Linux für Privatkunden wurde aus dem Angebot genommen

Red Hat will nur noch Unternehmenskunden

17.10.2003
MÜNCHEN (CW) - Red Hat gibt seine Lowend-Distribution auf und hat parallel zur dritten Version der Distribution "Enterprise Linux" eine "Open-Source-Architektur" vorgestellt. Sie soll Anwendern eine auf offenen Standards aufbauende, möglichst einheitliche IT-Umgebung bescheren.

Red Hat steigt aus dem Geschäft mit Linux-Privatanwendern aus. Die entsprechende Distribution, "Red Hat Linux", geht an ein Projekt namens "Fedora". Eine unter dem Codenamen "Severn" entwickelte Version 10 von Red Hat Linux wird als "Fedora Linux" erscheinen. Der Distributor will die bisherigen Lowend-Linux-Versionen "bis zum Ende ihres Life Cycles", also noch gut sechs Monate, unterstützen.

Alle bisher bei Red Hat mit dem einfachen Linux beschäftigten Entwickler sind nach Angaben des Unternehmens gehalten, im Fedora-Projekt mitzuarbeiten. Offensichtlich will sich Red Hat dadurch entscheidenden Einfluss auf das Projekt sichern. Fedora will für seine Linux-Distribution häufiger Releases herausgeben, als das zuletzt bei Red Hat der Fall war. Diese wird es nicht mehr als Programmpakete im Handel, sondern nur noch per Download oder als CD-Zeitschriftenbeilage geben.

Der Distributor begründet die Übergabe an Fedora damit, dass die Entwicklung und vor allem der Vertrieb von Red Hat Linux zu kostenträchtig seien. Das Unternehmen will sich auf das profitablere Geschäft mit Unternehmen konzentrieren und hat dazu gleich eine bedeutende Neuorientierung vorgelegt.

"Viele Probleme mit Linux in Unternehmen gehen auf die mangelnde Interoperabilität der Komponenten zurück", behauptet Brian Stevens, der bei Red Hat für die Entwicklung der Betriebssysteme zuständige Manager. Dem will das Unternehmen mit einer Initiative beikommen, deren Ergebnis IT-Systeme aus einem Guss sein sollen, vom Betriebssystem über die Administrationsebene bis zu den Applikationen. Einen erheblichen Teil davon will der bisher primär auf Linux spezialisierte Anbieter selbst entwickeln. Damit verschiebt sich die Marktorientierung von Red Hat auf Betriebssystem-nahe Tools und darüber hinaus.

Das heißt nun beileibe nicht, dass der Distributor seine OS-Ambitionen hintanstellen würde. Im Gegenteil: Basis der Open-Source-Architektur ist Red Hat Enterprise Linux in der neuen Version 3. Sie enthält einige Kernel-Techniken aus dem noch nicht freigegebenen Release 2.6.

Enterprise Linux ausgebaut

Die Kernel-Modifizierungen haben zum einen zur Folge, dass Enterprise Linux 3 nunmehr 16 statt bisher acht symmetrische CPUs bedienen kann. Zum anderen ist das bisherige Limit von 1 GB Speicheradressierung aufgehoben. Jeder Prozessor kann jetzt mehr als 4 GB RAM nutzen. Das maximale Speichervolumen eines Systems beläuft sich also auf 64 GB.

Enterprise Linux 3 gibt es in drei Ausprägungen für fünf Prozessortypen: Die Version "ES" ("Entry/Mid Server") positioniert Red Hat für Web-, Mail- sowie File-and-Print-Services. Sie gibt es nur für die klassischen 32-Bit-Systeme der x86-Architektur. Die Distribution mit dem Anhängsel "WS" ("Workstation") lässt sich darüber hinaus auf Rechnern mit Intels 64-Bit-Familie Itanium und dem "Athlon"-/"Opteron"-Gegenstück von AMD verwenden. Sie ist primär für Desktops mit einer oder zwei CPUs vorgesehen. Die Variante "AS" ("Advanced Server") unterstützt nicht nur alle drei vorgenannten Prozessoren, sondern auch IBMs Power-Chips aus den Server-Reihen i und p sowie die z-Mainframe-CPUs. AS ist die Plattform für Datenbanken und "Mission-critical"-Applikationen.

Über die Betriebssystem-Ebene Enterprise Linux 3 will Red Hat in einem zweiten Schritt eine Middleware-Schicht "Service and Application Fabric" legen. An diese dockt einerseits ein "Management Backplane" an. Dieses umfasst zum einen die Services des heutigen Red Hat Network, das für automatische Updates, Sicherheitspatches und Softwareverteilung sorgt. Dazu kommen Tools für die Administration, die Anwendungsprogrammierung und die Sicherung der grundlegenden Infrastruktur. Dazu gehört beispielsweise eine auf dem "Eclipse"-Projekt basierende "Red Hat Developer Suite" zur Programmierung von Anwendungen mit C, C++, Java und Enterprise Javabeans. Andererseits bietet dieses Layer Schnittstellen für die Virtualisierung von Speichern und Clustern. So soll hier die "Cluster Suite" ansetzen, die bisher Bestandteil von Enterprise Linux 2.1 war.

Schrittweise Neuland betreten

Über die Middleware-Schicht wiederum legt Red Hat eine Anwendungsebene von Datenbanken über Web-Services bis zu Desktop-Applikationen. Diese können von anderen Softwarehäusern kommen, allerdings will der Distributor künftig verstärkt als Lösungsanbieter in Erscheinung treten. Bisher bietet Red Hat einen Portal-Server und ein Content-Management-System. Für alle Ebenen gelten verbindliche Schnittstellen und Zugriffsmechanismen, um zu garantieren, dass sich zertifizierte Tools und Applikationen ohne weiteres in das Gesamtsystem integrieren lassen.

Red Hats erklärte Absicht ist es, nicht nur jenseits des traditionellen Geschäfts die Normen zu setzen, sondern bis zur Applikationsebene selbst als Anbieter aufzutreten. Dass dies nicht so schnell umzusetzen ist, scheint dem Unternehmen klar zu sein. So ist von einer "stufenweisen Vorgehensweise" die Rede. Zunächst stehen Management, Virtualisierung und Sicherheit im Vordergrund der Bemühungen. (ls)

Abb: Modellkonzept für schnellen Systemaufbau

Definierte Schnittstellen sollen im Red-Hat-Konzept dafür sorgen, dass Tools und Anwendungen ohne weitere Modifikationen ineinander greifen. Quelle: Red Hat