Was für den Einsatz von Servicerechenzentren spricht:

Redundante Netze, feste Preise, harter Wettbewerb

16.09.1983

Dipl. Phisiker Wilhelm Koch ist Leiter des Datenzentrums der IABG in Ottobrunn.

Noch vor fünf Jahren, wohl auch noch vor drei Jahren, schwang sehr viel Skepsis mit, wenn Fachleute in etablierten DV- Organisationen die Frage stellten: Wozu DV- Service? Ein Servicerechenzentrum schien zu teuer im Vergleich zu der Immer preiswerter angebotenen Hardware. Aber standardisierte Anwendungssoftware paßte nicht. Und wie sah es aus mit kompletten, schlüsselfertigen Systemlösungen? Die meisten Nutzer konnten sich einfach nicht vorstellen, daß jemand ihr spezielles Problem schon gelöst haben sollte. Erstaunlich schnell hat sich ein Szenenwechsel vollzogen. Unerwartet groß ist inzwischen die Aufgeschlossenheit, mit der das auf dem Markt vorhandene Serviceangebot geprüft und zunehmend auch akzeptiert wird. Hier werden strittige Fälle des Einsatzes von RZ- Leistung diskutiert, die vielen Kopfzerbrechen machen.

Softwarehäuser und Servicerechenzentren erleben beachtliche Zuwachsraten in ihren Geschäften. Die Zeiten, da deutsche Entwicklungen zuerst in den USA Fuß fassen mußten, um danach erst Europa erobern zu können, sind wohl vorbei. Trotzdem bleibt festzustellen, daß die Bundesrepublik auch heute noch weit weniger DV- Service- freundlich ist als etwa die USA, England oder die Schweiz. Die Gründe für diese Feststellung sind vielfältig. Hier sollen speziell Argumente diskutiert werden, die für den DV- Service sprechen.

Zweifellos ist die Frage der Wirtschaftlichkeit an erster Stelle zu prüfen, wenn für oder gegen die Einschaltung eines Serviceunternehmens entschieden werden soll. Eine wichtige Rolle spielt ferner die Frage, wie die Betriebssicherheit der Lösung einzuschätzen ist und schließlich, ob Garantien gegeben werden für Qualität und Liefertermine. Je nach Art der Serviceleistung- ob es sich um Rechenzentrumsservice, Softwareentwicklung oder schlüsselfertige Lieferung handelt, kommt eine Reihe weiterer Kriterien hinzu, die ebenso wie die obengenannten in einzelnen Fallbeispielen erörtert werden sollen.

Service- Arten

Die ganze Skala der angebotenen Dienstleistungen kann man grob einteilen in Rechenzentrumsservice, Softwareentwicklung und schlüsselfertige Lösungen. Die Alternativen, zwischen denen der Anwender zu entscheiden hat, wenn er eigene Lösungen mit Fremdservice vergleicht, unterscheiden sich in ihren Schwerpunkten entsprechend dieser Einteilung. Im folgenden werden dementsprechend die einzelnen Service- Arten diskutiert.

Bei der Betrachtung der Vorteile eines Servicerechenzentrums gibt es unstrittige Fälle, die keiner Diskussion bedürfen. Beispiele dafür sind die Mandantenbuchhaltung des kleinen Anwalts oder Steuerberaters, der sich die gesamte Organisation seiner Geschäftsabwicklung mit einkauft; oder die technischen Berechnungen eines kleinen Ingenieurbüros, das eine Vielfalt sehr teuerer Lizenzsoftware einsetzen muß; oder die Nutzung eines speziellen Geräts, beispielsweise Belegleser oder- um ein Extrem zu nennen- Vektorrechner; oder die Koppelung an ein Bildschirmtext- Zentrum. Hier sollen strittige Fälle untersucht werden, die täglich vielen DV- Verantwortlichen Kopfzerbrechen bereiten.

Das Firmenrechenzentrum wird normalerweise mit wichtigen Aufgaben, die im täglichen, wöchentlichen oder monatlichen Turnus zu erledigen sind, einigermaßen ausgelastet

sein. Um die noch freien Kapazitäten bemühen sich die Interessenten für Ad- hoc- Auswertungen, die Entwickler von neuen Systemen, die Tester und Erprober von geänderten und erweiterten Programmen und spezielle "atypische" Anwender.

Beispiele für die letztere Art sind Ingenieurabteilungen, Marketinggruppen, Projektabwickler (Bauabteilung, Montageteams) etc. Sie haben wichtige, umfangreiche, aber nicht genau vorhersehbare Terminarbeiten, sie benutzen spezielle Programme ohne direkte Beziehung zu den DV- Anwendungen des Unternehmens. Sollen diese Anwender auf das Firmenrechenzentrum gezwungen werden?

Der Fremdservice bietet ihnen kurze Bearbeitungszeiten, Ausfallsicherheit, eine große Zahl von alternativ wählbaren Programmen, unterstützende Fachberatung und zuverlässige Kostenkalkulation. Das klingt gut. Entspricht es auch den Tatsachen?

Wenn die Servicerechenzentren die genannten Vorteile nicht bieten könnten, wären sie unattraktiv und nicht lebensfähig. Sie verfügen über redundante Netze und Anlagen, sie stellen von einem größeren Kundenkreis erprobte Programme zur Verfügung, sie bieten Unterstützung durch Fachberater an. Mit Hilfe der Preislisten in Verbindung mit Probeläufen, oder auch durch Festpreisvereinbarungen, sind die zu erwartenden Kosten kalkulierbar. Alle diese Argumente gewinnen einen besonderen Reiz dadurch, daß es viele Serviceanbieter gibt, die untereinander in hartem Wettbewerb stehen. Manche Benutzer arbeiten parallel mit zwei oder mehr Rechenzentren und verstehen es, damit optimale Ergebnisse zu erzielen.

Als Kunde eines Rechenzentrums verfügt man ohnehin über ein Terminal. Dieses besitzt neuerdings auch zunehmend eigene Intelligenz; Datenaufbereitung und eventuell auch gewisse Nachbereitungen kann man damit elegant erledigen. Warum sollte man diese Station nicht zum autonomen Mini oder Midi hochrüsten?

Die Antwort lautet: aus Gründen der Wirtschaftlichkeit. Abgesehen von Idealfällen, wo eine autonome Lösung genau paßt, ist stets der Verbund von eigenem Mini (Midi, Personal Computer) mit dem Rechenzentrum vorzuziehen. Die Gründe sind im Prinzip ähnliche wie im Fall 1: schnelle, sichere Bedienung, unabhängig von Ausfällen oder Spitzenbedarf. Das "größte" Programm würde den Mini tagelang beschäftigen, die Software selbst anzuschaffen und zu pflegen, wäre sehr teuer. Und endlich: Von den innovativen Entwicklungen bei einem leistungsfähigen Rechenzentrum wäre man abgekoppelt.

Auch die Softwarelieferanten haben sich inzwischen einen festen Platz in der DV- Welt gesichert. Praktisch jedes Rechenzentrum setzt spezielle Dienstprogramme von Softwarehäusern ein: zur Datensicherung, zum schnellen Sortieren, zur Magnetbandverwaltung. Hinzu kommt häufig eine leistungsfähige Datenbanksoftware, ebenso Werkzeuge zur Softwareentwicklung.

Einige Vorbehalte gibt es immer noch bei der Anschaffung von Anwenderprogrammen "von der Stange" und bei der Vergabe spezieller Entwicklungsaufträge an Softwarehäuser. Argumente für den Service werden in zwei Beispielen geliefert.

Standardpaket Finanzbuchhaltung?

Die Ausgangssituation ist dadurch gekennzeichnet, daß man mit der Abwicklung, häufig auch mit der Organisation der Finanzbuchhaltung, unzufrieden ist. Man kann eine neue, optimal passende Lösung konzipieren oder ein komplettes System kaufen.

Wer garantiert für die Güte des eigenen Konzepts? Ist Entwicklungskapazität frei? Soll man die Mannschaft erneut vergrößern? Wie lange dauert die Entwicklung? Nach einigen Jahrzehnten DV- Erfahrung wissen wir, wie schwer es ist, solche Fragen richtig zu beantworten.

Das angebotene Standardpaket ist bei sechs Firmen unterschiedlicher Größe und Struktur eingesetzt. Offenbar ist es flexibel und funktioniert auch. Aber wir müssen unsere Organisation an die Software anpassen. Hat man es bisher nicht aus gutem Grund umgekehrt gemacht? Doch! Aber gerade daraus haben die Softwareentwickler gelernt.

Übrigens gibt es ein minutiös ausgearbeitetes Konzept für die Einführung des Standardsystems, mit Terminplan, mit genauer Beschreibung der organisatorischen Änderungen, mit Schulung der Sachbearbeiter. Wir können das System weitgehend testen, bevor wir es kaufen. Wir können die anderen Firmen, die es vorher angeschafft haben, nach ihren Erfahrungen befragen. Wir wissen genau, was wir zu erwarten haben bezüglich Leistung und Preis.

Die Entscheidung zwischen Eigenentwicklung und Fremdbeschaffung wird in unterschiedlichen Unternehmen verschieden ausfallen; aber es werden künftig immer häufiger Standardsysteme beschafft werden.

Spezielle Software entwickeln lassen?

Unaufhaltsam dringt die DV weiter vor in Bereiche, die man eigentlich für nicht automatisierbar gehalten hat. Hier werden kaufmännische, technische und administrative Problemlösungen verlangt, die sehr eng mit der Organisation im Unternehmen verknüpft sind und daher durch spezielle Softwareentwicklung individuell herbeigeführt werden müssen.

Kann man solche Aufgaben an ein Softwarehaus geben? Die kennen doch die speziellen Belange unseres Unternehmens gar nicht.

Eine Reihe von Argumenten des Falles drei ist auch hier gültig. Hinzu kommt ein ganz wichtiger Punkt: Das Konzept für die Lösung wird zwischen den Sachbearbeitern des Auftraggebers und dem Projektleiter aus dem Softwarehaus diskutiert. Die Kooperation zwischen einem vielseitig erfahrenen Außenstehenden und dem zwangsläufig "betriebsblinden" Insider verbessert das Konzept.

Leistungen eines Systemhauses

Bei der Ausführung der Programme kann man heutzutage bei einem Softwarehaus professionelle Arbeit erwarten: Durch den Einsatz entsprechender Tools erhält der Auftraggeber Software mit sauberer Struktur, die gut ausgetestet ist und leicht wartbar ist. Eine saubere und übersichtliche Dokumentation ist selbstverständlich. Der Anwender selbst kann gar nicht immer solche Qualität erreichen.

Bessere Lösung, Vermeidung von Personalvermehrung, trotzdem termingerechte Fertigstellung, schließlich die rationelle Arbeitsweise des Softwarehauses und die erzielte Qualität sind Faktoren, die gleichzeitig auch den Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit optimal berücksichtigen.

Ebenso wie beim Softwarehaus ist auch beim Systemhaus zu unterscheiden zwischen konfektionierten Systemen und individuellen Lösungen.

Systemhäuser sind längst etabliert als Lieferanten von standardisierten Systemen wie CAD- Arbeitsplatz, Softwareentwicklungssystem, Graphikarbeitsplatz, Projektplanungs und- steuerungssystem oder Meßdatenerfassungs- und- auswertungssystem. Auf diesem Sektor ist zwischen einem Systemhaus und einem DV- Hersteller mit ausgeprägtem Engagement für "Branchenlösungen" kaum ein prinzipieller Unterschied festzustellen. Die DV- Fachleute, die bisher die Systemhäuser nicht beachtet haben, sollten im eigenen Interesse und dem ihres Unternehmens ihre Haltung gegenüber diesen DV- Anbietern überprüfen.

Ein weiteres Beispiel soll die Reihe der Fälle abschließen, diesmal die Beauftragung eines Systemhauses zur Lösung eines technisch- wissenschaftlichen Problems.

Komplette unabhängige DV- Lösung

Für einen Großversuch wird ein leistungsfähiges Meßdatenerfassungs- und- auswertesystem benötigt. Sowohl bei der Meßtechnologie als auch beim Datenhandling und der Datenspeicherung will man an die Grenzen der derzeitigen technologischen Möglichkeiten herangehen, am liebsten sogar darüber hinaus.

Die Betreiber des Versuchs wissen am besten, was sie brauchen, und bei welchen Komponenten es am wichtigsten ist, absolute Höchstleistungen zu erreichen. Aber in allen Details der einzusetzenden DV- Technologie sich selbst das für die Erstellung der Anlage notwendige umfassende Know- how zu verschaffen, wäre ein sehr langwieriges Unterfangen.

Ein Systemhaus, das über vielfältige Erfahrungen in allen Bereichen der Prozeßsteuerung verfügt, das selbst vielseitig einsetzbare Meßdatenerfassungs- und- auswertesysteme vertreibt, ist bei der gegebenen Sachlage sicherlich der ideale Partner zur Durchführung des Projekts. Es erstellt ein Gesamtkonzept, diskutiert die einzelnen Komponenten mit dem Auftraggeber und integriert dann voll verantwortlich die Einzelbestandteile zum Gesamtsystem, das in allen Teilbereichen die Leistungsmerkmale der Einzelkomponenten ungeschmälert aufweist. Schlußbemerkung:

Der Verfasser spricht als Angestellter eines DV- Service- Unternehmens natürlich pro domo. Aber vorgestellt hat er hier nur eine kleine Auswahl von Argumenten, die für die Inanspruchnahme von DV- Service sprechen. Für den Zweifler sollte das plausibelste Argument in der großen Geschwindigkeit liegen, mit der DV- Service- Unternehmen in der ganzen Welt auf dem DV- Markt vordringen.