Rechtsexperten warnen: Abmahnwesen außer Rand und Band

21.05.2007
Von Dorothea Friedrich
Mehrere Tausend Euro Strafe drohen Unternehmen, die ihre geschäftlichen E-Mails nicht mit erforderlichen Pflichtangaben versehen haben, wenn sie abgemahnt werden. Abmahnanwälte und professionelle Abmahnfirmen versuchen zunehmend, Druck auszuüben.

Wie bei Geschäftsbriefen vorgeschrieben, dürfen seit Jahresbeginn auch in E-Mails Angaben zum Unternehmen, wie Name, Rechtsform, Vorstand, Handelsregisternummer und Registergericht nicht fehlen. Ist ein Unternehmen säumig und wird von einem Konkurrenten oder dem betreffenden Gericht ausgeforscht, droht in Deutschland ein Bußgeld von bis zu 5.000 Euro. In Österreich kommt man aufgrund des geltenden Firmenbuchgesetzes mit 3.600 Euro Strafe etwas billiger davon.

Im Gespräch mit dem Online-Nachrichtendienst pressetext (pte) warnten Rechtsexperten in erster Linie vor selbsternannten Abmahnfirmen, die sich an der rechtlichen Unsicherheit bereichern. "In Deutschland wird mittlerweile alles abgemahnt, was nicht niet- und nagelfest ist", kritisiert der IT-Rechtler Max-Lion Keller. Die professionellen Abmahnfirmen drohen demnach säumigen Unternehmen mit einem Gang vors Gericht und einer Klage wegen unlauteren Wettbewerbs. Gleichzeitig bieten sie den Unternehmen an, die Angelegenheit über eine Unterlassungserklärung und die Begleichung der angefallenen Anwalt- und Bearbeitungskosten aus der Welt zu schaffen. Da der in Rechnung gestellte Spesenersatz zumeist nur einige Hundert Euro ausmacht, lassen sich viele Unternehmen aufgrund der Verfahrensandrohung vorschnell auf den faulen Deal ein. "Wir raten betroffenen Unternehmen in jedem Fall Ruhe zu bewahren und nicht auf die Forderungen einzugehen", sagte der Rechtsexperte Gunter Estermann. Aufgrund der fehlenden E-Mail-Angaben wegen unlauteren Wettbewerbs verurteilt zu werden, sei nämlich sehr unwahrscheinlich. "Außerdem werden derartige Abmahnfirmen den Gang zum Gericht ohnehin scheuen", ist sein Kollege Keller überzeugt. "Auch wir raten Betroffen daher, in keinem Fall eine Unterlassungserklärung zu unterschreiben und gleichzeitig den eigenen Auskunftsanspruch geltend zu machen", sagte er. Jedes Unternehmen hat demnach das Recht, von den Abmahnern zu erfahren, woher die Informationen und Daten über das eigene Unternehmen stammen.

Die Praxis der Abmahnfirmen hat bereits Tradition. So wurde beispielsweise Deutschland bei Einführung der Impressumspflicht auf Webseiten von einer regelrechten Abmahnwelle heimgesucht. Auch hierzu haben die Rechtsfachleute eine eigene Meinung: Die rechtliche Lage in Sachen Impressum von Webseiten sei verwirrend. Tatsächlich seien einige Unternehmen für das Fehlen des Impressums schon abgemahnt wurden. Bei unvollständigen Angaben habe es unterschiedliche Entscheide gegeben, sagte Keller. Auch wenn der Sachverhalt eines fehlenden Impressums mit fehlenden Angaben in E-Mails nicht gleichgesetzt werden könne, raten Keller und Estermann, den Unternehmen in jedem Fall auf Nummer sicher zu gehen und die notwendigen Angaben in ihre E-Mail-Kommunikation zu integrieren.

Um Unternehmen die korrekte Kennzeichnung ihrer E-Mails zu erleichtern, bietet die IT-Recht Kanzlei einen kostenlosen Pflichtangaben-Assistenten an, der die geforderten Angaben je nach Rechtsform des Unternehmens online generiert. Außerdem beantwortet Computerwoche.de die zehn wichtigsten Fragen zu Pflichtangaben in E-Mails.

Wer sich lieber auf die Original-Gesetzestexte stützt, findet die Übersicht zu den Pflichtangaben in Österreich bei §14 im UGB (Unternehmensgesetzbuch). In Deutschland sind diese Angaben je nach Rechtsform auf §37a HGB (Handelsgesetzbuch), §35a GmbHG (GmbH-Gesetz) sowie §80 AktG (Aktiengesetz) verteilt. Die gesetzlichen Anforderungen sind in beiden Ländern im Wesentlichen gleich, da die Bestimmungen auf eine Richtlinie des europäischen Parlaments zurückgehen.