungen sind sicher kein großer Wurf für die nächsten Jahrzehnte, aber ein sinnvoller Kompromiß für das Notwendigste."

So spricht er dem Kriterienkatalog auch nur bedingt Realisierungschancen und eine de facto begrenzte zu. Der erste von ihm ausgemachte Minuspunkt: Aufgrund der bestehenden Übertragungskapazität an Satellitenleistung der Deutschen Bundespost müsse dahingestellt bleiben, ob sich eine wirtschaftliche Basis für private Satelitennetze innerhalb der Bundesrepublik ergibt. Im übrigen hinge in der Praxis die Wirtschaftlichkeit sehr stark von technischen Detailregelungen ab - zum Beispiel davon, inwieweit ein Übergang von privaten Netzen auf Netze der Post möglich oder zulässig sei.

Kritische Anmerkung Nummer zwei: Bei digitalen Netzen und digitaler Übertragung würde durch die nicht mehr möglichen Abgrenzungen zwischen Sprache und Nichtsprache die Problematik der Zusammenschaltungsverbote und die daraus resultierenden technischen Schwierigkeiten bestehen bleiben. Außerdem bemängelte Arnold den "unsauberen Umgang" mit dem Wort Monopol und die im Rahmen des Drei-Säulen-Modells propagierte "exakte organisatorische Gleichbehandlung von Gelber Post und Telekommunikation".

Härtere Kritik an dem neuen Konzept kam aus den Reihen der Postgewerkschaft und des Verbandes der Postbenutzer. Nach den Worten von Emil Bock, dem stellvertretenden Vorsitzenden der Deutschen Postgewerkschaft, sollte die Kommunikationsversorgung einer hochentwickelten Volkswirtschaft nach wie vor als Ausnahmebereich gelten. Auf der Basis des bestehenden ordnungspolitischen Arrangements nehme das bundesdeutsche Telekommunikationssystem im internationalen Vergleich einen Spitzenplatz in puncto Qualität und Modernität der Infrastruktur ein. Im Falle einer Realisierung der Kommissionsvorschläge wäre die künftige Versorgung nicht mehr vorrangig am Ziel der "Lebensqualität für viele" orientiert, sondern an der Leitlinie, Profite für Großanwender und "Rosinenpicker" zu ermöglichen. Symptomatisch für die methodisch unzulängliche Vorgehensweise der Regierungskommisson sei auch die einseitige Rezeption ausländischer Deregulierungsprozesse. Negative Konsequenzen fielen unter den Tisch oder würden bagatellisiert .