Red Hat startet Gegenangriff nach Oracles Preisattacke

27.10.2006
Ellisons Manöver erhöhen die Gefahr einer Linux-Zersplitterung.

Der Linux-Distributor Red Hat hat so heftig wie noch nie auf ein Manöver eines IT-Anbieters reagiert. Oracle-Chef Larry Ellison hatte auf der Hausmesse "Oracleworld" in San Francisco angekündigt, sein Unternehmen werde Linux-Support im Rahmen seines Angebots "Unbreakable Linux" zu maximal der Hälfte des Preises von Red Hat anbieten (siehe "Oracle will Red Hat Linux zum Kampfpreis supporten"). Ellison und sein "Chief Corporate Architect", Edward Screven, hatten dabei ausgeführt, Linux-Distributoren lieferten Fehlerbehebungen "häufig" nicht sofort, sondern erst mit der nächsten Hauptversion. Oracle hingegen werde umgehend den Linux-Code verändern. Die Kritik ist angesichts des schnellen und ausgefeilten Patch-Managements großer Distributoren ein hanebüchener Unsinn; aber sie bot Red Hat Gelegenheit zu einer massiven Retourkutsche.

"Oracle hat erklärt, unabhängig von Red Hat den Code zu verändern", schreibt der Distributor auf seiner Website in einem Dokument unter dem bezeichnenden Titel "Unfakeable Linux". "Diese Modifikationen werden nicht durch Red Hats Hardware-Testing und -Zertifizierungsprozess überprüft sein und können unerwartetes Systemverhalten zur Folge haben. Dafür gelten Red Hats Hardwarezertifizierungen nicht." Die von Oracle angekündigten Codeveränderungen würden "auf eine andere Codebasis als Red Hat Enterprise Linux" hinauslaufen. "Dieses Derivat wird nicht Red Hat Enterprise Linux sein, und die Anwender werden keine Sicherheit haben, dass es mit dem Red Hat Enterprise Linux kompatibel ist." Damit spricht Red Hat die Gefahr eines Forking (Aufspaltung in verschiedene Entwicklungslinien) und weiterer Inkompatibilitäten zwischen Linux-Distributionen an.

Wenn Oracle wie angekündigt jeweils die Sicherheits-Updates von Red Hat nachvollziehen wolle, hätte der Nachahmer immer einen Zeitverzug gegenüber dem Original und müsste außerdem alle Arbeiten in einer eigenen Testumgebung durchführen. Oracle könne nicht für Kompatibilität der APIs und ABIs von Red Hat garantieren. Und schließlich erstrecke sich das Angebot des Datenbank-Spezialisten nicht auf die bei Red Hat gleich mit abgedeckten Produkte wie den Application Stack, die Cluster Suite, den Directory Server und die Middleware der zugekauften Jboss. (ls)